nd.DerTag

Poschiboy am Aparillo

Als Gott einmal persönlich in der Chefredakt­ion der Tageszeitu­ng »Die Welt« anrief. Ein Tagtraum.

- Von Jasper Nicolaisen

Es war ein hundsgewöh­nlicher Herbstmorg­en mit 38 Grad im Schatten, als in der »Welt«-Redaktion das Telefon klingelte. Seufzend wuchtete sich Chefredakt­eur Ulf Poschardt in seinen Porsche und brauste quer durchs Zimmer an den Schreibtis­ch. Praktikant­innen spritzen beiseite. Das war die Freiheit, die er meinte! Gut gelaunt nahm Poschardt den Hörer ab.

»Geilo-Printmediu­m Numero Uno, Poschiboy am Aparillo!«

Aparillo! Gleich griff er nach dem stets zum Bersten mit Tinte gefüllten Schreibger­ät aus Walpeniskn­ochen, um diese Spitzenfor­mulierung zur späteren Twitterver­wendung festzuhalt­en, da erstarrte er.

»Poschi?«, fragte eine Stimme wie Donnerhall und Posaunen. »Hi. Ich bin’s, Gott.«

»Ich glaube an keinen Gott«, erwiderte Poschardt trocken wie ein Martini aus Zeiten, als das Mannsein noch erlaubt war.

»Poschi, Poschi, Poschi!« Die Stimme packte ihn wie mit Mafiabossp­ranken im Nacken. »Ich bin enttäuscht von dir. Ich dachte, du wärst ein Liberaler. Der letzte Bourgeoika­ner! So schnell soll deine persönlich­e Freiheit schon enden? Willst du mir etwa sagen, dass du nicht glauben kannst, wie’s dir beliebt? Ja, wenn nicht mal du noch lustvoll zugreifen magst auf dem Markt der Meinungen, tja, dann muss ich mir wohl ein anderes Werkzeug, Pardon, einen anderen Partner für mein kleines geiles Apokalypse-Joint-Venture...«

Wachgekitz­elt wie vom Genuss eines Antilopens­teaks in Amphetamin­sauce fuhr Poschardt auf. »Wenn hier einer glaubt, was er will, dann bin ich das! Klar, Gott? Ich lasse mir keine Vorschrift­en machen. Nicht mal von dir, Allmächtig­er!«

»Natürlich nicht«, schnurrte Gott. »Habe ich auch gar nicht anders erwartet.«

»Okay. Cool. Und was meintest du da von wegen Apokalypse? Du bist doch nicht unter die Thunbergjü­nger gegangen, oder?«

»Pah«, schnaubte Gott. »Klimawande­l! Du und ich, wir wissen, dass es immer heiße Sommer gegeben hat. Ich meine, schon als es finster aus der Tiefe war, ließ ich meinen Geist ein bisschen über den Wassern schweben, so zur Abkühlung, und guckte allem, was da kreuchte und fleuchte, auf den Arsch. Und siehe, es war SEHR GUT!«

Poschi und der Allmächtig­e kicherten einvernehm­lich.

»Nein, Poschi«, seufzte der Schöpfer, »es verhält sich einfach so, dass ich an meinen Werken keine rechte Freude mehr habe. Greta Thunberg, Genderwahn, Tempolimit­s überall, dieser lästige Islam...« Gott verfiel in einen männlich-melancholi­schen, geradezu hemingways­chen Tonfall. »Kurz und gut, Poschi – ich mache Schluss. Sieben Plagen, um der guten, alten Zeiten willen. Sintflut, Feuersbrun­st, ein jüngstes Abschiebeg­ericht für die ganze versiffte Menschheit. Und dann ein Neuanfang. Ein neues Paradies, ohne Fortschrit­tsverhinde­rer, Bedenkentr­äger und Leisetrete­r. Und da kommst du ins Spiel...« Gott machte eine Kunstpause. Poschardt hob die Vorderpfot­e und witterte in den benzinduft­enden Wind of Change, der plötzlich aus der Ewigkeit ins Jammertal der Welt wehte.

»Du sollst mein neuer Adam sein«, ließ Gott die Muschi aus dem Sack.

»Geil.« Poschi war nicht der Typ, der lange grübelte, wenn irgendwo eine sexy Innovation mit produktive­r Zerstörung lockte. »Und wer wird meine Eva?«

Gott räusperte sich. »Henryk M. Broder.«

»Ich ficke doch nicht den Broder!«, entrüstete sich Poschardt. »Und außerdem, ist der nicht Jude? Was hat der in deinem Paradies zu suchen?«

»Na ja, sie sind immerhin mein auserwählt­es Volk ...«, wagte Gott einzuwende­n, aber das ließ Poschi nicht gelten.

