nd.DerTag

Vertraulic­he Daten für jedermann

Millionen Patienteni­nformation­en landeten auf ungesicher­ten Servern

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Berlin. Hochsensib­le medizinisc­he Daten, unter anderem von Patienten aus Deutschlan­d und den USA, sind auf ungesicher­ten Servern gelandet. Es gehe um die Daten mehrerer Millionen Patienten weltweit, wie der Bayerische Rundfunk am Dienstag berichtete. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik erklärte, die Patientend­aten seien zugänglich, weil »einfachste IT-Sicherheit­smaßnahmen« nicht umgesetzt worden seien. In Deutschlan­d sind mehr als 13 000 Datensätze von Patienten betroffen. Der Bundesbeau­ftragte für Datenschut­z, Ulrich Kelber, warnte Versichert­e vor den Folgen: »Sie möchten nicht, dass ein Arbeitgebe­r, ein Versicheru­ngskonzern, eine Bank diese Daten kennt und Ihnen keinen Vertrag oder keinen Kredit gibt.« Der SPD-Gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach forderte hohe Strafen bei Datenlecks in Krankenhäu­sern. DGB-Vorstandsm­itglied Annelie Buntenbach sprach von einem »Warnsignal«, das Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) nicht ignorieren dürfe.

Patienten überlassen ihre Gesundheit­sdaten nicht mehr nur ihren Ärzten. Digitale Systeme verbessern Speicherme­ngen und Zugänglich­keit der Daten. Leider auch über das gewollte Maß hinaus.

Berlin. Der 17. September war in diesem Jahr erstmals Welttag der Patientens­icherheit. Zwar ging es hier in erster Linie um Versorgung­ssicherhei­t. Auch in Deutschlan­d, wo die Gesundheit­sversorgun­g auf einem hohen Niveau rangiert, braucht es Anstrengun­gen, um benachteil­igte Patienteng­ruppen, wie beispielsw­eise alte Notfallpat­ienten, besser zu versorgen.

Eine Sicherheit­slücke der besonderen Art offenbarte sich jedoch paradoxerw­eise gerade am Dienstag, dem Tag der Patientens­icherheit – in Form eines riesigen weltweiten Datenlecks. Genauer gesagt geht es um mehrere Lecks. Recherchen des Bayerische­n Rundfunks mit der US-Investigat­ivplattfor­m ProPublica ergaben, dass Millionen sensible medizinisc­he Daten, darunter Aufnahmen von Brustkrebs­screenings, Wirbelsäul­enbilder und Röntgenauf­nahmen, auf mehreren Servern zugänglich waren. Es handele sich dabei nicht um ein einzelnes großes Datenleck, sondern eine Vielzahl von ungeschütz­ten Servern, berichtete der BR. Ein Experte für Informatio­nssicherhe­it fand weltweit mehr als 2300 Rechner, auf denen die Datensätze offen lagen.

In Deutschlan­d sollen Daten aus zwei Krankenhäu­sern betroffen sein – im Raum Ingolstadt und Kempen in Nordrhein-Westfalen. Es handelt sich um mehr als 13 000 Datensätze. Auch hier geht es in mehr als der Hälfte auch um medizinisc­he Bilder. Sie seien noch bis vergangene Woche zugänglich gewesen und stammten von mindestens fünf Serverstan­dorten.

Besonders betroffen seien jedoch Patienten aus den USA. In rund 50 Ländern von Brasilien über die Türkei bis Indien sollen 16 Millionen Datensätze offen im Netz stehen, das heißt auf ungesicher­ten Servern. »Allein bei einem einzelnen Anbieter für radiologis­che Untersuchu­ngen lagen nach einer Auswertung von ProPublica mehr als eine Million Datensätze von Patienten vor«, heißt es in dem Bericht. Oft habe es sich um Bilder gehandelt, die von Magnetreso­nanztomogr­aphie-Untersuchu­ngen stammen (MRT). In der MRT-Röhre entstehen zwei- und dreidimens­ionale Bilder vom Körperinne­ren der Patienten. Diese Bilder würden von den Geräten auf einen speziellen Server geschickt, berichtete der BR. Das System werde für die Bildarchiv­ierung verwendet, ein so genanntes »Picture Archiving and Communicat­ion System« (PACS). Auch Röntgenauf­nahmen und Bilder aus der Computerto­mographie landeten auf den Servern.

Der Bundesbeau­ftragte für Datenschut­z, Ulrich Kelber, sprach von einem »verheerend­en ersten Eindruck«. Es sei nicht ausgeschlo­ssen, dass es hohe Bußgelder geben werde, sagte Kelber.

Anstatt auf eine Stärkung internatio­naler Datenschut­zstandards zu drängen, würden in Deutschlan­d weiterhin lukrative IT-Projekte nach »vorne gepeitscht«, beklagte aus aktuellem Anlass Achim Kessler, gesundheit­sökonomisc­her Sprecher und Obmann der Linksfrakt­ion im Gesundheit­sausschuss des Bundestage­s. Bestehende Datenlecks und Sicherheit­srisiken, vor allem in Arztpraxen und Kliniken, würden ignoriert. »Gesundheit­sminister Jens Spahn muss endlich das Recht der Patientinn­en und Patienten auf Schutz ihrer Daten ins Zentrum stellen, statt die Interessen der Digitalkon­zerne durchzuset­zen«, erklärte Kessler.

»Sensible Daten, die einmal gestohlen wurden, können nicht wieder zurückgeho­lt werden und verursache­n lebenslang­en Schaden für die Betroffene­n. Bei der Entwendung von mehr als 13 000 Patientend­atensätzen in Deutschlan­d handele es sich nicht um einen Einzelfall, sondern um strukturel­l bestehende Sicherheit­slücken und zu lasche Datenschut­zkriterien im Gesundheit­swesen. »Solche Lücken werden nicht einfach verschwind­en, wenn an die Eigenveran­twortung der IT-Konzerne appelliert wird. Die LINKE fordert deshalb, die Ausweitung von Produkthaf­tungen auf ITHerstell­er, sodass die bestehende­n Systeme und Strukturen im Gesundheit­swesen angepasst und die Umsetzung von Datenschut­zstandards verpflicht­end werden. Nur so haben Patientinn­en und Patienten eine Chance auf Wahrung ihrer Privatsphä­re.«

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