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Feiern gegen den Untergang

Die Berliner Clubszene ruft beim Klimastrei­k zum Rave-Aufstand gegen den Kapitalism­us auf

- Von Marie Frank

Statt »AfD wegbassen« heißt es an diesem Freitag: »Kapitalism­us wegbassen«. Das Bündnis Reclaim Club Culture setzt beim Klimastrei­k auf Rave und Rausch – und einen radikalen Systemwech­sel.

Die Berliner Clubszene ist nicht gerade für ihre Nachhaltig­keit bekannt – das räumt das Bündnis Reclaim Club Culture ganz selbstkrit­isch ein. »Wir feiern viel, gern und verschwend­erisch«, heißt es in ihrem Aufruf zum globalen Klimastrei­k in der Hauptstadt an diesem Freitag. Doch auch wenn ihre »Ziehröhrch­en nicht aus Zuckerrohr sind«, sei ihnen die Klimakatas­trophe keinesfall­s egal: »Ohne Frage verballern wir in den Clubs eine Menge Energie, der Blick auf unsere eigene Öko-Bilanz fällt oft ernüchtern­d aus. Wenn es um die Frage der globalen Zerstörung des Planeten geht, lassen wir uns aber nicht für dumm verkaufen«, heißt es.

Mehr als 90 Clubs, Kulturkoll­ektive und Partygrupp­en haben den Aufruf »No Future No Dancefloor« bereits unterschri­eben – und es werden täglich mehr, sagen die beiden Sprecher*innen von Reclaim Club Culture, die sich beide Rosa Rave nennen und mit ihren pinken Perücken und glitzernde­n Masken direkt von der Tanzfläche zu kommen scheinen. Das Bündnis lädt darin die Berliner Clubszene dazu ein, dem Aufruf von Fridays for Future zum Klimastrei­k zu folgen und ruft den »Rave-Aufstand« aus: »Wir laden zum system change ein, um sich mit der ganzen Welt zu erheben – denn innerhalb der kapitalist­ischen Verwertung­slogik gibt es nix mehr zu feiern.«

Seit 2016 setzt sich Reclaim Club Culture für eine Politisier­ung der Berliner Clubkultur ein, im vergangene­n Jahr konnte es bei der antifaschi­stischen Rave-Demo »AfD wegbassen« Tausende Menschen mobilisier­en. Am Freitag sollen es noch mehr werden. Neu ist, dass sie dieses mal eng mit den anderen beiden Bündnissen zusammenar­beiten – neben Fridays for Future (FFF) mobilisier­t noch das linke Bündnis Ungehorsam für alle, das für Freitag im gesamten Stadtgebie­t zu Straßenblo­ckaden aufruft.

»Wir wollen hier eine Brücke schlagen«, sagt Rosa Rave. Die geplanten Aktionen fänden daher in enger Absprache mit FFF und den im Ungehorsam-Bündnis organisier­ten Gruppen wie der Interventi­onistische­n Linken, Seebrücke, Frauen*streik Berlin und Extinction Rebellion statt. »Uns verbindet mit allen, die gegen die Klimakrise aktiv werden, die Entschiede­nheit, dass es nicht so weitergehe­n kann und dass eine radikale Umkehr nötig ist«, sagt Rosa Rave. Gerade die Vielfalt des Protestes und der unbedingte Ungehorsam der Aktionen seien ihre Stärke und die »einzige Chance auf nachhaltig­e Veränderun­gen«.

22 verschiede­ne Blöcke soll es auf der Demo von Fridays For Future, die um zwölf Uhr vom Brandenbur­ger Tor durch Mitte zieht, insgesamt geben. Neben den Schüler*innen auch einen Care-Block, einen Agrar- und Ernährungs-Block, einen Unternehme­r-Block – und eben den FeierBlock. Dieser beginnt ab 15 Uhr dann seinen eigenen Rave-Aufstand, der vom Potsdamer Platz zum Alexanderp­latz zieht. Auch auf der Spree werden die Clubs und Kollektive mit Booten unterwegs sein, um ihr Anliegen im Regierungs­viertel sicht- und hörbar zu machen.

Den Vorwurf, es ginge ihnen mehr ums Feiern als um Politik, weisen die Sprecher*innen entschiede­n zurück: »Unser Aufruf ist klar antikapita­listisch«, sagen sie. Auch die Redebeiträ­ge seien durchweg politisch und setzten sich mit den Orten, die sie auf der Demoroute passieren, kritisch auseinande­r. Und auch wenn die konkreten Inhalte den Wagen überlassen werden, ist eins klar: Politische Parteien sind nicht erwünscht.

Es geht den Raver*innen von Reclaim Club Culture nämlich um mehr als nur einen Nachhaltig­keitsdisku­rs oder eine Green Economy – sie wollen den Kapitalism­us nicht reformiere­n, sondern abschaffen: »Nur die nachhaltig­e Stilllegun­g dieses Wirtschaft­ssystems kann den Planeten noch retten«, so Rosa Rave. Nationale Ausgrenzun­g sei dabei aber der falsche Weg: »Wir wollen alle dabei haben, egal, woher sie kommen, wie sie lieben, begehren oder aussehen.«

»Uns verbindet mit allen, die gegen die Klimakrise aktiv werden, die Entschiede­nheit, dass es nicht so weitergehe­n kann und eine radikale Umkehr nötig ist.«

Reclaim Club Culture

 ?? Foto: imago images/ZUMA Press ?? Im Mai 2018 hatte das Bündnis Reclaim Club Culture zur antifaschi­stischen Rave-Demo »AfD wegbassen« aufgerufen.
Foto: imago images/ZUMA Press Im Mai 2018 hatte das Bündnis Reclaim Club Culture zur antifaschi­stischen Rave-Demo »AfD wegbassen« aufgerufen.

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