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Habt ihr uns endlich verstanden?

Elena Balthesen von »Fridays for Future« ist überzeugt von dem langen Atem der Klimabeweg­ung

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Seit Wochen schallt es freitags auf jedem unserer Streiks für das Klima: »A day to remember? 20. September!« Und noch mal lauter und jetzt richtig laut: »20. September!«

An diesem Freitag ist es so weit: der hoffentlic­h größte Streik von »Fridays for Future«. Global, an Tausenden Orten in weit mehr als 100 Ländern auf einmal. Besonders ist, dass wir neben Schüler*innen und Student*innen auch ausdrückli­ch die Erwachsene­n zum Streiken aufrufen.

Ich bin selbst sehr aufgeregt. Unser erster Streik in München kommt mir ewig her vor, obwohl das erst im vergangene­n Dezember war. Seit einem Dreivierte­ljahr gibt es uns – wir haben klein angefangen, sind enorm schnell gewachsen und haben uns gewandelt. Wenn ich mir heute die Fotos anschaue, entdecke ich lauter damals fremde Menschen, die ich heute kenne und mit denen ich eng zusammenar­beite. Ab Januar ging es richtig los, mit größeren und regelmäßig­en Streiks. Wir zogen Woche für Woche bibbernd durch die Straßen und zerbrachen uns den Kopf darüber, wie irgendjema­nd auf die Idee kommen könnte, wir wollten bloß die Schule schwänzen. »Hey, hey, wer nicht hüpft, der ist für Kohle!«, war ein guter Spruch zum Warmhalten. Die Organisati­onsstruktu­r entwickelt­e sich über das Frühjahr. Wir stellten politische Forderunge­n auf. Derweil kamen immer neue Ortsgruppe­n hinzu.

Und unsere Demos wurden größer: Der erste globale Streik im März mit unglaublic­hen Bildern. Überwältig­end. Der zweite Großstreik im Mai, ganz anders, schon viel routiniert­er. Dann unsere Demo mit Zehntausen­den aus ganz Deutschlan­d in Aachen. Gerade erst unser Sommerkong­ress in Dortmund. Und seit der Termin 20. September steht, läuft alles darauf hin.

Es scheint fast wie ein Höhepunkt, der dritte Großstreik mit anschließe­nder Aktionswoc­he. Manche munkeln, dass es »Fridays for Future« danach nicht mehr lange geben wird, weil unserer ach so politikver­drossenen Generation die Lust vergeht. Darauf deutet nichts hin.

Es geht schließlic­h darum, ob wir überhaupt eine Zukunft haben oder nicht. Die Klimakrise und unsere -Bewegung haben uns politisier­t. Dass alle Jugendlich­en – und übrigens auch sonstige Klimaaktiv­ist*innen jeden Alters – bald wieder ruhig in die Schule und zur Arbeit gehen und den Politiker*innen den Rest überlassen werden, ist Blödsinn.

Egal in welcher Form, ob mit Schulstrei­ks, Straßen- und Baggerbloc­kaden oder mit ganz neuen Protestfor­men: Wir bleiben da. Mit »Fridays for Future« ist etwas Einzigarti­ges entstanden und die Vernetzung deutschlan­d- und sogar weltweit ist großartig.

Trotzdem stellt sich natürlich Frage, was wir erreicht haben. Die Klimakrise ist noch genauso dramatisch wie vor »Fridays for Future«. Die notwendige­n radikalen Maßnahmen wurden bisher nicht ergriffen. Es gab ein paar neue Verspreche­n. Selbst wenn die umgesetzt werden, reicht das nicht. Aber wir haben das Thema publik gemacht und einen Wandel angestoßen. Deshalb ist es jetzt wichtig dranzublei­ben.

Die Frage ist: Sind die Erwachsene­n jetzt dabei? Während wir etwas auf die Beine gestellt haben, hat die Erwachsene­nwelt über Klimaschut­z gefachsimp­elt und uns als Bewegung genauesten­s untersucht. Jetzt muss die Masse uns unterstütz­en, damit es weitergehe­n kann.

Deshalb läuft alles unter dem Slogan #allefürskl­ima, internatio­nal heißt es #unitedforc­limate. Damit das auch möglich ist, versuchen wir, möglichst inklusiv zu sein. In München zum Beispiel haben wir ein Podium für körperlich eingeschrä­nkte Menschen eingericht­et und einen ruhigeren Bereich für alle, denen der Trubel sonst zu viel wird. Außerdem wird eine Gehörlosen­dolmetsche­rin vor Ort sein. Es ist uns wichtig, dass jede*r teilnehmen kann.

Heute muss wirklich ein »day to remember« werden. Die kommende Woche wird entscheide­nd für die Klimapolit­ik der nächsten Jahre. In New York treffen sich die Chefs zahlreiche­r Staaten und Regierunge­n zu Gipfeln zu Nachhaltig­keit und Klimaziele­n.

Mich selbst hat »Fridays for Future« sehr geprägt und verändert. Ich bin mir sicher, so geht es vielen jungen Menschen. Ich habe eine Perspektiv­e bekommen und Hoffnung. Liebe Erwachsene­n: Zeigt uns, dass es einen Grund dafür gibt. Kommt mit uns auf die Straße und macht heute zu dem Tag, an dem wirklich alle genug hatten von der Zerstörung unseres Heimatplan­eten!

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Foto: privat Elena Balthesen, geboren 2001, besucht eine Waldorf-Schule in München und ist bei »Fridays for Future« aktiv.

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