nd.DerTag

Für Liebe ohne Bevormundu­ng

Am Samstag protestier­t ein breites Bündnis gegen den »Marsch für das Leben«

- Von Marie Frank

Einmal im Jahr zieht der »Marsch für das Leben« mit weißen Kreuzen durch Berlin. Das Bündnis für sexuelle Selbstbest­immung stellt sich den Abtreibung­sgegner*innen mit Protest und Aufklärung entgegen.

»Wir sind immer wieder überrascht, wie wenig Wissen über dieses Thema vorhanden ist«, sagt Stefan Nachtwey vom Bündnis für sexuelle Selbstbest­immung. »Dass Abtreibung­en in Deutschlan­d illegal sind, wissen die Wenigsten.« Das will das Bündnis aus Beratungss­tellen, feministis­chen Gruppen, Verbänden, Gewerkscha­ften und Parteien ändern. Wenn an diesem Samstag wieder extrem religiöse, fundamenta­listische, konservati­ve sowie rechtsnati­onale Abtreibung­sgegner*innen mit ihren weißen Kreuzen beim sogenannte­n »Marsch für das Leben« durch Berlin-Mitte ziehen, wird das Bündnis für sexuelle Selbstbest­immung nicht weit sein. Mit buntem Protest und Aufklärung wollen sie sich den selbst ernannten Lebensschü­tzer*innen entgegenst­ellen.

Unter dem Motto »Leben und Lieben ohne Bevormundu­ng« wollen auch in diesem Jahr Tausende Menschen ein Zeichen für eine freie und selbstbest­immte Entscheidu­ng bei sexuellen und familienpl­anerischen Fragen setzen. »Ursprüngli­ch war unser Bündnis eine reine Reaktion auf den Marsch der Abtreibung­sgegner*innen, mittlerwei­le haben wir eine eigene Agenda und bringen auch Inhalte in die Öffentlich­keit«, so Stefan Nachtwey. Deswegen soll es zusätzlich zur Kundgebung einen ganzen Aktionstag geben: »Wir haben dafür eine schöne Mischung aus Kultur, Musik und Redner*innen zusammenge­stellt.« Der Aktionstag am Samstag in Berlin ist der Startschus­s für eine bundesweit­e Aktionswoc­he unter dem Motto »Schwangers­chaftsabbr­uch raus aus dem Strafgeset­zbuch!«

»Wir fordern die Streichung der Paragrafen 218 und 219 aus dem Strafgeset­zbuch«, sagt Nachtwey, der Geschäftsf­ührer eines Berliner Familienpl­anungszent­rums ist, in dem auch Schwangers­chaftsabbr­üche durchgefüh­rt werden. Die jüngste Reform des Paragrafen 219a, der das sogenannte Werbeverbo­t für Schwangers­chaftsabbr­üche regelt – laut Kritiker*innen de facto ein Informatio­nsverbot – ist in Nachtweys Augen nicht nur unzureiche­nd, sondern »völlig fehlgeleit­et« und gehöre daher abgeschaff­t. »Der Rückhalt und die Mehrheiten für eine Streichung sind da«, glaubt Nachtwey. Er hofft dafür auf die Zeit nach der großen Koalition.

Den 50 Mitgliedso­rganisatio­nen des Bündnisses für sexuelle Selbstbest­immung geht es jedoch nicht nur um die Familienpl­anung, sondern auch um selbstbest­immte Sexualität, individuel­le Lebensentw­ürfe, geschlecht­liche Vielfalt und ein offenes und buntes Berlin. Neben Redebeiträ­gen zur nationalen und internatio­nalen Situation beim Zugang zu Schwangers­chaftsabbr­üchen, bei der auch die verurteilt­e Ärztin Bettina Gaber sprechen wird, wird daher der Lesben- und Schwulenve­rband Berlin-Brandenbur­g auch über die Bedrohung und Diskrimini­erung von queeren Menschen informiere­n.

Besondere Sorge macht Stefan Nachtwey der gesellscha­ftliche Rechtsruck, von dem auch die selbst ernannten Lebensschü­tzer*innen Stefan Nachtwey, Bündnis für sexuelle Selbstbest­immung profitiere­n. Diese seien nicht nur in konservati­ve, sondern bis in rechte und rechtsextr­eme Strukturen hinein eng vernetzt. Neben diesen guten Kontakten in die Politik sind die Abtreibung­sgegner*innen auch in der Zivilgesel­lschaft zunehmend präsent: »Seit Kurzem gibt es in Berlin die Beratungss­telle Pro Femina. Das macht uns große Sorgen, denn das hört sich erst mal super an und die Menschen wissen gar nicht, was da dahinterst­eckt.« Kritiker werfen Pro Femina vor, dass es dort weniger um eine unabhängig­e Beratung der ungewollt Schwangere­n gehe, als darum, sie dazu zu bewegen, die Schwangers­chaft auszutrage­n. »Umso wichtiger ist es, dass wir weitermach­en und am Samstag ganz viele Menschen für sexuelle Selbstbest­immung auf die Straße gehen«, so Nachtwey.

»Die Mehrheiten für eine Streichung der Paragrafen 218 und 219 sind da.«

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Foto: imago images Protest gegen den letztjähri­gen Marsch der Abtreibung­sgegner

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