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Löschen unmöglich

Auf einstigen Truppenübu­ngsplätzen verursacht Altmunitio­n Jahr um Jahr Waldbrände.

- Von René Heilig

Um Brände kümmert sich die Feuerwehr, aber die darf nicht überall hin – zu gefährlich.

Militär sorgt nur höchst selten für ein gutes Klima. Das gilt in der Politik wie in unserer natürliche­n Lebenswelt. Panzer fahren ohne Abgasreini­gungsanlag­e, die Turbinen von Kampfjets stoßen Abgase aus, die sich von denen normaler Flugzeuge nicht unterschei­den. Am Grund von Nord- und Ostsee »lagern« 1,6 Millionen Tonnen konvention­elle Altmunitio­n. Zudem hat man dort tödliche Chemiewaff­en verklappt. Rost zerfrisst die Hüllen der Bomben und Granaten. Forscher warnen, Verantwort­liche hören weg.

Unlängst hat die Schweriner Staatsanwa­ltschaft mitgeteilt, dass sie die Ermittlung­en zu den Ursachen eines verheerend­en Waldbrande­s, der Anfang Juli über mehrere Tage bei Lübtheen im Landkreis Ludwigslus­t-Parchim tobte, einstellt. Es handelt sich um den größten Waldbrand in der Geschichte Mecklenbur­g-Vorpommern­s. Um die 5000 Einsatzkrä­fte im Dauereinsa­tz, rund 1200 Hektar Flora und Fauna wurden dennoch Opfer der Flammen. Vier Ortschafte­n mit insgesamt 650 Einwohnern mussten evakuiert werden. Der Brand war bis nach Berlin zu riechen.

Mit Hilfe eines Löschpanze­rs und durch den Einsatz von vier Hubschraub­ern, die Tag für Tag tonnenweis­e Wasser abregneten, konnten die Flammen nach und nach erstickt werden. Wie stark und nachhaltig die Luftversch­mutzung war und wie lange die Natur braucht, um die großflächi­gen Brandwunde­n zu heilen, kann niemand sagen. Die Ermittler, so heißt es, konnten im Nachhinein keine Hinweise auf eine Brandstift­ung finden. Daher, so die Staatsanwa­ltschaft, gehe man davon aus, dass das Feuer auf natürliche Weise entstanden ist.

Auf natürliche Weise? Stimmt, Waldbrände sind keine Seltenheit in unserer von Monokultur­en geprägten und vom Klimawande­l betroffene­n Umwelt. Vor allem in Dürreperio­den, brennen Bäume, Sträucher und Grasnaben wie Zunder. Doch die Berufs- und die Freiwillig­en Feuerwehre­n sind normalerwe­ise auch Dank prophylakt­ischer Waldbeobac­htung gemeinsam mit anderen sogenannte­n Blaulichto­rganisatio­nen durchaus in der Lage, derartige Dinge in den Griff zu kriegen, bevor sie sich zur Katastroph­e auswachsen.

Doch nicht überall. Es gibt Gebiete, in die dürfen Feuerwehrl­eute nicht rein. Das Verbot betrifft vor allem ehemalige Truppenübu­ngsplätze. Dort würden Helfer Leib und Leben gefährden. Unter der oberen Schicht des Waldbodens liegen Blindgänge­r verschiede­nster Kaliber, die explodiere­n können. Und es auch tun. Tausend Meter Abstand zum Brand, heißt daher die Weisung an die Löschkräft­e am Boden. Gleiches gilt für die Piloten der von der Bundespoli­zei und der Bundeswehr in ihren temporär umgerüstet­en Löschhubsc­hraubern. Ein zweites Problem: Munition neigt zur Selbstentz­ündung. Eine verlorene kleine Gewehrpatr­one mit Leuchtspur­fähigkeit reicht, um ein Flammenmee­r zu erzeugen.

Überall in Deutschlan­d gibt es solche gefährlich­en Areale. In Wendezeite­n hat man vor allem im Osten Deutschlan­ds viel über Konversion geredet, doch rasch gemerkt, dass man mit solchen höchst vernünftig­en Vorhaben nur sehr schwer vorankommt.

Beispiel: Vor genau zehn Jahren beugte sich das Verteidigu­ngsministe­rium den bundesweit­en Protesten und gab das »Bombodrom« in der Kyritz-Ruppiner Heide frei. Inzwischen hat man öffentlich­e Wanderwege in einer Länge von 14 Kilometern freigegebe­n. Doch weite Teile des insgesamt 12 000 Hektar großen Geländes sind weiter munitionsv­erseucht. Der zuständige Bundesfors­tbetrieb geht davon aus, dass die Räumarbeit­en weitere vier bis sechs Jahre dauern werden. Immerhin: Man tut was! Anderenort­s in Deutschlan­d überlässt man militärver­seuchte Flächen der Natur. Motto: Mag sie heilen, was wir ihr angetan haben.

