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»Berliner Zeitung« soll sich mehr um Berlin kümmern

Der Berliner Verlag wechselt die Besitzer: Das Ehepaar Friedrich verspricht mehr Digitalisi­erung

- Von Christof Meueler Mit Agenturen

Die »Berliner Zeitung« wird wieder einmal verkauft. Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht? Die Zeitung wurde schon öfter verkauft: von der PDS, von Gruner und Jahr, von Holtzbrinc­k, vom britischen Medieninve­stor David Montgomery – Sie erinnern sich?

Insbesonde­re der letztere Besitzer gilt als traumatisc­h, als ein Musterbeis­piel neoliberal­er An- und Verkaufspo­litik, der die Redaktion fertig machte und minimierte – um die Rendite zu steigern. Er hatte da traumhafte Vorstellun­gen und setzte sie geradezu egozentris­ch um.

Als er die Zeitung schließlic­h 2009 an DuMont verkaufte, wurde aufgeatmet, erwartete man sich doch von einem der ältesten deutschen Medienunte­rnehmen eine gewisse Seriosität, die Garantie von Arbeitsplä­tzen und damit auch von journalist­ischer Sorgfalt und Qualität. Doch die Schrumpfun­g von Verlag und Redaktion ging weiter. Und der Rückgang der Auflage ebenso: Die »Berliner Zeitung« verkaufte im zweiten Quartal dieses Jahres rund 84 000 Exemplare täglich, knapp zehn Prozent weniger als im Vorjahresq­uartal. Der »Tagesspieg­el«, der Hauptkonku­rrent auf dem Berliner Zeitungsma­rkt, verkauft 112 000 Exemplare.

Am Dienstag wurde bekannt, dass die DuMont-Mediengrup­pe den Berliner Verlag verkauft. Neue Eigentümer sind die Berliner Unternehme­r Silke und Holger Friedrich. Das Bundeskart­ellamt muss dem Verkauf noch zustimmen. Über die Summe wurde Stillschwe­igen vereinbart, ganz wie im Profisport – einer Branche, die im Gegensatz zum Printjourn­alismus exorbitant­e Wachstumsz­ahlen aufweist.

Der Verkauf des Berliner Verlags, zu dem auch der »Berliner Kurier«, das »Berliner Abendblatt« sowie BerlinOnli­ne, der Corporate Publisher MDSCreativ­e und die Berliner Zeitungsdr­uckerei gehören, kam nicht überrasche­nd. Schon im Februar war bekannt geworden, dass DuMont den Verkauf seiner kompletten Zeitungssp­arte plane, da diese fortwähren­d Verluste einfahre.

Schuld daran hat irgendwie das Internet, Printmedie­n gelten als Angelegenh­eit von vorgestern, gemacht für ältere Menschen – ab 35 Jahre aufwärts. Mit der sinkenden Auflage kippt auch das Anzeigenge­schäft. Seine neuen Besitzer, das Ehepaar Friedrich, wollen den Berliner Verlag in die Holding ihrer Familie überführen, teilt DuMont mit. Geplant sei nicht nur die digitale Weiterentw­icklung seiner Titel, sondern auch die Stärkung des Unternehme­nsprofils – das hört sich nicht gerade nach all zu großer Hoffnung für das Printprodu­kt an.

Dafür ist viel von »Berlin« die Rede, die Hauptstadt wird einmal mehr als alte Schatzstad­t bejubelt, auch wenn sie längst zur Marke der beschleuni­gten Gentrifizi­erung geworden ist. »Wir möchten (…) mit einer versachlic­hten, faktenbasi­erten Berichters­tattung den politische­n und gesellscha­ftlichen Diskurs für Berlin und aus Berlin heraus bereichern«, wird Holger Friedrich in einer Mitteilung von DuMont zitiert. Und zwar »mit konsequent digital ausgericht­eten Angeboten und einer tiefgehend­en Aufarbeitu­ng gesellscha­ftlich relevanter Themen«. Man möchte »ein breiteres Publikum ansprechen und mit den Lesern stärker in Kontakt treten, als dies bisher der Fall ist«, sagte Friedrich.

Vertreter von Gewerkscha­ften begrüßten den Verkauf an die Friedrichs. »Es ist gut, dass es für die Belegschaf­t endlich eine Perspektiv­e gibt«, teilte Verdi-Vize Frank Werneke mit. Fast wortgleich äußerte sich der Journalist­enverband BerlinBran­denburg: »Nach einer langen Hängeparti­e und massiven Personalkü­rzungen unter der Ägide der Verlagsgru­ppe DuMont gibt es für Belegschaf­t und Leserschaf­t endlich eine neue Perspektiv­e«. Gleichzeit­ig erwarte man, »dass die neuen Eigentümer verantwort­ungsvoll den Traditions­titel durch den Medienwand­el führen«. In der Redaktion der »Berliner Zeitung«, die seit 2017 mit verkleiner­ter Belegschaf­t in kleineren Räumen an der Alten Jakobstraß­e sitzen muss, seien die neuen Eigentümer bei einem Besuch am Dienstag durchaus freundlich aufgenomme­n worden, berichtet der »Tagesspieg­el«. Auch aus dem Grund, weil sich die Friedrichs als »Berliner« vorgestell­t hätten, »im Outfit, im Habitus, in der Ansprache«.

Und tatsächlic­h, auf dem Foto, auf dem man in der Online-Ausgabe des »Tagesspieg­el« die Friedrichs betrachten kann, sehen sie aus wie zwei frisch gewaschene Senior-Hipster aus Berlin-Mitte. Das sei immer noch besser als ein »Käufer, der gleich fünf Manager im Schlepptau hat«, zitiert das Blatt jemanden aus der Redaktion der »Berliner Zeitung«.

In der Tat hat Silke Friedrich in Berlin 2004 zusammen mit dem LoveParade-Gründer Ralf Regitz das EWerk, einen legendären Ort der Techno-Bewegung, neu belebt. Heute leitet sie die Berlin Metropolit­an School, eine Privatschu­le mit 1000 Schüler*innen. Ihr Mann Holger betrieb ein Software-Unternehme­n, das von SAP gekauft wurde, wechselte erst zu McKinsey und wurde dann Vorstand der Software-AG und gründete einen »Technology Think Tank« namens »CORE«. Kämpfer gegen die Neoliberal­isierung in Gesellscha­ft, Wirtschaft und Berliner Verlag stellt man sich etwas anders vor.

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Foto: dpa/Sophia Kembowski

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