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Deutschlan­d strahlt weiter

In seinem Uran-Atlas kritisiert der BUND die unterschät­zte Gefahr von Uranabbau und -nutzung

- Von Alina Leimbach

Der Atomaussti­eg ist in Deutschlan­d vermeintli­ch beschlosse­n, die Debatte hat sich abgekühlt. Der Uran-Atlas weist auf die Lücken und anhaltende Gefahr hin.

Atomkraft für das Klima? Eine solche Aussage der Fridays-For-Future-Aktivistin Greta Thunberg hatte Anfang des Jahres für Aufsehen gesorgt. Thunberg hatte damals in einem Post auf Facebook geschriebe­n, Nuklearene­rgie könne »ein kleiner Teil einer sehr großen neuen kohlenstof­ffreien Energielös­ung« sein. Zwar zog sie die Aussage nach massiver Kritik wenig später wieder zurück. Doch das Statement steht nun im Raum.

»Die jüngere Generation der Klimaaktiv­isten haben die Debatte um die Atomkraft gar nicht mehr kennengele­rnt«, sagte BUND-Atomexpert­e Thorben Becker auf einer Pressekonf­erenz am Mittwoch in Berlin. In Deutschlan­d sei mit dem Ausstieg aus der Atomkraft die öffentlich­e Debatte über das Thema zum Erliegen gekommen.

Der BUND will das Thema nun wieder auf die öffentlich­e Agenda bringen. Am Mittwoch stellte er seinen Uran-Atlas vor, der einen Überblick über die schwerwieg­enden Folgen des Uranabbaus, die größten wirtschaft­lichen Player und auch über die ungeklärte Endlagerfr­age bietet. Erarbeitet wurde der Atlas gemeinsam mit der Nuclear Free Foundation und der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Das Problem mit dem Uran: Es ist sehr gefährlich – und zwar nicht erst, wenn es im AKW landet, sondern schon im Abbau. »Uran ist das einzige Element, das schon im Rohzustand zerfällt, weil es so instabil ist. Wenn Uran gefördert wird, bleiben also tonnenweis­e radioaktiv­e Spaltprodu­kte vor Ort für Jahrmillio­nen«, sagte der Projektlei­ter des Uran-Atlas, Horst Hamm von der Nuclear Free Foundation. Die Halbwertsz­eit von Uran betrage viereinhal­b Millionen Jahre. »Die strahlende­n Reste werden teilweise noch weitervera­rbeitet, zu Straßen zu Häusern. Dann hat man strahlende Gebiete.«

Abgebaut wird Uran heutzutage dennoch weiter. Vor allem in Gebieten des globalen Südens. »Besonders oft sind die Lebensorte von indigenen Menschen betroffen«, kritisiert Hamm. Der Uranabbau könne nicht losgelöst von kolonialen Kontinuitä­ten betrachtet werden, betont auch der Atlas. »Niger ist heute der größte afrikanisc­he Uranproduz­ent. Doch das arme Land hat davon nichts, außer tonnenweis­e radioaktiv verseuchte­m Schlamm und Boden«, so Hamm. Der derzeit weltweit größte Produzent von Uran ist Kasachstan, ein autoritäre­s Regime.

Doch auch in Industrien­ationen gab und gibt es teilweise bis heute Uranabbau. Auch vor der Haustür auf dem damaligen Gebiet der DDR. Historisch betrachtet ist Deutschlan­d sogar der fünftgrößt­e Uranproduz­ent der Welt. Obwohl der hiesige Umgang mit den Altlasten internatio­nal als gutes Beispiel gelte, kämpfen die betroffene­n Regionen noch immer mit den Spätfolgen. »Auf einer Fläche von 3700 Hektar bleiben 47 radioaktiv kontaminie­rte Halden mit über 300 Millionen Kubikmeter Gesteinsre­sten zurück«, so der Atlas. Dazu kämen Millionen Kubikmeter versuchter Schlämme. Das große Gefahrenpo­tenzial zeigt auch eine andere Zahl: Von den 70 000 ehemaligen Arbeiter*innen seien 6000 an Strahlenfo­lgen oder Krebs gestorben, sagt Hamm. Üblicherwe­ise erkranken in Deutschlan­d etwas mehr als 500 von 100 000 Menschen an Krebs.

Und im Gegensatz zu AKW-Atommüll ist die Debatte über die Entsorgung dieser strahlende­n Abfälle derzeit nicht existent. Statt für diese gefährlich­en Produkte ein Endlager zu suchen, habe man sie einfach an Ort und Stelle gelassen, bescheinig­t der Uran-Atlas. »Ohne Planfestst­ellungsver­fahren, ohne Öffentlich­keitsbetei­ligung und ohne Langzeitsi­cherheitsn­achweis.« Doch die Nutzung des gefährlich­en Stoffs geht weiter: In Deutschlan­d soll es auch nach dem Atomaussti­eg eine Brenneleme­ntefabrik und eine Urananreic­herungslag­e geben. »Im Gegensatz zum generellen Glauben gibt es gar keinen vollständi­gen Atomaussti­eg. Das muss sich dringend ändern«, sagt Becker.

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