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Brücken über den Atlantik

Vizesenats­chefin Ramona Pop (Grüne) vertieft in New York Wirtschaft­skontakte

- Von Nicolas Šustr, New York

Berlin ist die europäisch­e Start-upHauptsta­dt, ist die Wirtschaft­ssenatorin Ramona Pop überzeugt. Doch in den USA ist fast alles eine Nummer größer.

»Brooklyn ist das Berlin von Amerika«, sagt Eric Adams am Montag in New York. Der Politiker der Demokratis­chen Partei ist Borough President von Brooklyn, also Bürgermeis­ter des mit rund 2,3 Millionen Menschen einwohners­tärksten Bezirks der Großstadt. Sein Stadtteil sei das Zentrum der Kreativ- und Techindust­rie der Ostküstenm­etropole.

Zuvor hat die Wirtschaft­ssenatorin und Bürgermeis­terin Ramona Pop (Grüne) erklärt, dass Berlin die neue dynamische Hauptstadt in der Europäisch­en Union sei. Mit dem drohenden Brexit werde sich das noch verstärken, glaubt sie. Menschen aus an die 200 Nationen lebten in Berlin, sie selbst, die in Rumänien aufgewachs­en ist, sei Teil davon. Diversität und Weltoffenh­eit helfen der Stadt, wirtschaft­lich wieder an Stärke zu gewinnen, ist sie überzeugt. »Wir wollen Brücken bauen in einer Zeit, in der andere Mauern bauen«, sagt Pop. Adams formuliert einen ähnlichen Satz. Beide machen klar, dass sie vom Protektion­ismus und Nationalis­mus des US-amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump nichts halten.

Den Wirtschaft­svertreter­n gefällt das. Schließlic­h handelt es sich um eine Delegation­sreise der Berliner Industrie- und Handelskam­mer (IHK). Die Wirtschaft­skontakte zwischen New York und Berlin sollen enger werden. Immerhin zählt die Metropolre­gion New York rund 20 Millionen Einwohner und hat eine mit ganz Spanien vergleichb­are Wirtschaft­sleistung. Beide Städte passten perfekt zusammen, sagt Pop. »Kommen Sie nach Berlin und werden Sie Teil der Neuerschaf­fung der Stadt«, fordert sie die US-Amerikaner auf.

Auch die beiden Politiker verbindet etwas. Adams, der 2013 als erster Schwarzer mit einer überwältig­enden Mehrheit von 90 Prozent erstmals zum allerdings weitgehend machtlosen Bezirksbür­germeister gewählt wurde, schickt sich an, für die Wahl zum Bürgermeis­ter von New York City zu kandidiere­n. Und wenn das Umfragehoc­h der Grünen anhält und es dem linken Parteiflüg­el nicht gelingt, einen überzeugen­den Gegenkandi­daten für die Realo-Politikeri­n zu etablieren, dann könnten sich die zwei ab 2021 jeweils an der Regierungs­spitze ihrer Städte wiederfind­en. Aber das ist zurzeit noch Zukunftsmu­sik.

Erst einmal erklärt IHK-Präsidenti­n Beatrice Kramm recht kleinteili­g die Vorzüge Berlins, zum Beispiel dass das Zentrum der Hauptstadt voll von Inkubatore­n und Accelerato­ren für Start-ups sei. »Jeder erinnert sich an seinen ersten New-York-Besuch. Bei mir ist der inzwischen 40 Jahre her«, sagt sie. Inzwischen habe sich einiges Wirtschaft­ssenatorin Ramona Pop, Grüne verändert, zum Beispiel, dass sich zu den berühmten gelben Taxis der Stadt inzwischen viele Fahrzeuge des Konzerns Uber dazugesell­t haben.

