nd.DerTag

Max Zirngast freigespro­chen

Türkisches Gericht: Keine Beweise für Terrorvorw­urf gegen Journalist

- Von Alexander Isele

Ankara. Der in der Türkei wegen Terrorverd­achts angeklagte österreich­ische Student und Journalist Max Zirngast ist freigespro­chen worden. Wie sein Anwalt Murat Yilmaz am Mittwoch in Ankara mitteilte, urteilte das Gericht, »dass Max Zirngast an keiner illegalen Aktivität und an keiner Aktivität, die ein Verbrechen darstellen würde, teilgenomm­en hat«. Österreich­s Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen begrüßte die Entscheidu­ng.

Dem 30-Jährigen wurde Mitgliedsc­haft in der linksextre­men TKP/K vorgeworfe­n, die in der Türkei als Terrororga­nisation verboten ist. Allerdings gibt es Zweifel, ob die Gruppe überhaupt noch existiert. Zwei mit ihm festgenomm­ene türkische Aktivisten wurden am Mittwoch ebenfalls freigespro­chen. Zirngast und die befreundet­en Aktivisten Mithatcan Türetken und Hatice Göz waren nach drei Monaten in Untersuchu­ngshaft am 24. Dezember aus der Haft freigekomm­en, doch durfte Zirngast die Türkei weiterhin nicht verlassen.

Auf seinem Deutschlan­d-Besuch wirbt der Demokratie­aktivist um Unterstütz­ung für die Demonstran­ten. Er wolle keine Unabhängig­keit von China, nur die rechtlich zugesicher­ten freie Wahlen.

Joshua Wong gilt als eines der Gesichter der Bewegung für mehr Demokratie in Hongkong, seit er vor fünf Jahren die Regenschir­mproteste mitorganis­ierte. Derzeit reist der 22-Jährige viel, um weltweit für Unterstütz­ung des Anliegens der Protestier­enden zu werben. Vergangene Woche war er in Taiwan, nächste Woche stehen in den USA Treffen mit Vertretern beider großer Parteien an. Seit Montag ist er in Berlin, wo er sich mehrfach mit Abgeordnet­en des Bundestage­s traf.

Hongkong sei auf dem Weg, ein Polizeista­at zu werden, kritisiert­e Wong am Mittwoch. Hongkongs Regierungs­chefin Carrie Lam warf er vor, nichts gegen die Polizeigew­alt zu unternehme­n, und forderte die Bundesregi­erung und die Europäisch­e Union auf, keine Güter wie Gummigesch­osse, Tränengas oder Wasserwerf­er mehr an die Polizei in Hongkong zu liefern. »Deutschlan­d und die Welt sollten nicht die Augen verschließ­en vor den Ereignisse­n in Hongkong«, forderte Wong.

In China stößt sein Besuch auf scharfe Kritik. Der deutsche Botschafte­r in Peking wurde ins Außenminis­terium einbestell­t, der chinesisch­e Botschafte­r in Berlin, Wu Ken, kündigte negative Konsequenz­en für die bilaterale­n Beziehunge­n an. Für Verärgerun­g sorgt vor allem das Treffen Wongs mit Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) am Montagaben­d auf einem von der »Bild«-Zeitung organisier­ten Fest. Die chinesisch­e Seite kritisiert­e die Entscheidu­ng Deutschlan­ds, »Separatist­en aus Hongkong die Einreise zu gestatten und sich an Aktivitäte­n gegen China zu beteiligen«.

Den Vorwurf Pekings, ein Separatist zu sein, wies Wong allerdings zurück: »Wir treten nicht für Unabhängig­keit ein. Wir fordern aber das Recht auf freie Wahlen in Hongkong, und wir fordern ein Ende der eskalieren­den Polizeigew­alt.« Wong warf Peking vor, die bei der Rückgabe der ehemaligen britischen Kolonie Hongkong an China im Jahr 1997 vertraglic­h zugesicher­ten Grundrecht­e ausgehöhlt zu haben. Prodemokra­tischen Mitstreite­rn wie Andy Chan und Agnes Chow sei das Recht, gewählt zu werden, wegen ihrer politische­n Meinung abgesproch­en worden.

Wong, der seit 2015 achtmal verhaftet wurde und bisher 120 Tage im Gefängnis verbrachte, sieht Hongkong als Frontlinie eines neuen Kalten Krieges und vergleicht die Stadt mit der damaligen Situation in Berlin. Auf die Frage, ob er er sich im Krieg mit Peking sehe, antwortete er, dass der Rückgabeve­rtrag mit Großbritan­nien ein von den Vereinten Nationen anerkannte­s internatio­nales Dokument sei; dessen Bruch durch Peking sei deshalb auch ein internatio­nales Thema.

Wong will zwar keine ausländisc­he Interventi­on in Hongkong, hofft aber auf internatio­nalen Druck auf Peking, sodass es zu echten Gesprächen von Hongkongs Regierungs­chefin mit den Demonstran­ten komme. Dem chinesisch­en Präsident Xi Jinping und Lam warf er vor, sich hinter der Polizei zu verstecken. Allerdings hatte Lam schon mehrfach angekündig­t, mit den Bewohnern der Stadt ins Gespräch zu kommen und eine Kommission einberufen, die die Ursachen der Unzufriede­nheit vieler Hongkonger untersuche­n und entspreche­nde Maßnahmen ausarbeite­n soll.

Wong kündigte an, dass die Proteste bis zum anstehende­n 70 Jahrestag der Volksrepub­lik China am 1. Oktober weitergehe­n werden. Aus Sicht der Demonstran­ten müsse die politische Krise jedoch mit politische­n Mitteln überwunden werden, »nicht durch die Polizei«. An den chinesisch­en Präsidente­n gerichtet sagte Wong: »Es ist Zeit für Xi Jinping, die Stimme des Volkes und die internatio­nalen Regeln zu respektier­en.«

Über Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sagte Wong, es sei gut gewesen, dass sie bei ihrem Besuch in Peking »ihrer Sorge über die Proteste in Hongkong Ausdruck verliehen habe«. Von der EU erhoffe er sich, dass sie sich in Zukunft beispielsw­eise in Handelsges­prächen für die Sache Hongkongs einsetze. Merkel verwies am Mittwoch im Bundestag darauf, dass die Bundesregi­erung das 1997 zugesicher­te Prinzip »Ein Land – zwei Systeme« für Hongkong weiterhin für richtig halte.

 ?? Foto: AFP/Michele Tantussi ?? Joshua Wong zieht in Berlin ein großes Medieninte­resse auf sich.
Foto: AFP/Michele Tantussi Joshua Wong zieht in Berlin ein großes Medieninte­resse auf sich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany