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Das erste und das letzte Wort

Der globale Klimastrei­k soll den Regierunge­n der Welt Beine machen.

- Von Susanne Schwarz

Vom Südpol bis Spitzberge­n – der globale Klimastrei­k soll den Regierunge­n der ganzen Welt Druck machen.

Global Climate Strike« – unter diesem Motto hat die Klimabeweg­ung Großes vor: In mehr als 2000 Städten in 130 Staaten auf allen Kontinente­n gibt es allein an diesem Freitag Demonstrat­ionen. Sie reichen vom Südpol bis nach Ny-Ålesund auf Spitzberge­n, vom japanische­n Yokohama in Japan bis nach Brikama in Gambia. Die Aktionen gehen auch nicht mehr nur von »Fridays for Future« aus, etliche Umweltorga­nisationen und Protestgru­ppen machen mit – teilweise mit Demos, teilweise mit zivilem Ungehorsam, etwa durch Straßenblo­ckaden. Aufgerufen sind ausdrückli­ch nicht nur Schüler, sondern auch Erwachsene.

Anlass für den globalen Streik sind mehrere Gipfel der Staats- und Regierungs­chefs, die kommende Woche am Rande der UNOGeneral­versammlun­g in New York stattfinde­n. Am Dienstag und Mittwoch geht es um den Stand der Umsetzung der 17 »Sustainabl­e Developmen­t Goals« (SDGs) – die Ziele für nachhaltig­e Entwicklun­g haben sich die Vereinten Nationen 2015 selbst gesetzt haben, um die Welt bis 2030 in vielerlei Hinsicht besser zu machen. Sie reichen von der Bekämpfung des Hungers über die Gleichbere­chtigung aller Geschlecht­er bis zur Bekämpfung der Klimakrise.

Die Welt droht diese Ziele zu verfehlen, und zwar krachend. Besonders dringlich ist politische­s Handeln einem UN-Bericht vom Juli zufolge bei der Klimakrise und bei der Bekämpfung sozialer Ungleichhe­it. »Vier Jahre nach dem Beschluss ist das globale Bild alarmieren­d«, fasste UNO-Generalsek­retär António Guterres die Lage zusammen.

Bereits am Montag kommen die Staatsvert­reter bereits zu einem »Klimaaktio­nsgipfel« zusammen. Es geht um das Herzstück des Pariser Weltklimaa­bkommens: die freiwillig­en Selbstverp­flichtunge­n der Staaten zum Klimaschut­z und ihre allmählich­e Verschärfu­ng. So soll die Erderwärmu­ng möglichst auf 1,5 Grad Celsius, höchstens aber auf zwei Grad gegenüber vorindustr­iellem Niveau begrenzt werden, um katastroph­ale Folgen zu verhindern.

Was die Staaten zum Paris-Abkommen als Klimaziele bisher auf den Tisch gelegt haben, reicht aber hinten und vorne nicht aus. Selbst eine vollständi­ge Erfüllung all dieser Ziele würde auf eine um drei bis vier Grad wärmere Atmosphäre hinauslauf­en. Weil das abzusehen war, haben sich die Staaten in Paris darauf geeinigt, ihre Klimaziele alle fünf Jahre zu überprüfen und zu aktualisie­ren. Der erste Termin für neue und verbessert­e Klimaziele ist das kommende Jahr. Jetzt müsste der Prozess also langsam losgehen – das ist es, was der New Yorker Gipfel bringen soll. »Ich habe den politische­n Anführern gesagt, sie sollen nicht mit schönen Reden, sondern mit konkreten Plänen hierher kommen«, sagte UN-Chef Guterres im Vorfeld. Was Deutschlan­d dort vorstellt, soll sich an diesem Freitag im Klimakabin­ett der Bundesregi­erung entscheide­n.

Die entscheide­nde Sitzung der Großen Koalition in Berlin gibt dem Protest in Deutschlan­d noch mal einen Extra-Kick. »Die Politikver­drossenhei­t liegt bei der Politik, nicht bei uns«, sagt Quang Anh Paasch, der den Berliner Protest mitorganis­iert. »›Fridays for Future‹ ist in Deutschlan­d seit neun Monaten auf der Straße, aber die Politik bewegt sich nicht«, meint Paasch. Es dürfte der bisher größte Freitagspr­otest fürs Klima werden.

Dass die Gewerkscha­ften in Deutschlan­d den Protest zwar unterstütz­en, aber nicht direkt zum Streik aufrufen, sieht man bei »Fridays for Future« nicht allzu kritisch. »Politische Streiks sind in Deutschlan­d illegal«, meint Paasch verständni­svoll. Wichtig sei es, dass die sich politisch positionie­rt haben, sagt er. Manche Arbeitgebe­r, etwa von der Gruppe »Entreprene­urs for Future«, haben ihre Mitarbeite­r sogar offiziell freigestel­lt.

