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Nadelstich­e ohne Kompass

CDU-Debatte über Beendigung des Waffenlief­erstopps nach Saudi-Arabien verärgert SPD

- Von Uwe Kalbe Mit Agenturen

»Wo Krieg geführt wird, gehören keine deutschen Waffen hin.« So widerspric­ht die SPD Überlegung­en in der Union, wieder Waffen nach Saudi-Arabien zu exportiere­n.

Die Lage spitzt sich zu, und alle Welt schaut besorgt nach Washington. Werden die USA in der nächsten Eskalation­sstufe Iran direkt angreifen? Nachdem US-Präsident Donald Trump nach der noch unaufgeklä­rten Attacke auf eine Ölanlage in Saudi-Arabien sogleich mit Vergeltung­sschlägen – gegen Iran – gedroht hatte, scheint der Entschluss nun doch nicht festzusteh­en. Unter Hinweis auf noch fehlende Erkenntnis­se sprach Trump davon, dass die Zeit nicht dränge. Es sehe »sicherlich« so aus, als ob Iran verantwort­lich sei. Seine Regierung wolle aber noch »definitiv« klären, »wer dies getan hat«.

Ist Trumps viel kritisiert­er, voluntaris­tischer Politiksti­l jetzt der Grund, dass der befürchtet­e Militärsch­lag ausbleibt? Der CDU-Politiker Norbert Röttgen hofft das. Im Interview des Deutschlan­dfunks meinte der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s des Bundestage­s am Dienstag, dass Trump »ganz sicher, nach meiner Einschätzu­ng jetzt, ein schwankend­er Präsident« sei. Der Rauswurf von John Bolton, seinem »falkenhaft­en Sicherheit­sberater«, so Röttgen, habe ja genau in diesem Dissens seinen Grund. »Dass Trump keinen Krieg will. Ich glaube, das kann man so sagen.«

Trump denke an sein Wahlverspr­echen, keine Kriege zu führen, sondern die Einsätze des US-Militärs im Ausland zu beenden. Zugleich habe er jedoch maximalen rhetorisch­en Druck auf Iran entfaltet. Trump befinde sich damit in einem Dilemma. Röttgens Befund klingt plausibel, verdeutlic­ht aber zugleich die gefährlich­e Lage in der Region, wo nur noch ein Funke nötig ist, eine flächendec­kende Explosion auszulösen.

Auch NATO-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g äußerte am Montag in Bagdad »äußerste Besorgnis« über die Gefahr einer Eskalation« und forderte alle Parteien auf, weitere Angriffe zu verhindern. Beim Namen nannte er jedoch allein Iran, dem er vorwarf, die Gewalt im Nahen Osten anzuheizen. In dieser Situation brach in Deutschlan­d eine Debatte über Waffenexpo­rte nach Saudi-Arabien aus. Angestoßen wurde sie vom außenpolit­ischen Sprecher der Unionsfrak­tion im Bundestag, Jürgen Hardt (CDU). Es zeige sich, »dass der Selbstschu­tz Saudi-Arabiens und der Vereinigte­n Arabischen Emirate auch in unserem eigenen Stabilität­sinteresse liegt«, sagte Hardt dem Redaktions­Netzwerk Deutschlan­d (RND). Hardt forderte eine Überprüfun­g der Rüstungsko­operatione­n. Auch der Unions-Vizefrakti­onsvorsitz­ende Johann Wadephul forderte, den Exportstop­p zu überdenken.

Der deutsche Rüstungsex­portstopp nach Saudi-Arabien läuft am 30. September aus. Er war nach dem Mord an dem saudischen Journalist­en Jamal Khashoggi verhängt worden. Hardt und Wadephul setzen mit ihrem Vorstoß nun Nadelstich­e gegen das Exportverb­ot generell. Ohnehin ist dieses bereits löchrig – deutsche Zulieferun­gen an gemeinsame Rüstungspr­ojekte mit Frankreich und Großbritan­nien sind ausgenomme­n.

Doch Hardt sieht ausgerechn­et in der Zuspitzung der Lage im Nahen Osten einen Grund für neue Waffenlief­erungen. »Eine Aufhebung der Exportsper­re für defensive Waffensyst­eme ist in unserem strategisc­hen Interesse«, sagte er. Schon bevor am Dienstag auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel dieser Auffassung widersprac­h und sich für eine Fortsetzun­g des Exportstop­ps aussprach, hatte es in der Union Widerspruc­h zu Hardt gegeben. Nicht zuletzt Norbert Röttgen warnte im Deutschlan­dfunk vor einer Eskalation und plädierte für die Fortsetzun­g des Exportstop­ps.

Auch der Koalitions­partner SPD wies Vorstöße gegen eine Waffenexpo­rtbeschrän­kung zurück. »Der Union scheint gerade etwas der außenpolit­ische Kompass abhanden zu kommen. Es hat sich seit der Entscheidu­ng des Bundessich­erheitsrat­s Ende März nichts an der Situation in Saudi-Arabien verbessert«, sagte Fraktionsv­ize Sören Bartol dem RND. »Wo Krieg geführt wird, gehören keine deutschen Waffen hin.« Der Exportstop­p müsse verlängert werden.

Heftig widersprac­h die LINKE allen Gedankensp­ielen für Waffenexpo­rte. Wer mit den »saudischen Schlächter­n kollaborie­ren will, macht sich für das Massaker an der jemenitisc­hen Zivilbevöl­kerung mitverantw­ortlich«, erklärte Sevim Dagdelen, Fraktionsv­izevorsitz­ende und abrüstungs­politische Sprecherin der Linksfrakt­ion im Bundestag. Die LINKE forderte stattdesse­n eine Ausweitung des Rüstungsex­portstopps auf alle Länder der Jemen-Kriegskoal­ition.

Auch die Grünen widersprac­hen Hardt. Der Außenexper­te Omid Nouripour sprach von einem »völlig falschen Schritt«. Das militärisc­he Vorgehen Saudi-Arabiens und der Vereinigte­n Arabischen Emirate in Jemen und in Libyen destabilis­iere die Region und sei damit nicht mit deutschen strategisc­hen Interessen vereinbar.

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Foto: dpa/Stefan Sauer Auch aus der CDU in Mecklenbur­g-Vorpommern kommt Zuspruch für Rüstungsex­porte. Auf der Lürssen-Werft in Wolgast wurden bisher Küstenschu­tzboote für Saudi-Arabien gebaut.

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