Löschen unmöglich
Auf einstigen Truppenübungsplätzen verursacht Altmunition Jahr um Jahr Waldbrände.
Um Brände kümmert sich die Feuerwehr, aber die darf nicht überall hin – zu gefährlich.
Militär sorgt nur höchst selten für ein gutes Klima. Das gilt in der Politik wie in unserer natürlichen Lebenswelt. Panzer fahren ohne Abgasreinigungsanlage, die Turbinen von Kampfjets stoßen Abgase aus, die sich von denen normaler Flugzeuge nicht unterscheiden. Am Grund von Nord- und Ostsee »lagern« 1,6 Millionen Tonnen konventionelle Altmunition. Zudem hat man dort tödliche Chemiewaffen verklappt. Rost zerfrisst die Hüllen der Bomben und Granaten. Forscher warnen, Verantwortliche hören weg.
Unlängst hat die Schweriner Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass sie die Ermittlungen zu den Ursachen eines verheerenden Waldbrandes, der Anfang Juli über mehrere Tage bei Lübtheen im Landkreis Ludwigslust-Parchim tobte, einstellt. Es handelt sich um den größten Waldbrand in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns. Um die 5000 Einsatzkräfte im Dauereinsatz, rund 1200 Hektar Flora und Fauna wurden dennoch Opfer der Flammen. Vier Ortschaften mit insgesamt 650 Einwohnern mussten evakuiert werden. Der Brand war bis nach Berlin zu riechen.
Mit Hilfe eines Löschpanzers und durch den Einsatz von vier Hubschraubern, die Tag für Tag tonnenweise Wasser abregneten, konnten die Flammen nach und nach erstickt werden. Wie stark und nachhaltig die Luftverschmutzung war und wie lange die Natur braucht, um die großflächigen Brandwunden zu heilen, kann niemand sagen. Die Ermittler, so heißt es, konnten im Nachhinein keine Hinweise auf eine Brandstiftung finden. Daher, so die Staatsanwaltschaft, gehe man davon aus, dass das Feuer auf natürliche Weise entstanden ist.
Auf natürliche Weise? Stimmt, Waldbrände sind keine Seltenheit in unserer von Monokulturen geprägten und vom Klimawandel betroffenen Umwelt. Vor allem in Dürreperioden, brennen Bäume, Sträucher und Grasnaben wie Zunder. Doch die Berufs- und die Freiwilligen Feuerwehren sind normalerweise auch Dank prophylaktischer Waldbeobachtung gemeinsam mit anderen sogenannten Blaulichtorganisationen durchaus in der Lage, derartige Dinge in den Griff zu kriegen, bevor sie sich zur Katastrophe auswachsen.
Doch nicht überall. Es gibt Gebiete, in die dürfen Feuerwehrleute nicht rein. Das Verbot betrifft vor allem ehemalige Truppenübungsplätze. Dort würden Helfer Leib und Leben gefährden. Unter der oberen Schicht des Waldbodens liegen Blindgänger verschiedenster Kaliber, die explodieren können. Und es auch tun. Tausend Meter Abstand zum Brand, heißt daher die Weisung an die Löschkräfte am Boden. Gleiches gilt für die Piloten der von der Bundespolizei und der Bundeswehr in ihren temporär umgerüsteten Löschhubschraubern. Ein zweites Problem: Munition neigt zur Selbstentzündung. Eine verlorene kleine Gewehrpatrone mit Leuchtspurfähigkeit reicht, um ein Flammenmeer zu erzeugen.
Überall in Deutschland gibt es solche gefährlichen Areale. In Wendezeiten hat man vor allem im Osten Deutschlands viel über Konversion geredet, doch rasch gemerkt, dass man mit solchen höchst vernünftigen Vorhaben nur sehr schwer vorankommt.
Beispiel: Vor genau zehn Jahren beugte sich das Verteidigungsministerium den bundesweiten Protesten und gab das »Bombodrom« in der Kyritz-Ruppiner Heide frei. Inzwischen hat man öffentliche Wanderwege in einer Länge von 14 Kilometern freigegeben. Doch weite Teile des insgesamt 12 000 Hektar großen Geländes sind weiter munitionsverseucht. Der zuständige Bundesforstbetrieb geht davon aus, dass die Räumarbeiten weitere vier bis sechs Jahre dauern werden. Immerhin: Man tut was! Anderenorts in Deutschland überlässt man militärverseuchte Flächen der Natur. Motto: Mag sie heilen, was wir ihr angetan haben.
Bundesweit sind rund 500 000 Hektar Fläche mit Munition belastet. Allein in Mecklenburg-Vorpommern, einem relativ wenig belasteten Bundesland, sind laut Munitionsbergungsdienst 90 000 Hektar des Festlands belastet. Das entspricht 3,8 Prozent der Gesamtfläche. Sie zu räumen, wäre wie überall dringend. Nicht nur um Waldbrände zu verhindern. Auch würde man so die Gefahren für das Grundwasser, dass immer knapper wird, minimieren. Doch dazu gibt der Bund, in dessen Verantwortung die meisten munitionsverseuchten Gebiete liegen, zu wenig Geld aus.
Zurück nach Lübtheen. Zuletzt übte da die Bundeswehr. Vor ihr die Nationale Volksarmee der DDR. Die den Truppenübungsplatz von der Sowjetarmee übernommen hat. Zuvor trainierte Hitlers Wehrmacht darauf das Morden. Die erste Schießbahn entstand 1936. Das Marinearsenal Jessenitz ließ sie bauen, um Kaliber aller Art zu testen. Während des Krieges mussten in der angeschlossenen Munitionsfabrik bis zu 2000 Kriegsgefangenen verschiedener Nationalitäten schuften. Sie produzierten mehr, als bis zur Befreiung 1945 verschossen werden konnte. »Nie wieder Krieg!«, hieß es. Deutschland sollte entwaffnet bleiben. Also jagten die Sieger die Vorratsbunker in die Luft – und »versprengten« so Granaten aller Art weiträumig. Rein rechnerisch sei alle 17 Quadratmeter eine Gefahr verborgen.
Die, die den Brand in diesem Jahr bekämpften, bekamen eine Medaille. Und es gab ein Fest, der ortsansässige Bäcker präsentierte eine fast zwei Meter lange Dankestorte. 36 Helfer wurden mit einer eigens vom Landkreis entworfenen Gedenkmünze ausgezeichnet. Man überreichte zudem jedem einen Ulmensetzling, der neues Leben in die Brandregion bringen soll. Was bringt solche Symbolik? Schlagzeilen. Und sonst? Nichts! Schon gar nicht, wenn man nicht aus den Fehlern vergangener Jahre lernen will.
Anfang September 2018 hat die Bundeswehr auf ihrem Übungsareal bei Meppen im Emsland Raketentests in Auftrag gegeben. Danach brannte das Moor über einen Monat lang. Es habe, so ermittelte das Verteidigungsministerium, »Fehleinschätzungen bei der Beurteilung von Windstärke und -richtung sowie Mängel bei der Kommunikation innerhalb und außerhalb der Bundeswehr gegeben«. Zudem stellte man »Defizite bei Material, Organisation, Vorschriften und zivil-militärischer Zusammenarbeit fest. Seit Februar diesen Jahres wird wieder geschossen. Wir haben Glück. Bei uns herrscht Frieden.
Überall in Deutschland gibt es solche gefährlichen Areale. In Wendezeiten hat man vor allem im Osten Deutschlands viel über Konversion geredet, doch rasch gemerkt, dass solche höchst vernünftigen Vorhaben nur sehr schwer vorankommen.