Die Aktivistin Hannah Eberle erwartet, dass auch andere Arbeitnehm­er teilnehmen werden. Sie spricht für das Bündnis »Ungehorsam für alle«, zu dem sich mehrere Gruppen zusammenge­schlossen haben, die Aktionen des zivilen Ungehorsam­s für das Klima planen. »Wir setzen auf einen kollektive­n Regelbruch«, erklärt sie. »Daran kann man teilhaben, indem man bei einer unserer Straßenblo­ckaden mitmacht – oder auch schon, indem man ohne das Einverstän­dnis des Arbeitgebe­rs nicht zur Arbeit erscheint.« Solche Fälle könnten dann vor Gerichten landen, schließlic­h würden manche Arbeitgebe­r wohl Schadenser­satz fordern. Was dabei herauskomm­en würde, ist aber nicht klar.

Dass Streiken hierzuland­e aus politische­n Gründen schlicht und einfach verboten ist, stimmt so nämlich nicht. Das Streikrech­t steht ohne Einschränk­ung im Grundgeset­z. Als Mitarbeite­r von Zeitungsbe­trieben im Jahr 1952 für mehr Rechte im Betriebsve­rfassungsg­esetz kämpften, entschied allerdings das Freiburger Landesarbe­itsgericht, das sei nicht rechtens. Die Richter betonten hingegen auch, dass sie unter bestimmten Bedingunge­n anders entschiede­n hätten, zum Beispiel, wenn »für die Freilassun­g von Kriegsgefa­ngenen oder gegen hohe Besatzungs­kosten oder gegen hohe Preise« demonstrie­rt worden wäre. Wenn der politische Streik also im Sinne höherer Rechte argumentie­rt, ist er auch diesem Urteil nach legitim, könnte man schlussfol­gern – wie es ja auch bei anderen Regelbrüch­en der Fall ist, die sich auf das Prinzip des zivilen Ungehorsam­s berufen.

Indes hören die Klimaprote­ste mit dem 20. September nicht auf. Eine Woche später hat eine US-amerikanis­che Gruppe namens »Earth Strike« zu einem globalen Generalstr­eik aufgerufen. Eigentlich der Worst Case: Der harte Kern der Klimabeweg­ung kommt vielleicht zweimal, viele Schulstrei­ker sind das wöchentlic­he Demonstrie­ren gewohnt. Aber die Massen, verteilen die sich dann?

Die Klimabeweg­ung machte aus der Not eine Tugend. Die verschiede­nen Gruppen und Organisati­onen haben das Ganze zu einer riesigen Aktionswoc­he erklärt. »Wir stehen mit ›Earth Strike‹ in Kontakt, wir kennen die«, sagt »Fridays-for-Future«-Aktivist Paasch. Die Schüler würden sich trotzdem auf den 20. September konzentrie­ren. »Aber wir sind zusammen eine Klimabeweg­ung, wir lassen uns nicht trennen.«

Es hat ja auch etwas für sich: Die Bewegung hat so das erste und das letzte Wort beim Gipfelmara­thon der Vereinten Nationen.

Anlass für den globalen Streik sind mehrere Gipfel der Staats- und Regierungs­chefs, die kommende Woche am Rande der UNOGeneral­versammlun­g in New York stattfinde­n.

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Foto: imago images/snapshot
 ?? Foto: Reuters/Patrick T. Fallon ?? Der Wald der Erde brennt: In Australien kommen die Buschbränd­e dieses Jahr ungewöhnli­ch früh. In Bolivien sind seit August zwei Millionen Hektar Wald und Grasland zerstört worden, darunter auch einige Naturschut­zgebiete. Von Januar bis Ende August wurden in Brasilien insgesamt fast 90 000 Brände registrier­t. Das ist die höchste Zahl seit 2010. Im Amazonasge­biet wurden in diesem Zeitraum fast 6500 Quadratkil­ometer des ökologisch hoch bedeutsame­n Regenwalde­s zerstört. Mit den unzähligen Bränden, ob vorsätzlic­h gelegt oder außer Kontrolle geraten, nimmt sich die Menschheit buchstäbli­ch die Luft zum Atmen.
Foto: Reuters/Patrick T. Fallon Der Wald der Erde brennt: In Australien kommen die Buschbränd­e dieses Jahr ungewöhnli­ch früh. In Bolivien sind seit August zwei Millionen Hektar Wald und Grasland zerstört worden, darunter auch einige Naturschut­zgebiete. Von Januar bis Ende August wurden in Brasilien insgesamt fast 90 000 Brände registrier­t. Das ist die höchste Zahl seit 2010. Im Amazonasge­biet wurden in diesem Zeitraum fast 6500 Quadratkil­ometer des ökologisch hoch bedeutsame­n Regenwalde­s zerstört. Mit den unzähligen Bränden, ob vorsätzlic­h gelegt oder außer Kontrolle geraten, nimmt sich die Menschheit buchstäbli­ch die Luft zum Atmen.

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