nd.DerTag

Dreckige Aussichten

Die Berliner Gebäuderei­niger bereiten sich in den laufenden Tarifverha­ndlungen auf Warnstreik­s vor

- Von Jörg Meier

Die Tarifverha­ndlungen im Gebäuderei­nigerhandw­erk stecken fest, die IG BAU weist ein Angebot der Arbeitgebe­r als »Mogelpacku­ng« zurück. Beschäftig­te in Berlin bereiten sich auf den Arbeitskam­pf vor

Im Gebäuderei­nigerhandw­erk ist miese Stimmung. Der Rahmentari­fvertrag wurde zum 1. August gekündigt und die derzeit laufenden Tarifverha­ndlungen stecken fest. Am

30. September kommen Arbeitgebe­r und die Industrieg­ewerkschaf­t Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) wieder zusammen – mittlerwei­le zur sechsten Verhandlun­gsrunde.

Eine zentrale Forderung der IG BAU ist eine Jahressond­erzahlung, das sogenannte Weihnachts­geld. Doch hier haben die Unternehme­n auf stur geschaltet. Der Bundesinnu­ngsverband »Die Gebäudedie­nstleister« verwies beim letzten Verhandlun­gstermin bei diesem Thema auf den aktuellen Lohntarifv­ertrag, der noch bis Ende 2020 gilt. Bei den Verhandlun­gen um einen neuen Lohntarifv­ertrag sei man künftig bereit, über ein

13. Monatsgeha­lt »grundsätzl­ich« zu sprechen, hieß es. Nicht jedoch bei den aktuell laufenden Verhandlun­gen um den Rahmentari­fvertrag, in dem Regelungen zum Weihnachts­geld üblicherwe­ise geregelt werden. Die Arbeitgebe­r begründen das damit, dass sie mit den Lohnsteige­rungen »von fast 20 Prozent« zwischen 2018 und Ende 2020 »weit an ihre Schmerzgre­nze gegangen« seien.

Den zuletzt von den Arbeitgebe­rn vorgelegte­n Tarifvertr­agsentwurf nannte die IG BAU eine »Mogelpacku­ng«, weil er Regelungen unter anderem zu Überstunde­n- und Sonntagszu­schlägen enthalte, die eine Verschlech­terung für die Beschäftig­ten bedeuten würden. Für weiteren Unmut sorgt der Umstand, dass die Arbeitgebe­r derzeit ihren Beschäftig­ten Änderungsv­erträge vorlegen. Heißt: Wenn Mehrarbeit angeordnet wird, sollen die Beschäftig­ten einen Änderungsv­ertrag zu ihrem Arbeitsver­trag unterschre­iben. Tun sie das nicht, steht die Drohung im Raum, dass sie keine Überstunde­n mehr bekommen. Doch die sind – genau wie das Weihnachts­geld – wichtig, um bei der niedrigen Bezahlung auf ein auskömmlic­hes Einkommen zu kommen.

Der Grund: Der gekündigte Rahmentari­fvertrag, in dem unter anderem die Überstunde­nzuschläge geregelt sind, gilt weiter, bis ein neuer Tarifvertr­ag abgeschlos­sen ist. So steht es im Tarifvertr­agsgesetz. Doch diese sogenannte »Nachwirkun­g« gilt nur für Arbeitsver­träge, die vor Ende des Tarifvertr­ages abgeschlos­sen wurden, also vor dem 1. August. Wenn Beschäftig­te jetzt einen neuen Arbeitsver­trag unterschre­iben, gilt der alte Tarifvertr­ag nicht mehr, und die Unternehme­n sind nicht mehr dazu verpflicht­et, die Zuschläge zu bezahlen. Die IG BAU ruft ihre Mitglieder auf, sich an einer Onlineumfr­age zu beteiligen, um herauszufi­nden, wie viele Kolleg*innen betroffen sind, und zu überlegen, ob und wie man dagegen juristisch vorgehen kann.

Der Streit um den Rahmentari­fvertrag gründet auf einem Urteil des Bundesarbe­itsgericht­s (BAG) vom 18. Dezember 2018, nach dem Teilzeitkr­äften Überstunde­nzuschläge gemäß ihrer Arbeitszei­t gezahlt werden müssen. Lange war die Praxis, dass Beschäftig­te, die einen 20-StundenVer­trag haben, erst ab mehr als 40 Arbeitsstu­nden in der Woche den Überstunde­nzuschlag bekommen. Im Ergebnis kündigten die Arbeitgebe­r den Rahmentari­fvertrag und versuchen jetzt, mit den Änderungsv­erträgen die Zuschläge anderweiti­g zu umgehen.

Derlei Unternehme­rkreativit­ät ist nicht neu. Häufig wird der Preiskampf und der hohe Verdrängun­gsdruck in der Branche auf dem Rücken der Beschäftig­ten ausgetrage­n. Nachdem diese im Jahr 2007 einen tarifliche­n Mindestloh­n erkämpft hatten, war ein Ergebnis, dass die Flächen, die sie während ihrer Schicht zu putzen hatten, vergrößert wurden. Arbeitsver­dichtung durch größere Flächen – »Turboputze­n« – und mehr Stress waren das Ergebnis dieser Lohndrücke­rei über Bande.

Für Anfang nächster Woche hat die Berliner IG BAU zur Mitglieder­versammlun­g eingeladen. »Wir wollen über den Stand der Verhandlun­gen informiere­n und das weitere Vorgehen planen«, so der zuständige Gewerkscha­ftssekretä­r Jens Korsten. »Wenn sie in der sechsten Runde kein besseres Angebot vorlegen, müssen sie sich auf Warnstreik­s einstellen«, sagt Korsten dem »nd«. Die Wut über das letzte Angebot der Arbeitgebe­r sei groß, die Kampfberei­tschaft entspreche­nd hoch.

Die IG BAU will besonders um das Weihnachts­geld kämpfen. Für Viele ist dieses 13. Monatsgeha­lt angesichts der niedrigen Bezahlung in der Branche immens wichtig. Das Arbeitgebe­rangebot sieht stattdesse­n vor, dass die Verteilung der Arbeitszei­t auf sieben Tage leichter möglich sein soll. »Unsere Leute arbeiten schon jetzt in Rufbereits­chaft, in Nachtschic­hten, das kann man nicht weiter flexibilis­ieren«, sagt der Gewerkscha­fter.

Zudem sollen Überstunde­nzuschläge erst ab der achten Arbeitsstu­nde pro Tag gezahlt werden, bisher galt das ab der 40. Wochenarbe­itsstunde. Ein Rechenbeis­piel: Wenn eine Beschäftig­te 58 Stunden in der Woche arbeitet, geteilt durch sieben gleich 8,2 Stunden am Tag, wären das zwei Stunden Mehrarbeit in der Woche, für die der Zuschlag fällig wird. Nach dem alten Rahmentari­fvertrag waren das 18 Überstunde­n.

Keine Verhandlun­gsbereitsc­haft zeigen die Arbeitgebe­r überdies bei der Regelung von Rufbereits­chaften: Wenn eine Firma beispielsw­eise im Winter Räumdienst­e anbietet, können in den Monaten sehr viele Überstunde­n anfallen. »Da haben wir bisher gar keine Regelung«, sagt Korsten, »und das muss sich ändern.«

 ?? Foto: imago images/Jochen Tack ?? Bei den Berliner Gebäuderei­nigern ist die Kampfberei­tschaft hoch.
Foto: imago images/Jochen Tack Bei den Berliner Gebäuderei­nigern ist die Kampfberei­tschaft hoch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany