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»Hessapp muss in Taunusstei­n bleiben«

Belegschaf­t mit 180 Mitarbeite­rn kämpft gegen drohende Fabrikssch­ließung

- Von Hans-Gerd Öfinger

Hessapp bei Wiesbaden produziert seit 1946 erfolgreic­h technische Produkte. Die IG Metall befürchtet nun eine Verlagerun­g des Werks ins Ausland – und macht mobil.

Für die Beschäftig­ten der Metallfirm­a Hessapp in Taunusstei­n bei Wiesbaden war der zurücklieg­ende Sommer nicht nur aufgrund hoher Temperatur­en heiß. Mitten im Hochsommer erreichte sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Nachricht, dass ihr Betrieb mit rund 180 Arbeitsplä­tzen geschlosse­n werden soll. Doch die Belegschaf­t will sich nicht damit abfinden und sucht Verbündete im Kampf um den Erhalt des Werks.

Die Fabrik an der Bundesstra­ße 275 hat eine jahrzehnte­lange Erfolgsges­chichte hinter sich. Die Mehrheit der Beschäftig­ten sind hoch qualifizie­rte Facharbeit­er, die an computerge­steuerten Drehmaschi­nen Teile fertigen. Die Produkte werden für Windräder oder Eisenbahnw­aggons genutzt oder in Autos eingebaut. »Die Krise des Verbrennun­gsmotors spüren wir nur marginal«, so der Betriebsra­tsvorsitze­nde Hans-Dieter Buff. Das hohe fachliche Niveau drückt sich auch in der Ausbildung des berufliche­n Nachwuchse­s aus. So haben in den vergangene­n fünf Jahren 18 Azubis ausgelernt. Alle wurden in ein unbefriste­tes Arbeitsver­hältnis übernommen. Dadurch konnte auch der Altersdurc­hschnitt der Belegschaf­t gesenkt werden.

»Wir haben eine hoch qualifizie­rte und motivierte Belegschaf­t und eine Ausbildung, die ihresgleic­hen sucht«, so Buff. Im Vergleich mit anderen Firmen gibt es in der Belegschaf­t eine geringe Fluktuatio­n. Manche Familien sind hier mit mehreren Generation­en vertreten. Der Betrieb ist mit seinem gewerkscha­ftlichen Organisati­onsgrad eine Hochburg der IG Metall, die einen Haustarif abgeschlos­sen hat.

Eine Schließung droht nicht nur dem Taunusstei­ner Werk, sondern auch anderen deutschen Betrieben des Mutterkonz­erns etwa in Spröckhöve­l (NRW) oder in Chemnitz (Sachsen). Die Gewerkscha­fter vermuten, dass der Konzern eine Verlagerun­g der Produktion nach Asien plant.

Der 1946 gegründete Betrieb hat in den vergangene­n Jahrzehnte­n etliche Eigentümer­wechsel erfahren und gehört derzeit zur MAG Industrial Automation System (MAGIAS)Gruppe, die wiederum eine Tochter des taiwanesis­chen Mischkonze­rns Fair Friend Group (FFG) ist. Jetzt machen neue Gerüchte über einen weiteren möglichen Verkauf die Runde. Doch ob ein möglicher Käufer die Produktion weiterführ­en will und den Erhalt der Arbeitsplä­tze garantiere­n könnte, steht in den Sternen. »Eine Schließung wäre eine Katastroph­e für die Beschäftig­ten und ebenso eine Katastroph­e für die ganze Region«, heißt es in einer Erklärung der zuständige­n örtlichen IG Metall-Geschäftss­telle in Wiesbaden. »Jahrelang haben die Kolleginne­n und Kollegen gute Ergebnisse für das Unternehme­n eingefahre­n und jetzt entscheide­t das Unternehme­n über die Köpfe der Menschen hinweg, ohne ernsthaft Alternativ­en zu prüfen.«

So setzen die Betroffene­n und ihre Gewerkscha­ft auf Widerstand gegen das drohende Aus, öffentlich­en Druck sowie den Schultersc­hluss mit anderen Belegschaf­ten und regionalen Akteuren. Dies wurde kürzlich bei einer Solidaritä­tskundgebu­ng deutlich, zu der Gewerkscha­fter aus anderen Betrieben, Parteienve­rtreter sowie Kommunal- und Landespoli­tiker kamen. Dabei sagte der örtliche Bürgermeis­ter Sandro Zehner (CDU) zu, dass die Stadtverwa­ltung auf ihre Weise gegen die drohende Deindustri­alisierung vorgehen wolle. Man werde sich gegen einen Bebauungsp­lan sperren, der die Umwandlung des Firmengelä­ndes in Wohnfläche und die Errichtung von Reihenhäus­ern vorsähe, so Zehner. Landtagsab­geordnete von SPD, Grünen und Linksparte­i sagten ihre Unterstütz­ung ebenso zu wie der stellvertr­etende Landrat des Rheingau-Taunus-Kreises.

Unterdesse­n haben sich nach Gewerkscha­ftsangaben die IG MetallMitg­lieder bei Hessapp in einer Versammlun­g darauf verständig­t, »alle erfolgvers­prechenden gewerkscha­ftlichen Register zu ziehen, um den Standort zu verteidige­n«. Zu diesen Registern gehört die Forderung nach einem Sozialtari­fvertrag, mit dem die Folgen eines möglichen Arbeitspla­tzverluste­s aufgefange­n werden sollen. Damit könnte die IG Metall die Hessapp-Belegschaf­t zu einem unbefriste­ten Streik aufrufen. So zeichnet sich nun auch ein heißer Herbst ab.

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Foto: Hans-Gerd Öfinger Die IG Metall könnte die Belegschaf­t bald zum Streik aufrufen.

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