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Der doppelte Czaja

Sebastian Czaja (FDP) ist Mitglied im BER-Untersuchu­ngsausschu­ss und arbeitet gleichzeit­ig für eine Baufirma beim BER. Für Carsten Schatz (LINKE) ein eindeutige­r Interessen­konflikt.

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Im Sommer 2018 hat das Abgeordnet­enhaus auf Antrag der Fraktionen von CDU und FDP einen weiteren Untersuchu­ngsausschu­ss zu Kostenstei­gerungen und Terminverz­ügen auf der BER-Baustelle eingesetzt. Damit verband insbesonde­re der Fraktionsv­orsitzende der FDP, Sebastian Czaja, die Absicht, den Streit über die Schließung des Flughafens Tegel fortführen zu können. Daher ließ er es sich auch nicht nehmen, als Obmann seiner Fraktion in den Untersuchu­ngsausschu­ss einzuziehe­n und großspurig anzukündig­en, dass mit ihm nun alle Karten auf den Tisch kämen. Doch seit der Einsetzung des Ausschusse­s hat Czaja mehrfach gezeigt, dass er mit den Regeln eines solchen Gremiums entweder nicht vertraut ist oder – noch schlimmer – sich bewusst darüber hinwegzuse­tzen bereit ist.

Bereits bei der Einsetzung des Ausschusse­s hatte er angekündig­t, die grundsätzl­ich nicht öffentlich zugänglich­en Unterlagen des Gremiums unerlaubte­rweise für eine Klage gegen den Senat nutzen zu wollen. Diese sollte die Entscheidu­ng anfechten, trotz des Volksentsc­heids zum Flughafen Tegel an dessen Schließung festzuhalt­en. Dass Czaja bis heute keine Klage beim Landesverf­assungsger­icht eingereich­t hat zeigt allerdings, dass es die von ihm vermuteten Verschleie­rungen des Senats so nicht gibt und es ihm mehr um das Generieren von Schlagzeil­en als um Aufklärung­sarbeit im Ausschuss ging.

Gegen Czaja steht unterdesse­n der Verdacht im Raum, die Vertraulic­hkeitsrege­ln des Untersuchu­ngsausschu­sses und die Geheimhalt­ungspflich­ten des Abgeordnet­enhauses verletzt zu haben. Dies soll im Zusammenha­ng mit einem zivilrecht­lichen Verfahren geschehen sein, das der Geschäftsf­ührer der Flughafeng­esellschaf­t, Engelbert Lütke Daldrup, gegen Czaja angestreng­t hatte. Czaja hatte ihn ohne Beleg als »notorische­n Lügner« bezeichnet. Aus Schriftwec­hseln der Senatsverw­altung für Finanzen und der Flughafeng­esellschaf­t geht hervor, dass Czajas Anwalt in besagtem Verfahren angab, Teile von Wortprotok­ollen des Ausschusse­s zu besitzen und diese vor Gericht verwenden zu wollen. Die Weitergabe von Wortprotok­ollen eines Untersuchu­ngsausschu­sses ist aber, bevor dieser sein Verfahren beendet hat, nicht ohne weiteres erlaubt und kann einen Straftatbe­stand darstellen. Den Verdacht gegen sich konnte Czaja bisher nicht entkräften. Stattdesse­n verlangt er jetzt sogar vom Ausschuss die Herausgabe der Wortprotok­olle, um sich ein mögliches Fehlverhal­ten nachträgli­ch vom Ausschuss legitimier­en zu lassen. Und dies alles nur, um einen privaten Rechtsstre­it zu überstehen, der mit seiner Ausschussa­rbeit rein gar nichts zu tun hat. Das ist dreist. Umso wichtiger ist es, dass eine unabhängig­e Aufklärung der Vorwürfe durch die Staatsanwa­ltschaft stattfinde­t.

Noch ein weiterer Umstand könnte sich als äußerst pikant erweisen: Czaja war von 2013 bis 2016 als Leiter der Projektent­wicklung beim Unternehme­n beton & rohrbau 2.0 beschäftig­t. Noch heute ist er dort Projektent­wickler. Die Firma gab unlängst auf ihrer Homepage bekannt, dass sie am 23. August dieses Jahres den Zuschlag für Bauleistun­gen am BER bekommen hat. Auf meine mündliche Anfrage in der Plenarsitz­ung antwortete Finanzsena­tor Matthias Kollatz (SPD), dass die beton & rohrbau noch weitere Aufträge von der Flughafeng­esellschaf­t bekommen habe. Dass die Vorgängerf­irma – die Beton & Rohrbau C.F.-Thymian – beim Bau des Flughafens seit 2008 involviert war, ist schon seit Beginn des Untersuchu­ngsausschu­sses bekannt. Neu ist, dass die Nachfolge-Firma, bei der Czaja tätig ist, auch innerhalb des Untersuchu­ngszeitrau­mes des jetzigen Untersuchu­ngsausschu­sses am BER tätig war und immer noch ist. Als Mitglied des Untersuchu­ngsausschu­sses hat Sebastian Czaja über dessen Aktenfundu­s Zugriff auf Interna der Flughafeng­esellschaf­t. Dazu gehören auch Verträge zwischen der Flughafeng­esellschaf­t und weiteren Unternehme­n sowie Ausschreib­ungsunterl­agen.

Der Projektent­wickler Czaja arbeitet also für eine Firma, die Aufträge von der Flughafeng­esellschaf­t ausführt, während das Untersuchu­ngsausschu­ssmitglied Czaja Einblick in deren Vergabepra­xis nimmt. Diese Doppelroll­e Czajas stellt einen massiven Interessen­konflikt dar.

Die FDP-Fraktion sollte sich gut überlegen, ob sie einen Abgeordnet­en in solch einer Gemengelag­e weiterhin im Untersuchu­ngsausschu­ss belassen will. Die Linksfrakt­ion jedenfalls wird sich im Rahmen der Ausschussa­rbeit mit den Hintergrün­den der Aufträge an die beton & rohrbau befassen. Wir werden sehen, was ein dann vorgeladen­er Zeuge Czaja zur Sachverhal­tsaufkläru­ng beitragen kann.

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Foto: dpa Carsten Schatz ist stellvertr­etender Fraktionsv­orsitzende­r der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus und Mitglied im BER-Untersuchu­ngsausschu­ss.

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