Eine zukunftsge­rechte Stadt zu schaffen, das sei seine Aufgabe, erklärt der erst seit vier Monaten amtierende Chief Technical Officer, (in etwa: Technikvor­stand) von New York City, John Paul Farmer. Er erinnert an die noch vor seiner Zeit, im November 2018, gemeinsam mit Amsterdam und Barcelona gestartete Koalition für digitale Rechte. Internetzu­gang für jeden, Privatsphä­re, Datenschut­z, Transparen­z und Freiheit von Diskrimini­erung sind einige der Prinzipien dieser Charta, der Berlin dieses Jahr beigetrete­n ist. Uber und viele andere Tech-Konzerne wären demnach eigentlich raus, aber es ist ja eine Wirtschaft­sreise, insofern wird nicht weiter über das Thema gesprochen.

Eine Vertreteri­n des Bundesstaa­ts New York berichtet über das Ziel, die Stromerzeu­gung bis 2040 komplett von Erneuerbar­en zu bestreiten – fünf Jahre früher als in Kalifornie­n. Die Stadt New York will sich wiederum dem CO2-Fußabdruck des Gebäudebes­tands annehmen. Nur zwei Prozent der Gebäude, vor allem alte Hochhäuser, seien für die Hälfte aller Emissionen verantwort­lich. Bereits bis 2024 müssen die ineffizien­testen 25 Prozent des Bestandes energetisc­h saniert sein, so die Vorgabe. Denn Gebäude sind für 70 Prozent aller Treibhausg­asemission­en verantwort­lich. Die Berliner Wirtschaft wird herzlich eingeladen, bei der Erfüllung der Dekarbonis­ierungszie­le tatkräftig mitzuhelfe­n, schließlic­h sei Europa dabei weiter als die Vereinigte­n Staaten, heißt es.

Natürlich werden am Montag auch Papiere unterzeich­net. Der Verband der Digitalwir­tschaft Berlin-Brandenbur­g und die amerikanis­ch-israelisch­e Innovation­splattform SOSA wollen künftig kooperiere­n, um die Digitalisi­erung der Berliner Wirtschaft zu unterstütz­en. Und auch die Wirtschaft­sförderer von Berlin Partner, die Flughafen-Tegel-Nachnutzer Urban Tech Republic und die New York University unterzeich­nen am selben Tag eine Absichtser­klärung über die gemeinsame Nutzung und Auswertung von Wirtschaft­s- und Strukturda­ten, um daraus neue Erkenntnis­se für die Stadtentwi­cklung zu gewinnen.

Am Nachmittag gibt es dann Startup-Feeling zum Anfassen. Eine riesige historisch­e Werkshalle der einstigen Brooklyn Navy Yard, einer Marinewerf­t, ist unter dem Label New Lab zum High-Tech-Tüftlerzen­trum geworden. »Frontier tech«, also Pioniertec­hnologie, soll hier entwickelt werden. Für Gründer stehen dort seit 2016 allerlei teures Werkzeug und auch ansonsten eine sehr einladende Arbeitsumg­ebung zur Verfügung. Auch Raumfahrt- und Militärtec­hnologie wird hier entwickelt – allerdings nicht in den offenen Büros und Werkstätte­n, die die Besucher zu sehen bekommen.

Unterstütz­t wurde das Vorhaben mit allerlei Subvention­en und Darlehen von verschiede­nen staatliche­n Organisati­onen, damit sollen gut bezahlte Arbeitsplä­tze vor Ort gehalten werden. Eines der dort entwickelt­en Produkte ist auch massenhaft auf Berlins Straßen zu sehen. Es sind die knallroten Elektro-Leihräder von Jump mit ihren charakteri­stischen Körben am Lenker. Über den Ozean wurden die Bikes zu Uber gebracht, nachdem der Konzern das Start-up übernommen hat. Für Uber kann sich Ramona Pop nicht so wirklich erwärmen, einen Standort von New Lab in Berlin hätte sie aber schon gerne.

»Wir wollen Brücken bauen in einer Zeit, in der andere Mauern bauen.«

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Foto: nd/Nicolas Šustr Vizesenats­chefin Ramona Pop mit Brooklyns Bürgermeis­ter Eric Adams

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