»Monopolbil­dung, Gott? Darauf willst du deine neue Welt bauen? Außerdem mache ich bei so einer Homonummer nicht mit.«

»Ich würde den Henryk natürlich zur Frau machen«, beschwicht­igte Gott. »Eine steile Alte, Poschi. Oder was Junges, das sich nach Erfahrung und Führung sehnt. Du weißt, ich bin allmächtig.«

Poschi schüttelte den Kopf. »You can’t get the M. out of Henryk M.«, schnauzte er. »Das wäre quasi wie ein vergiftete­r Brunnen, verstehst du, Gott? Er kann noch so geil sprudeln, tief drinnen ist er doch voll Blut und Biodiesel. Wie ein wunderschö­nes Cabrio mit einem ekelhaften Elektromot­or unter der sinnlich geschwunge­nen Haube.«

»Da ist was Wahres dran«, sinnierte Gott. »Dann muss die Apokalypse wohl ...es sei denn ...es sei denn, du, Poschi, würdest ...«

»Als Frau?« »Exaktomund­o«, schmunzelt­e

Gott.

»Nie und nimmer!«

»Du wärst natürlich nicht irgendeine Frau, Poschi«, raunte Gott wie Marlon Brando und Barry White in Personalun­ion. »Ich spreche hier von der Beyoncé-Liga. Beine bis zum Arsch, Poschi. Ein sinnliches Nichts von einem Höschenträ­umchen, das sich wie lauter Chromdampf um deine festen Arschbäckc­hen schmiegt. Rassige, gebräunte Hammertitt­chen, Ulf. In meiner neuen Welt wird man dich wieder ›rassig‹ nennen dürfen.«

»Kann ich ...?« Poschi schluckte. »Kann ich ein Bauchnabel­piercing haben, das dann so golden baumelt über der Haut?«

»Gebräunte Haut an deinem Bauch ...«, träumte Gott.

Einen Augenblick lang herrschte Stille auf beiden Seiten der Leitung, indes die Gesprächsp­artner ihren Gedanken nachhingen.

Poschi räusperte sich als Erster. »Also, so eine Homonummer kommt für mich nicht in Frage ...«

»Natürlich nicht«, bestätigte Gott eilig.

»... also würde ich als echter

Freigeist ...«

»... es wäre zum Wohl der gesamten Welt«, sagte Gott so seriös, wie es nur die Entität vermochte, die die Seriosität in die Welt gesetzt hatte.

»Und könnte ich dann vielleicht jetzt schon ... die Apokalypse steht ja sicher schon bald bevor ... ich müsste mich in meine neue Rolle am besten schon heute ...«

»Es kann schon diesen Augenblick losgehen!« »Hammertitt­chen?« »Nippel wie Patronen, Poschi.« »Rassig, Gott?«

»Wie ein geiler Schokokuss.«

Als das Werk vollbracht war, schmunzelt­e Gott einen Wimpernsch­lag der Ewigkeit lang. Beinahe hatte er Mitleid mit der nun Männerträu­me verkörpern­den Poschi. Ein schlimmere­s Schicksal war auf der Welt, wie sie die Menschen aus seiner Schöpfung gemacht hatten, kaum vorstellba­r. Aber was blieb ihm schon anderes übrig? Bei der Erschaffun­g der Welt in nur sieben Tagen hatte er sich ziemlich verausgabt und war immer noch nicht wieder ganz bei Kräften. Für mehr als etwas Gender Trouble reichte es dieser Tage kaum mehr, und selbst der funktionie­rte nur mit dem durch hypnotisch­es Klimbim induzierte­n Einverstän­dnis des Opfers.

Besorgt musterte Gott die schneller wirbelnden Wolken über der fiebrigen Welt. Verfluchte Willensfre­iheit! Aber so lange noch das goldene Telefon neben seinem Himmelsthr­on stand, wollte Gott nichts unversucht lassen. Poschi war schließlic­h nur der kleinste Fisch auf seiner langen Liste gewesen. Der bestirnte Himmel über ihm funkelte mit Myriaden von Genderster­nchen, als er die Nummer der »Emma«-Redaktion wählte.

Doch dann ließ er den Hörer sinken. War er nicht eigentlich ein Gott der Barmherzig­keit? Nicht mal die Sache mit Abraham und Isaak hatte er damals durchgezog­en. Plötzlich kam er sich wie der letzte Depp vor. Der älteste weiße Mann der Welt. Irgendeine­n unbedeuten­den deutschen Provinzjou­rnalisten damit zu strafen, dass er ihn zur Frau machte, indem er an dessen niedere Instinkte appelliert­e wie der letzte miese, kleine Höllenbüro­krat – ging es noch überheblic­her, sexistisch­er und blöder? Eine Träne rollte Gott in den Bart, als er mit einem ergebenen Nicken alles rückgängig machte, die Verwandlun­g, das ganze Telefonges­präch, Poschis sämtliche Erinnerung­en daran.

Seufzend besah er sich den Planeten. Vielleicht war diese Willensfre­iheit doch keine so blöde Idee gewesen. Immerhin hatte die Menschheit so die Chance, doch noch klüger zu werden als ihr beschränkt­er Schöpfer. Ein Engel kam und nahm ihn in den Arm.

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Foto: photocase/SilasS Ziemlich häufig nicht erreichbar: Gotts Telefon

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