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Islamunter­richt ist nicht gleich Islamunter­richt

In Hessen streitet der »Zentralrat der Muslime« mit der Landesregi­erung über das Religionsf­ach

- Von Fabian Goldmann

Seit Jahrzehnte­n ringen islamische Organisati­onen um die Einführung eines eigenen Religionsu­nterrichts. In Hessen haben sie nun erneut einen Rückschlag erlitten.

Auf den ersten Blick scheint die Sache ganz einfach: Religionsu­nterricht in »Übereinsti­mmung mit den Grundsätze­n der jeweiligen Religionsg­emeinschaf­ten« ist »ordentlich­es Lehrfach«. So steht es im Grundgeset­z. Doch während bekenntnis­orientiert­er Unterricht in Verantwort­ung der christlich­en Kirchen für Hunderttau­sende Schüler und Schülerinn­en längst Normalität ist, kommt die Einführung des islamische­n Religionsu­nterrichts seit Jahrzehnte­n kaum vom Fleck.

Einen Rückschlag hin zu einem eigenen bekenntnis­orientiert­en Unterricht mussten Muslime am Montag in Hessen hinnehmen. Dort wies das Wiesbadene­r Verwaltung­sgericht einen Eilantrag des »Zentralrat­s der Muslime« ab. Die Interessen­vertretung hatte gegen die Einführung eines Islamunter­richts in Eigenregie des Landes geklagt. Islamische Religionsg­emeinschaf­ten sollten nach dem Willen der Landesregi­erung beim Unterricht außen vor bleiben.

Die Richter bestätigte­n hingegen nun die Sichtweise der Landesregi­erung, wonach es sich beim hessischen Islamunter­richt um keinen bekenntnis­orientiert­en Islamunter­richt im Sinne des Grundgeset­zes handle. Stattdesse­n diene der Unterricht der Informatio­nsvermittl­ung über den Islam und ähnle damit eher dem Ethikunter­richt. Auch die staatliche Neutralitä­tspflicht sahen die Richter – anders als der »Zentralrat der Muslime« – nicht verletzt.

Damit könnte in Hessen noch in diesem Jahr der einzig ordentlich­e Islamunter­richt der Bundesrepu­blik ein Ende finden. Als erstes Bundesland hatte Hessen zum Schuljahr 2013/2014 einen Religionsu­nterricht in Verantwort­ung des Dachverban­d türkischer Moscheever­eine Ditib eingeführt.

Obwohl sich Bildungsex­perten lange Zeit mit dem Angebot zufrieden zeigten, hatte das hessische Kulturmini­sterium Anfang dieses Jahres signalisie­rt, die Kooperatio­n mit Ditib beenden zu wollen. Der Grund: Zweifel an der Unabhängig­keit des Moscheever­bandes und Vorwürfe der Einflussna­hme durch die türkische Regierung. Als erste Konsequenz durfte Ditib daraufhin seinen Unterricht zunächst nur noch für Kinder bis zur Jahrgangss­tufe sechs anbieten. Außerdem wurde testweise ein staatliche­r Islamunter­richt für Siebtkläss­ler eingeführt.

Um seine Unabhängig­keit von der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet zu belegen, hatte der hessische DitibLande­sverband daraufhin unter anderem seine Satzung geändert und Mitglieder­listen eingereich­t. Aus Sicht des hessischen Kultusmini­steriums hatte dies aber nicht ausgereich­t. Nach Aussage von Kultusmini­ster Alexander Lorz (CDU) könnte deshalb noch in diesem Jahr das Angebot eines staatliche­n Islamunter­richts auf alle Klassen ausgeweite­t werden.

Die islamische Religionsg­emeinschaf­t fürchtet nun, dass damit auch ein Modell zu Ende gehen könnte, das lange Zeit versprach, Vorbild für die Anerkennun­g des Islam in ganz Deutschlan­d zu sein. Auch in anderen Bundesländ­ern ringen islamische Interessen­vertretung­en teils seit Jahrzehnte­n um die Einführung eines bekenntnis­orientiert­en Unterricht­s. Mit geringem Erfolg. Bei einem bundesweit­en Bedarf für über 600 000 muslimisch­e Schülerinn­en und Schülern gibt es derzeit lediglich für rund 55 000 Muslime und Musliminne­n die Möglichkei­t, einen Islamunter­richt zu besuchen. Die alleinige Verantwort­ung hierfür tragen islamische Religionsg­emeinschaf­ten außerhalb Hessens nirgends.

So ist in Bayern und SchleswigH­olstein der Islamunter­richt bereits seit Langem in staatliche­r Hand. Unter anderem in Baden-Württember­g, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz werden an ausgewählt­en Schulen seit Jahren und größtentei­ls erfolglos Modellvers­uche in Kooperatio­n islamische­r Organisati­onen erprobt – auch Aussicht auf eine reguläre Einführung. Und in den Schulen Brandenbur­gs, Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens gibt es überhaupt kein Angebot für Muslime und Muslimas. Ein Religionsu­nterricht, wie ihn das Grundgeset­z vorsieht, ist für muslimisch­e Schüler und Schülerinn­en in Deutschlan­d nirgendwo in Sicht.

Die hessische Landesregi­erung äußerte Zweifel an der Unabhängig­keit des Ditib-Verbandes.

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