Weniger ist mehr cool
Eine politische Perspektive, um den kapitalistischen Wachstumszwang zu überwinden.
Klimafragen sind Systemfragen: Wo ist die Perspektive, die den kapitalistischen Wachstumszwang überwindet?
In Zeiten von Klimakrise, zunehmenden Ressourcenkonflikten und großer internationaler Ungleichheit erleben wir eine stärkere Politisierung des Konsums. Gerade bei vielen jüngeren Menschen scheint es selbstverständlich zu sein, den eigenen Konsum zu hinterfragen. Das ist auch Ausdruck der gesellschaftlichen Mobilisierungen und Debatten im Zuge von »Fridays for Future«. Und dennoch dominiert in unserer Gesellschaft ein Diskurs von »Will haben« und »Kauf dich glücklich!«. Der wird angefeuert von einer Politik, die auf »Wachstum, Wachstum, Wachstum« fixiert zu sein scheint – ein bisserl grün darf es dabei schon werden.
Mit der imperialen Produktions- und Lebensweise geht es schon aus ökologischen Gründen, aber auch aus solchen innergesellschaftlicher und globaler Gerechtigkeit so nicht weiter. Der alltägliche und überproportionale Zugriff auf die billige Arbeitskraft in anderen Ländern und die natürlichen Ressourcen dieser Welt schafft materiellen Wohlstand, aber eben auch ökologische Zerstörung, Über- und Statuskonsum. Und macht ab einem bestimmten Niveau nicht unbedingt glücklicher.
Fairer Konsum bedarf zweifellos der verantwortungsvollen Konsument*innen, die sich beim Kauf der Produkte Gedanken machen, unter welchen sozialen und ökologischen Bedingungen diese produziert wurden – und ob sie wirklich benötigt werden. Das reicht aber nicht. Fairer Konsum oder weniger Konsum bedarf einer Gesellschaft, in der es eher cool ist, nicht immer mehr und dieses billig oder protzig zu haben. Eine spannende Dimension von »Fridays for Future« liegt ja gerade darin, dass die Frage von billigem Fleisch, ja oder nein zu Autos oder Flugreisen gegenwärtig in vielen Familien, Wohngemeinschaften oder anderen privaten Zusammenhängen diskutiert wird.
Neben diesem kulturellen Wandel ist jedoch auch die staatliche Politik gefordert, die den sozial-ökologischen Umbau vorantreiben sollte: eine wirkliche Energiewende, den Rückbau von Flughäfen und die Schaffung attraktiver Alternativen zum Bau von Einfamilienhäusern. Es gibt dazu Lippenbekenntnisse, jenseits davon sieht es aktuell eher mau aus. Das wissen die jungen Aktivist*innen und sagen regelmäßig und völlig zu Recht bei öffentlichen Auftritten: »Da ist noch einiges zu tun.«
Aktuell scheint die Debatte in zwei Richtungen zu laufen, bzw. gibt es hitzige Debatten darum, was wohl wichtiger ist: das eigene Verhalten zu verändern oder angemessene staatliche Politiken. Bei Letzteren geht es unter anderem um eine ökologische Steuerreform, damit die Preise »die ökologische Wahrheit« sagen.
Was aber seltener genannt wird, ist die Tatsache, dass die Konsumnormen von machtvollen, oft transnational agierenden Unternehmen gesetzt werden. Handys werden unter sozial und ökologisch oft schlechten Bedingungen produziert und sind schwer recyclingfähig, weil damit Profite gemacht werden sollen. Und in der kapitalistischen Konkurrenz bedeutet das eben, dass es nicht um Kostenwahrheit geht, sondern um Kostensenkung. Klar, das wollen auch viele Konsument*innen. Aber auf sie die alleinige Verantwortung zu schieben und am besten noch die protestierenden Schüler*innen mit überheblichem Blick zu fragen, ob sie denn auf ihr Smartphone verzichten würden, unterschätzt: Die digitale Lebensweise entsteht vor allem in den Entwicklungszentren großer Konzerne. Und auch der SUV wird vor allem gebaut, weil er den Autofirmen hohe Profite sichert.
Das müsste noch stärker thematisiert werden: Gerade die Unternehmen – und deren Anteilseigner – sind in der Verantwortung. Ein Management, das nicht nur auf hohe Gehälter und fette Boni schielt. Und, als ganz dickes politisches Brett: Wie können bestimmte Branchen wie etwa die Automobilindus-trie zurückgebaut werden, ohne dass dies auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird?
Dazu bedarf es weiterhin der gesellschaftlichen Mobilisierung wie aktuell durch »Fridays for Future«. Denn die Reichen und Mächtigen und Zynischen (Stichwort: SUVFahren), die besonders von dieser Art der naturzerstörerischen und sozial oft unverträglichen Produktion- und Lebensweise profitieren, müssen in die Schranken gewiesen werden.
Die Forderung nach »System Change, not Climate Change« ist nicht so gemeint, dass gleich nächstes Jahr der Kapitalismus abgeschafft werden soll. So naiv sind die Aktivist*innen nicht. Es geht um eine politische Perspektive, um den kapitalistischen Wachstumszwang zu überwinden. Die Systemfrage – die immer auch eine Frage des Eigentums an privaten Unternehmen ist – wird in vielen Bereichen und ganz konkret gestellt: Agrarökologie und Ernährungssouveränität gegen eine sich immer stärker globalisierende industrielle Landwirtschaft; öffentlicher Verkehr gegen Auto- und Flugwahn; solidarische Stadtentwicklung für alle statt im Interesse der großen Investoren. Das geht mit Konflikten einher, und die Gegenseite weiß schon, was sie tut, um ihre Profite und politische Unterstützung zu sichern.
Daher gilt: Nichts wäre schlimmer für die entstehenden Bewegungen, als den hektischen und schalen Versprechen der Politiker*innen Glauben zu schenken.
Eine spannende Dimension von »Fridays for Future« liegt gerade darin, dass die Frage von billigem Fleisch, ja oder nein zu Autos oder Flugreisen gegenwärtig in vielen Familien, Wohngemeinschaften oder anderen privaten Zusammenhängen diskutiert wird.