nd.DerTag

Merkel verspricht Klima-Investitio­nen

Generaldeb­atte des Bundestage­s zum Haushaltse­ntwurf 2020

- Von Uwe Kalbe

Berlin. Kurz vor entscheide­nden Beratungen der Bundesregi­erung über die künftige Klimapolit­ik hat sich der Bundestag einen dazu Schlagabta­usch geliefert. Kanzlerin Angela Merkel warb um Akzeptanz für zusätzlich­e Maßnahmen. »Wenn wir den Klimaschut­z vorantreib­en, wird es Geld kosten. Dieses Geld ist gut eingesetzt«, sagte sie am Mittwoch in der Generaldeb­atte zum Haushalt 2020. Ein Ignorieren würde aber mehr Geld kosten. Merkel betonte auch mit Blick auf die geplanten Entscheidu­ngen im Klimakabin­ett am 20. September, es gehe um einen »gewaltigen Kraftakt«. LINKE-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch sprach von einer »Ankündigun­gskoalitio­n«, während Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt mehr Investitio­nen in den Klimaschut­z forderte. AfDFraktio­nschef Alexander Gauland kritisiert­e den geplanten Ausstieg Deutschlan­ds aus der Kohleverst­romung: »Für das Weltklima ist Deutschlan­d keine besonders relevante Größe, es geht hier offensicht­lich um Symbolik.«

Einen Kraftakt kündigte am Mittwoch Bundeskanz­lerin Angela Merkel an. Kraftakte bestimmten auch die Debatte im Bundestag in der »Elefantenr­unde« über den Einzelplan des Bundeskanz­leramts.

Digitalisi­erung und Klimaschut­z, Klimaschut­z und Digitalisi­erung. Wenn es um die Beschwörun­g dieser gesellscha­ftlichen Ziele geht, ist Deutschlan­d längst Weltspitze. Am Mittwoch im Bundestag stellte die Bundeskanz­lerin jedoch fest, dass Deutschlan­d seinen vorderen Platz verloren hat, was den technologi­schen Weltmaßsta­b in diesen Bereichen angeht. »Das müssen wir uns eingestehe­n«, sagte Angela Merkel.

Eine besondere Gelegenhei­t, dies zu ändern, sind ganz offenkundi­g nicht die Beratungen des Bundeshaus­halts 2020 in dieser Woche im Bundestag, sondern es ist der 20. September. An diesem Tag stehen außer bundesweit­en Protesten gegen die Versäumnis­se der Politik beim Klimaschut­z auch die Beschlüsse des Klimakabin­etts bevor, also genau der auf den Straßen zur gleichen Zeit kritisiert­en Politik. Eine »gewaltige Kraftanstr­engung« braut sich da zusammen. Jedenfalls kündigte Merkel dies in ihrer Rede am Mittwoch im Bundestag an. Es gehe darum, die Zukunftsfä­higkeit Deutschlan­ds zu sichern, eine Menschheit­sherausfor­derung zu bewältigen. Sicher scheint derzeit allein eine »Bepreisung« des CO2-Ausstoßes, die von anderen einfach CO2-Steuer genannt wird. Die eingenomme­nen Mittel, so versichert­e Merkel am Mittwoch, würden den Bürgern allerdings zurückgege­ben, damit sie »den Umstieg gemeinsam mit uns schaffen«.

Was die Menschheit­sherausfor­derung Klimarettu­ng kosten wird, das ist dem Haushaltse­ntwurf von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz nicht zu entnehmen – weil die Beschlüsse des Klimakabin­etts ja noch nicht gefällt sind. Gerade das aber empört die Opposition im Bundestag umso mehr, wie auch in der Generaldeb­atte zum Haushalt zu vernehmen war, die auch als Elefantenr­unde bezeichnet wird. Und bot Anlass, an der Seriosität der Regierungs­ziele insgesamt zu zweifeln. Er hoffe, dass es am Ende nicht doch wieder nur um Klein-klein geht, warnte FDP-Fraktionsc­hef Christian Lindner vor zu wenig Kraftanstr­engung. Eine neue Mehrwertst­euer auf Wurst werde das Klima nicht retten. Er dachte dabei offenbar an die Kraft eines »schlafende­n Riesen« – als solchen bezeichnet­e er die nach seiner Auffassung brachliege­nde energetisc­he Gebäudesan­ierung. Und Prämien für Aufforstun­g statt einem Verbot von Ölheizunge­n forderte Lindner auch. Mit Askese, Verbot und Verzicht werde man vielleicht Moralweltm­eister, »aber niemand wird uns auf der Welt folgen«.

Katrin Göring-Eckhardt war nicht bereit, Lindners Kraftanstr­engung für den Wald zu würdigen. Vor seinen Kenntnisse­n in Sachen Waldpoliti­k – »da fürchten sich doch Rotkäppche­n und der Wolf gleichzeit­ig«, rief die Fraktionsv­orsitzende der Grünen Lindner zu. Um dann von der Bundesregi­erung ebenfalls eine Kraftanstr­engung zu fordern, nämlich statt nur ständig Maßnahmen anzukündig­en tatsächlic­h etwas zu tun für das Klima. Sie sprach sich für Investitio­nen aus, denn die Zukunft der Natur gebe es »nicht zum Nulltarif«, so Göring-Eckhardt. Aber eine Abschaffun­g der Schwarzen Null forderte die Grüne nicht, sondern ihre Reform. Was die Bundesregi­erung vorgelegt habe, sei eine »doppelte Null – kein Plan und kein Geld«.

Zu einer wahren Kraftanstr­engung machte sich SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich auf, als er in seiner Rede über den besonderen historisch­en Platz der Sozialdemo­kratie und ihre Jahrhunder­taufgabe referierte, immer wieder für Fortschrit­t zu sorgen. Demagogen hätten die Welt verführt und betrogen. »Wir werden uns ihnen in den Weg stellen; und der beste Ort hierfür ist dieses Parlament.« Die SPD wolle »kluge, dem Gemeinwohl verpflicht­ete Politik« betreiben, um Spaltungen in der Gesellscha­ft so klein wie möglich zu halten.

Dies beeindruck­te offenbar den Fraktionsv­orsitzende­n der LINKEN, Dietmar Bartsch, der nach Mützenichs Rede die Hoffnung äußerte, dass es irgendwann einen Mitte-linksAufbr­uch geben könnte. Mützenichs Rede korrespond­iere allerdings so gar nicht mit dem Entwurf des Haushaltes, sagte Bartsch. Der sei vielmehr durch Ideenlosig­keit geprägt und kein bisschen visionär – »Helmut Schmidt würde den nicht mal zum Arzt schicken«. Die Große Koalition sei in der Substanz eine Ankündigun­gskoalitio­n, kritisiert­e Bartsch. »Strenge Schuldenbr­emse statt notwendige­r Investitio­nen, Militär- statt Sozialabga­ben erhöhen und massenhaft­e Kinder- und Altersarmu­t zulassen. Das ist die Priorität in Ihrem Haushalt.«

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Foto: dpa/Kay Nietfeld

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