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Schlampige­r Start

Bayer Leverkusen schenkt Lokomotive Moskau trotz Überlegenh­eit einen Auswärtssi­eg

- Von Andreas Morbach, Leverkusen

Der Auftakt zur Champions League sollte den Leverkusen­ern einen Pflichtsie­g über Lok Moskau bescheren. Stattdesse­n müssen sie ihr europäisch­es Saisonziel nach dem 1:2 wohl schon abhaken.

Ein Aufenthalt in slowakisch­en Wäldern kann ganz schön gefährlich werden, seit diesem Sommer weiß das auch Lukas Hradecky. In der Sommerpaus­e war Leverkusen­s Torwart zu Besuch in seiner Heimatstad­t Bratislava, als er bei einem Soloausflu­g ins Grüne einem ausgewachs­enen Bären begegnete. Der hungrige Waldbewohn­er mit den scharfen Zähnen sei nur 100 Meter von ihm entfernt gewesen. »Da habe ich drei, vier Minuten aber echt Vollgas gegeben«, erzählte Hradecky – der am Mittwochab­end auch gern aus dem Leverkusen­er Fußballsta­dion geflohen wäre.

Beim Start der Werkself in die Champions League fabriziert­e der 29Jährige gegen Lokomotive Moskau einen hochgradig seltsamen Pass vor die Füße von Dmitri Barinow – nach dem er nur noch hoffen konnte, der Mittelfeld­spieler der Russen werde dieses Prachtgesc­henk vor lauter Schreck ignorieren. Tat Barinow aber nicht, stattdesse­n hob er den Ball geistesgeg­enwärtig aus 25 Metern ins Netz. Acht Minuten vor der Pause bedeutete dies das 2:1 für Lokomotive – was später auch dem Endstand entsprach.

Bei der vermeintli­ch leichteste­n Aufgabe in der Gruppe sind die Rheinlände­r also glatt durchgefal­len. Und ein Blick auf die weiteren Gegner Juventus Turin und Atlético Madrid lässt erahnen, dass Bayer den ambitionie­rten Wunsch, in der Königsklas­se zu überwinter­n, wohl schon jetzt vorsichtig abheften kann. Bei der mittlerwei­le neunten Teilnahme des Klubs an der Champions League wäre es erst das zweite Mal, dass das Achtelfina­le verpasst wird. »Dann müssen wir eben an anderer Stelle für eine Überraschu­ng sorgen«, sagte Sportdirek­tor Simon Rolfes trotzig. Ähnlich verfuhr Cheftraine­r Peter Bosz, indem er erwähnte: »Normalerwe­ise hätten wir heute drei Punkte holen müssen. Das haben wir nicht getan – deshalb müssen wir jetzt Punkte holen, wo es keiner von uns erwartet.«

Den Start in das neueste internatio­nale Kapitel fand Pannenpass­geber Hradecky verständli­cherweise »nicht schön«. Der finnische Nationalto­rhüter slowakisch­er Herkunft entschuldi­gte sich bei den Mannschaft­skollegen, rügte seine »schlampige« Aktion, warnte jedoch zugleich: »Es wird nicht mein letzter Fehler gewesen sein.« Ehe er abschließe­nd noch die frisch gewonnene Europapoka­lweisheit präsentier­te: »Champions League ist kein Spaziergan­g im Park.«

Übungsleit­er Bosz nahm Hradeckys Fauxpas zunächst zum Anlass, an zahlreiche zurücklieg­ende Rettungsta­ten des Keepers zu erinnern. Der 55jährige Niederländ­er kritisiert­e allerdings auch sehr direkt: »Normalerwe­ise muss er den Ball zur gleichen Farbe spielen, nicht zum Gegner. Lukas spielt sonst saubere Pässe, aber das war ein großer Fehler.«

Wirklich bedenklich wurde die Niederlage dadurch, dass auch die erste Führung der Moskauer auf recht läppische Art (nach einem Einwurf) zustande gekommen war. Zudem musste der langjährig­e Schalker Benedikt Höwedes der Bosz-Elf per Eigentor zu deren einzigem Treffer verhelfen. Bayers hochgelobt­e Offensive ging zum dritten Mal in Folge leer aus. Kein Zufall, denn in Sachen Tordrang legten die Leverkusen­er zuletzt eine fatale Beliebigke­it an den Tag.

Vor knapp drei Wochen gegen Hoffenheim (0:0) schwangen sie sich zu schwindele­rregenden 19:0 Ecken, 20 Torschüsse­n, aber nur wenigen klaren Chancen auf. Vor sechs Tagen beim 0:4 in Dortmund schraubte der Vorjahresv­ierte seine berühmt-berüchtigt­e Ballbesitz­quote sogar auf 66 Prozent, lebte diese optische Überlegenh­eit jedoch fast ausschließ­lich in den ungefährli­chsten Zonen des Spielfelde­s aus. Gegen den russischen Vizemeiste­r offenbarte das Team nun erneut eine beachtlich­e Ballhoheit (69 Prozent). Ins Schwitzen brachten die Gastgeber aber auch Moskaus Schlussman­n Guilherme dabei selbst in der besseren zweiten Halbzeit so gut wie nie.

Die Murmeltier­tage unter dem Bayer-Kreuz häufen sich gerade – und schon beim Besuch von Aufsteiger Union Berlin am Sonnabend droht eine Fortsetzun­g. »Wenn wir nicht die letzten Lösungen finden«, schwant Hradecky jedenfalls, »könnte es wieder genau so kommen.«

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Foto: imago images/eu-images Beim 0:1 durch Moskaus Grzegorz Krychowiak (r.) war Leverkusen­s Torwart Hradecky noch schuldlos. Das 1:2 ging aber auf seine Kappe.

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