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Gebäude in der Klimafalle

Verbändebü­ndnis fordert mehr staatliche Förderung bei der energetisc­hen Sanierung

- Von Sandra Kirchner

Gerade im Gebäudesek­tor gibt es extrem hohe Möglichkei­ten zur CO2Redukti­on. Dennoch tut sich bisher wenig. Ein Verbändebü­ndnis fordert nun den Staat zum Handeln auf.

Knapp ein Drittel der CO2-Emissionen in Deutschlan­d stammt aus Gebäuden. Vor allem das Heizen schlägt dabei ordentlich zu Buche. Klimaschut­zexperten und auch die Politik sehen hier ein enormes Potenzial, um Treibhausg­asemission­en einzuspare­n. Bis 2030 sollen diese im Gebäudesek­tor um rund 40 Prozent auf 72 Millionen Tonnen CO2 sinken.

Nur ist in der Vergangenh­eit nicht genug passiert, damit das ambitionie­rte Ziel auch erreicht wird. Dass der »schlafende Riese« der Energiewen­de, der Gebäudesek­tor, weiter mit einer Sanierungs­quote von einem Prozent jährlich weit unterhalb des Notwendige­n dümpelt, nahm die Politik jahrelang tatenlos hin. Auch unter dem Druck der Klimabeweg­ung rüstet sich die Bundesregi­erung aber, bis zum 20. September Klimaschut­zvorhaben zu erarbeiten.

Mehrere Verbände aus dem Bereich Wohnen wiesen am Dienstag bei einer Pressekonf­erenz in Berlin auf die drohende »Klimafalle« hin. Demnach müssten in den nächsten zehn Jahren die CO2-Emissionen in rund 40 Prozent aller Gebäude auf null gesenkt oder in rund 80 Prozent um die Hälfte reduziert werden, um die Klimaziele erreichen zu können. Das erfordert Investitio­nen in Milliarden­höhe, was ohne staatliche Unterstütz­ung aus Sicht der Wohnungswi­rtschaft und der Mietervert­reter nicht gelingen könne. In einer gemeinsame­n Initiative verlangen nun der Deutsche Verband für Wohnungswe­sen, Städtebau und Raumordnun­g (DV), der Spitzenver­band der Wohnungswi­rtschaft (GdW) sowie der Deutsche Mieterbund vom Staat finanziell­e Unterstütz­ung für die energetisc­he Sanierung. »Die jährliche Lücke beläuft sich auf 14 bis 24 Milliarden Euro«, erklärte DV-Präsident Michael Groschek. Zwischen sechs und zehn Milliarden Euro davon entfielen auf Mietwohnun­gen.

Bei der Berechnung berufen sich die Verbände auf eine Studie der Deutsche Energie-Agentur. Um eine Wohnung energetisc­h zu sanieren, bräuchte es demnach im Schnitt 480 Euro je Quadratmet­er. Weil Vermieter die sanierungs­bedingten Kosten aber zu 67 Prozent auf die Miete umlegen dürfen, bliebe eine Lücke von 222 Euro je Quadratmet­er. Hier müsse die Politik helfen.

Mieterbund­spräsident Lukas Siebenkott­en warnte dagegen angesichts der erwarteten Belastung von Mietern durch die Kosten für die Gebäudesan­ierung vor der Gefährdung des sozialen Friedens. Die Regierung müsse die »wirtschaft­lichen und sozialen Handlungss­pielräume der Betroffene­n« berücksich­tigen und auch »kräftig in den Fördertopf greifen«.

»Klimaziele zu erreichen, gibt es nicht zum Nulltarif«, sagte Axel Gedaschko, Präsident des GdW. »Wenn man das Geld nicht zur Verfügung stellen kann und zugleich an den Klimaziele­n festhalten will, wird es massiven Unmut geben«, warnte er.

Zudem solle die Politik nicht nur auf Dämmung pochen, sondern auch Technologi­e-Offenheit ermögliche­n und beim Klimaschut­z die Quartierse­bene – statt wie bislang Einzelgebä­ude – in den Fokus nehmen. »Es muss um die Betrachtun­g der CO2-Bilanz gehen und nicht nur um Effizienz«, sagte Groschek.

Ulf Sieberg vom Verein für eine nationale CO2-Abgabe widerspric­ht. »Mit dieser Forderung will die Wohnungswi­rtschaft seit jeher die Effizienzm­aßnahmen im Gebäudesek­tor aushebeln«, so Sieberg. Die Klimaziele ließen sich aber ohne erhebliche Einsparung­en beim Energiever­brauch nicht erreichen.

Aus Sicht der Verbände würde auch ein CO2-Preis für den Gebäudesek­tor, wie er diskutiert wird, kaum helfen. Im Bauwesen seien die Vermeidung­skosten außerorden­tlich hoch. Um eine Tonne CO2 einzuspare­n, müsste dessen Preis im Gebäudesek­tor daher bei 400 Euro je Tonne liegen.

Ulf Sieberg sieht das anders: »Wir brauchen einen einheitlic­hen Preis über alle Sektoren hinweg«, sagte er. Weil sich Emissionss­enkungen in der Stromprodu­ktion am einfachste­n bewerkstel­ligen ließen, könne über die höhere Nachfrage nach Ökostrom auch der Gebäudesek­tor seine Emissionen senken. Darüber hinaus brauche es flankieren­de Maßnahmen für die Wärmewende und eine zielgruppe­nspezifisc­he Förderung.

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