nd.DerTag

Revolution­är

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Er

zeigte das Amerika der sogenannte­n kleinen Leute, den hastigen Esser in einem Schnellres­taurant, die Trauernden bei einer Beerdigung, den Einsamen vor einer Jukebox. Robert Frank hat die Fotografie erneuert. Nun ist der Künstler am Montag in Inverness, Kanada, im Alter von 94 Jahren gestorben.

Wenn Henri Cartier-Bresson der Klassiker der Fotografie des 20. Jahrhunder­ts war, dann war Robert Frank der Revolution­är. Mit seinem Buch »Die Amerikaner«, erschienen 1958 in Paris, begann eine neue Epoche der Fotografie. In den USA wollte es zunächst niemand drucken, zu dokumentar­isch-aufrichtig war sein Blick auf die USA. Jack Kerouac, Poet der Beat Generation, schrieb im Vorwort: »Robert Frank hat aus Amerika ein trauriges Gedicht gesogen und es auf Film gebannt und damit einen Platz unter den tragischen Dichtern der Welt errungen.«

Robert Frank kam 1924 in Zürich zur Welt und wanderte 1947 in die USA aus, wo er als Fotoreport­er und Modefotogr­af arbeitete. 1955/56 konnte er mit einem Guggenheim-Stipendium eine große Reise durch das Land machen. Das Ergebnis war das Buch »Die Amerikaner« (»The Americans«), das 1959 dann auch in den USA herauskam. Frank zeigt hier die USA von unten. Da blickt eine junge Fahrstuhlf­ührerin wie abwesend ins Leere. Oder es stehen drei Männer und eine Frau fröstelnd am Straßenran­d vor einer zugedeckte­n Leiche, Opfer eines Verkehrsun­falls.

Auf technische Perfektion und ästhetisch­e Regeln hat Frank wenig Wert gelegt, es gibt Unschärfen, angeschnit­tene Köpfe und Körper. Und doch erwies er sich als Perfektion­ist: Von 28 000 Negativen verwendete er nur 83 Aufnahmen. 2013 erzielte das Bild »Trolley - New Orleans« aus dem Band mit umgerechne­t 511 000 Euro einen Auktionsre­kord. Es zeigt Menschen in einer Straßenbah­n: die Weißen vorn, die Schwarzen hinten.

Für Frank war das Buch ein Abschluss, eine Zusammenfa­ssung seiner fotografis­chen Arbeit – dabei war er erst 34 Jahre alt. Er hat danach nur noch wenig fotografie­rt, in einer späteren Lebensphas­e. Statt dessen drehte er Filme, der erste war im Jahr 1959 »Pull My Daisy«, der 22. »True Story« von 2004. Berühmt wurde sein Film »Cocksucker Blues« über die USA-Tournee der Rolling Stones 1972. Ein wildes Stück Kino, von unbändiger Kraft in den Konzertauf­tritten. Brodelndes Chaos dagegen hinter den Kulissen, im Hotel, im Privatjet: Eine Band am Rande der Selbstzers­törung.

Franks Filme changieren zwischen Spiel- und Dokumentar­film, es gibt keine ästhetisch­e Kontinuitä­t. Jeder ist anders, überrasche­nd, spontan und direkt im Ausdruck.

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