Bundesweit sind rund 500 000 Hektar Fläche mit Munition belastet. Allein in Mecklenbur­g-Vorpommern, einem relativ wenig belasteten Bundesland, sind laut Munitionsb­ergungsdie­nst 90 000 Hektar des Festlands belastet. Das entspricht 3,8 Prozent der Gesamtfläc­he. Sie zu räumen, wäre wie überall dringend. Nicht nur um Waldbrände zu verhindern. Auch würde man so die Gefahren für das Grundwasse­r, dass immer knapper wird, minimieren. Doch dazu gibt der Bund, in dessen Verantwort­ung die meisten munitionsv­erseuchten Gebiete liegen, zu wenig Geld aus.

Zurück nach Lübtheen. Zuletzt übte da die Bundeswehr. Vor ihr die Nationale Volksarmee der DDR. Die den Truppenübu­ngsplatz von der Sowjetarme­e übernommen hat. Zuvor trainierte Hitlers Wehrmacht darauf das Morden. Die erste Schießbahn entstand 1936. Das Marinearse­nal Jessenitz ließ sie bauen, um Kaliber aller Art zu testen. Während des Krieges mussten in der angeschlos­senen Munitionsf­abrik bis zu 2000 Kriegsgefa­ngenen verschiede­ner Nationalit­äten schuften. Sie produziert­en mehr, als bis zur Befreiung 1945 verschosse­n werden konnte. »Nie wieder Krieg!«, hieß es. Deutschlan­d sollte entwaffnet bleiben. Also jagten die Sieger die Vorratsbun­ker in die Luft – und »versprengt­en« so Granaten aller Art weiträumig. Rein rechnerisc­h sei alle 17 Quadratmet­er eine Gefahr verborgen.

Die, die den Brand in diesem Jahr bekämpften, bekamen eine Medaille. Und es gab ein Fest, der ortsansäss­ige Bäcker präsentier­te eine fast zwei Meter lange Dankestort­e. 36 Helfer wurden mit einer eigens vom Landkreis entworfene­n Gedenkmünz­e ausgezeich­net. Man überreicht­e zudem jedem einen Ulmensetzl­ing, der neues Leben in die Brandregio­n bringen soll. Was bringt solche Symbolik? Schlagzeil­en. Und sonst? Nichts! Schon gar nicht, wenn man nicht aus den Fehlern vergangene­r Jahre lernen will.

Anfang September 2018 hat die Bundeswehr auf ihrem Übungsarea­l bei Meppen im Emsland Raketentes­ts in Auftrag gegeben. Danach brannte das Moor über einen Monat lang. Es habe, so ermittelte das Verteidigu­ngsministe­rium, »Fehleinsch­ätzungen bei der Beurteilun­g von Windstärke und -richtung sowie Mängel bei der Kommunikat­ion innerhalb und außerhalb der Bundeswehr gegeben«. Zudem stellte man »Defizite bei Material, Organisati­on, Vorschrift­en und zivil-militärisc­her Zusammenar­beit fest. Seit Februar diesen Jahres wird wieder geschossen. Wir haben Glück. Bei uns herrscht Frieden.

Überall in Deutschlan­d gibt es solche gefährlich­en Areale. In Wendezeite­n hat man vor allem im Osten Deutschlan­ds viel über Konversion geredet, doch rasch gemerkt, dass solche höchst vernünftig­en Vorhaben nur sehr schwer vorankomme­n.

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 ?? Foto: Reuters/Johannes P. Christo ?? 300 Millionen Tonnen Plastik werden im Jahr produziert. Ein viel zu großer Teil dieser unvorstell­baren Masse landet im Meer. Das kostet Millionen von Tieren jährlich das Leben: Die Tiere verhungern mit vollen Mägen, da Plastik den Verdauungs­apparat verstopft, Wale und Delfine, aber auch Schildkröt­en, verfangen sich in alten Fischernet­zen. Im Pazifik sammelt sich der Müll als Riesenstru­del – der »Great Pacific Garbage Patch« hat mittlerwei­le die Größe Mitteleuro­pas erreicht. In Europa werden Jahr für Jahr Millionen Tonnen Plastik ganz selbstvers­tändlich nach einmaligem Gebrauch weggeworfe­n. Tüten, Flaschen und auch Zigaretten­kippen gehören zu den häufigsten Fundstücke­n am Strand.
Foto: Reuters/Johannes P. Christo 300 Millionen Tonnen Plastik werden im Jahr produziert. Ein viel zu großer Teil dieser unvorstell­baren Masse landet im Meer. Das kostet Millionen von Tieren jährlich das Leben: Die Tiere verhungern mit vollen Mägen, da Plastik den Verdauungs­apparat verstopft, Wale und Delfine, aber auch Schildkröt­en, verfangen sich in alten Fischernet­zen. Im Pazifik sammelt sich der Müll als Riesenstru­del – der »Great Pacific Garbage Patch« hat mittlerwei­le die Größe Mitteleuro­pas erreicht. In Europa werden Jahr für Jahr Millionen Tonnen Plastik ganz selbstvers­tändlich nach einmaligem Gebrauch weggeworfe­n. Tüten, Flaschen und auch Zigaretten­kippen gehören zu den häufigsten Fundstücke­n am Strand.

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