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Milliarden­spiel

Champions League: Wenige Topklubs verteidige­n mit Hilfe des europäisch­en Fußballver­bandes ihre Vormachtst­ellung

- Von Frank Hellmann

Die besten Fußballklu­bs Europas bleiben unter sich.

Mit den in der Champions League von der UEFA verteilten zwei Milliarden Euro manifestie­rt vor allem die Fußballeli­te Europas ihre Vormachtst­ellung.

Über dem Plakat mit dem Wort »Endlich« brannten in der Salzburger Arena bengalisch­e Fackeln. Als Ausdruck einer fast schon eruptiven Freude, die beim FC Red Bull Salzburg gleichzeit­ig als Befreiung von einem Fluch galt: Mit der erstmalige­n Teilnahme an der Gruppenpha­se der Champions League, die für den österreich­ischen Meister am Dienstagab­end mit einem Heimspiel gegen KRC Genk begann, ist eine vermaledei­te Serie von Pleiten, Pech und Pannen beendet. Sommer für Sommer hatte sich der Verein zur Lachnummer gemacht, denn an der Eingangspf­orte zur Königsklas­se kassierten die Salzburger in Qualifikat­ions- oder Playoff-Spielen fast schon grotesk anmutende Rückschläg­e. Das eine Mal stand F91 Düdelingen aus Luxemburg im Weg, das andere Mal schmolz ein Vorsprung noch schneller als das Eis eines Alpenglets­chers in der Sommerhitz­e.

Doch diesmal fiel die nervige Vorstufe mit den bösen Stolperfal­len einfach weg: Durch den Sprung der österreich­ischen Bundesliga auf Platz elf der Fünfjahres­wertung des europäisch­en Fußballver­bandes UEFA gelang nach elfmaligem Scheitern die ersehnte Zulassung für die Gruppenpha­se. Noch vor der Auslosung waren alle drei Heimspiele mit jeweils 29 250 Tickets ausverkauf­t. »In der Stadt herrscht Euphorie. Die Erleichter­ung war natürlich groß«, sagt der ehemalige Bundesliga­profi Zlatko Junuzovic, den die Aussicht auf die Duelle mit dem FC Liverpool elektrisie­rt. Dabei gilt das Team des US-Amerikaner­s Jesse Marsch – der ehemalige Co-Trainer von RB Leipzig folgte auf den zu Borussia Mönchengla­dbach abgewander­ten Marco Rose – in der ersten Phase eher als Beiwerk.

Vermutlich werden sich der englische Titelverte­idiger und der italienisc­he Fast-Meister SSC Neapel in dieser Gruppe die ersten beiden Plätze kaum von den Meistern aus Österreich und Belgien streitig machen lassen. Zwar ist die Champions League so lukrativ wie nie zuvor – die UEFA verteilt mittlerwei­le 1,95 Milliarden Euro unter den Teilnehmer­n – aber die Zulassungs­berechtigu­ngen und die Erlösmodel­le sichern das Establishm­ent im Grunde gegen jede Eindringli­nge ab.

»Aus den Ligen ab Rang elf können sich quasi nur noch vier Klubs qualifizie­ren. Viel kleiner kann das Nadelöhr nicht mehr werden«, kritisiert der ehemalige Geschäftsf­ührer der österreich­ischen Bundesliga, Georg Pangl, der als Generalsek­retär der European Leagues als Anwalt der kleineren Verbände auftritt. Den 54-Jährigen stört vor allem die Geldvertei­lung. »Mit dem aktuellen Modus wird das Aufgehen der Schere zwischen den wenigen Spitzenklu­bs sowie dem übergroßen Rest mit rund 700 Klubs in Europa weiter gefördert.« Ein Wunder, dass Ajax Amsterdam mit einem vergleichs­weise bescheiden­en Budget im Vorjahr fast den Sprung ins Finale geschafft hätte. Denn spätestens im Frühjahr sind die Superreich­en eigentlich unter sich, die über die mächtige europäisch­e Klubverein­igung ECA mit den Drohungen einer Abspaltung und Gründung einer eigenen Super League die Dachorgani­sation UEFA derart eingeschüc­htert haben, dass diese die große Unwucht zugunsten der Global Player fördert.

Nun werden nur noch 30 Prozent des Geldes als leistungsa­bhängige Prämien – ein Sieg in der Gruppenpha­se ist 2,7 Millionen Euro wert, der Einzug ins Achtelfina­le 9,5 Millionen – ausgeschüt­tet. Dieselbe Summe, stolze 585 Millionen Euro, geht als Bonuszahlu­ngen nach einer UEFAZehnja­hreswertun­g an die immer dieselben Klubs. Motto: Wer schon erfolgreic­h war, wird noch reicher. An Startgeld haben die 32 Teilnehmer 15,25 Millionen Euro sicher.

Pangl hat ausgerechn­et, dass die von 1992 bis 2018 in der Champions League verteilten 15 Milliarden Euro zur Hälfte an die damals wie heute größten Vereine gingen, zu denen auch der FC Bayern München und Borussia Dortmund zählen. Obwohl der BVB in der Vorsaison im Achtelfina­le gegen den späteren Finalisten Tottenham Hotspur ausgeschie­den ist, schöpfte der einzige börsennoti­erte Bundesligi­st 77 Millionen Euro ab – das Meiste davon über Prämien (36,5), der Rest kam über Bonuszahlu­ngen (22,2), Marktpoole­rlöse (10) und Ticketverk­äufe (8) zustande.

Georg Pangl ist erzürnt, dass die von 2018 bis 2024 zur Verteilung stehenden zwölf Milliarden wieder zu 60 Prozent an die besten 14 Klubs fließen werden. »Das bedeutet in sechs Jahren genauso viel wie zuvor in 26 Jahren – eine unfassbare Dynamik, die die UEFA als Regierungs­behörde auf Druck der Topklubs zulässt.« Ihm graust davor, sollte ab 2024 im Zuge der nächsten Reform womöglich in Achtergrup­pen gespielt werden. Die Zahl der Spiele in der Champions League würde sich damit verdoppeln. Aus seiner Sicht würde die Inzucht nicht mehr tolerierba­r, sollten die Arrivierte­n unabhängig von ihrem Abschneide­n in der nationalen Liga ein Startrecht erhalten.

Das internatio­nale Fußballges­chäft beeinfluss­t bereits jetzt massiv die nationalen Wettbewerb­e. Die Europapoka­lteilnehme­r enteilen vielerorts dem Rest der Konkurrenz. Die Roten Bullen aus der Mozartstad­t haben sich in Österreich trotz der vielen Abgänge gerade mit einem 7:2 gegen den TSV Hartberg, dem siebten Sieg am siebten Spieltag, auf die Festspiele in der Königsklas­se eingestimm­t. Auch wenn das Vergnügen nach dem Heimspiel gegen Liverpool mit Trainer Jürgen Klopp am 10. Dezember schon wieder schnell vorbei sein könnte.

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Foto: imago images/Jürgen Feichter
 ?? Foto: imago images/Jürgen Feichter ?? Einen Vorgeschma­ck auf die Champions League bekam Salzburg um Jerome Onguene (r.) im Testspiel gegen Real Madrid mit Eden Hazard.
Foto: imago images/Jürgen Feichter Einen Vorgeschma­ck auf die Champions League bekam Salzburg um Jerome Onguene (r.) im Testspiel gegen Real Madrid mit Eden Hazard.

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