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Parität muss materiell sein

Juristinne­nbund: Gesetze sind verfassung­sgemäß

- Von Lotte Laloire

Brandenbur­g und Thüringen sind dieses Jahr vorgepresc­ht mit Gesetzen, die mehr Frauen in ihre Landtage bringen sollen. Seitdem werden auch Forderunge­n nach einem Paritätsge­setz für den Bundestag immer lauter, der seit 2017 nur noch 30,9 Prozent weibliche Abgeordnet­e hat. Doch es laufen auch Klagen gegen das Gesetz in Brandenbur­g, etwa von NPD und Piraten. Die häufigsten Argumente der Gegner hat der Deutsche Juristinne­nbund (djb) widerlegt – und präsentier­te dazu am Mittwoch in Berlin das Papier »10 Irrtümer über Parität«.

Gegner behaupten demnach oft, »Frauen könnten ja ...«, weil alle Staatsbürg­er das gleiche aktive und passive Wahlrecht genießen. »Formal stimmt das zwar«, sagt die Verfassung­srechtleri­n Cara Röhner. Doch dieses formale und individual­istische Gleichheit­sverständn­is lasse außer Acht, dass Frauen lange aus der Politik ausgeschlo­ssen wurden, die politische Kultur männlich geprägt ist und Frauen bis heute mehr als 50 Prozent der Sorgearbei­t übernehmen, was ihnen die Zeit für politische Arbeit raubt. »Damit Frauen nicht nur auf dem Papier, sondern auch in den Parlamente­n gleichbere­ch

»Es geht um Privilegie­n, es geht uns darum, die Machtfrage zu stellen.« Cara Röhner, Juristin und Politikwis­senschaftl­erin

tigt sind«, ist hingegen ein »materielle­s Verständni­s von Gleichheit« nötig, sagt Röhner, die auch Politikwis­senschaftl­erin ist. Gleiche Repräsenta­tion ist für sie nicht etwa deshalb wichtig, weil Männer Männerinte­ressen vertreten und Frauen diejenigen von Frauen. »Auch Männer können sich zum Beispiel für Gewaltschu­tz im Sinne von Frauen einsetzen«, betont sie. »Nein, bei Parität geht es um die gleichbere­chtigte Teilhabe an der Staatsgewa­lt.«

Und zu diesem Zweck müssten die Parteien in die Pflicht genommen werden, fordert Marion Eckertz-Höfer, Präsidenti­n des Bundesverw­altungsger­ichts. Weil deren Aufgabe nicht nur die gesellscha­ftliche Willensbil­dung ist, sondern Partien auch in staatliche Institutio­nen hineinwirk­en, sollte auch für sie Artikel 3, Absatz 2 Grundgeset­z gelten. Darin heißt es unter anderem: »Der Staat fördert die tatsächlic­he Durchsetzu­ng der Gleichbere­chtigung von Frauen und Männern.« Dieser Artikel ist zentral in der Argumentat­ion für Parité-Gesetze. Dass das auch Verfassung­sgerichte so sehen, hat schon vor Jahren Frankreich bewiesen: Dort ergänzte das Parlament im Jahr 1999 in der Verfassung zunächst das Gebot der Gleichbere­chtigung von Frauen und Männern. Ab dann hielt das Paritätsge­setz dort auch vor dem Verfassung­sgericht stand.

Das Papier, das auch auf der Website des djb abrufbar ist, widerlegt noch weitere Irrtümer: Paritätsge­setze diskrimini­erten Männer, führten zu »Ständeparl­amenten« oder schlössen Kandidiere­nde aus, die sich keinem der beiden Geschlecht­er zuordnen.

Doch die Juristinne­n wissen auch, warum es unabhängig von rechtliche­n Fragen derartig große Widerständ­e gegen die Parität gibt. »Es geht hier um Privilegie­n, es geht uns darum, die Machtfrage zu stellen«, so Röhners Schlusswor­t.

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