nd.DerTag

Türkische Willkürjus­tiz

Sebastian Bähr über die Freilassun­g von Max Zirngast

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Aufatmen, erneut. Der österreich­ische Journalist Max Zirngast wurde ein Jahr nach seiner Festnahme in der Türkei gemeinsam mit zwei weiteren Angeklagte­n von einem Gericht freigespro­chen. Der Vorwurf der Mitgliedsc­haft in einer »Terrorgrup­pe« war von Anfang an hanebüchen, das ganze Verfahren von vorne bis hinten absurd. Eben genau wie bei Zehntausen­den anderen politische­n Gefangenen im Land auch. Dieser Tag schafft somit zwar Freude – für die relative Freiheit von Zirngast, den Erfolg seiner engagierte­n Unterstütz­er. Das Aufatmen währt jedoch nur kurz.

Die Willkürjus­tiz ist in der Türkei weiterhin Realität. Unzählige politische Häftlinge sitzen nach wie vor wegen konstruier­ter Vorwürfen ein, politisch motivierte Prozesse sind weiter an der Tagesordnu­ng. Nach innen dienen sie Präsident Erdoğan zur Einschücht­erung, nach außen wie im Falle des deutsch-türkischen Journalist­en Deniz Yücel als Verhandlun­gsmasse. Die unberechen­baren Verfahren sollen die Angeklagte­n wie die gesamte Opposition lähmen. Jeder, der nicht ins Ausland geht, bleibt diesem Zugriff ausgesetzt. Jeder, der den Mund aufmacht, muss die Repression einkalkuli­eren.

Die politische­n Häftlinge in der Türkei dürfen in ihrer Gesamtheit nicht vergessen werden, vor allem nicht die ohne Bekannthei­t oder Fürspreche­r. Die demokratis­chen und solidarisc­hen Kräfte im Land brauchen Unterstütz­ung. Wenn sie gestärkt sind, werden auch für Gerichte mutige Entscheidu­ngen einfacher.

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