Die jungen Menschen wissen, was auf dem Spiel steht
Cornelia Füllkrug-Weitzel von Brot für die Welt über den Gipfel in New York, die Verantwortlichen für den Klimawandel und den Aufstieg der Rechtspopulisten
Als Präsidentin von Brot für die Welt und der Diakonie Katastrophenhilfe sind Sie oft in Entwicklungsländern unterwegs. Diese Länder tragen kaum zum Klimawandel bei, leiden aber besonders darunter. Wie macht sich das bemerkbar?
Auf den Fidschi-Inseln müssen schon jetzt wegen des steigenden Meeresspiegels 800 Dörfer umgesiedelt werden. In Bangladesch kommt es immer häufiger zu immer heftigeren Wirbelstürmen, und durch den Anstieg des Meeresspiegels versalzt das Grundwasser. In Afrika häufen sich verheerende Dürren. Gemein ist diesen Ereignissen, dass sie die Ärmsten am schwersten treffen. Der Klimawandel zieht ihnen förmlich den Boden unter den Füßen weg. Bereits erreichte Entwicklungsfortschritte werden so wieder zunichte gemacht.
Welche Verantwortung haben die Industrienationen?
Hier gilt ganz klar das Verursacherprinzip! Die G20-Staaten sind für 80 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Aber 95 Prozent der Menschen, die schon jetzt unter dem Klimawandel leiden, leben im Globalen Süden. Für die Klimawandelverursacher ergeben sich daraus drei Verantwortungen: Sie müssen ihre Emissionen umgehend drastisch reduzieren, den Globalen Süden bei den notwendigen Anpassungen an den Klimawandel unterstützen und für entstandene Verluste und Schäden aufkommen. Die betroffenen Länder fordern das seit vielen Jahren ein, aber die reichen Länder haben diese berechtigten Forderungen bislang einfach ignoriert. Das muss sich ändern.
Wird der Klimawandel zur Fluchtursache?
Das ist er längst! Nach Berechnungen des Norwegischen Flüchtlingsrates müssen jedes Jahr 26 Millionen Menschen ihre Heimat aufgrund von Wetterextremen verlassen. Natürlich wissen wir nicht, wie viele dieser Extremwettereignisse klimawandelbedingt sind, aber klar ist, dass der Klimawandel diese Naturkatastrophen verstärkt und dass dreimal so viele Menschen vor Naturkatastrophen fliehen wie vor kriegerischen Auseinandersetzungen. Da Klimawandel in der Genfer Flüchtlingskonvention jedoch nicht als Fluchtgrund anerkannt ist, haben diese Menschen keinen geschützten rechtlichen Status. Da die meisten von ihnen so arm sind, dass sie es nur ganz selten nach Europa und Deutschland schaffen, wird dieses Problem von der Politik bislang jedoch kaum beachtet.
Was erhoffen Sie sich vom UN-Klimagipfel in New York?
Es ist klar, dass die UN-Mitgliedsstaaten bei ihren nationalen Klimaschutzplänen dramatisch nachbessern müssen, damit eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad noch erreicht werden kann. Das ist alternativlos. Das haben zum Glück ziemlich viele begriffen. Vor allem die jüngere Generation, und mehr als die Hälfte der Erdbevölkerung ist jung. Diese jungen Menschen wissen, dass ihre Zukunft auf dem Spiel steht, und sie sind schon jetzt oder bald Wählerinnen und Wähler. Das kann kein Politiker ignorieren. Darum bin ich zuversichtlich, dass viele Staaten engagierte Vorschläge zum Klimaschutz machen und sich so eine Eigendynamik entwickelt, die weitere Staaten erfassen wird.
Liegt das nicht zuletzt an der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg? Hat dieses 16-jährige Mädchen mehr erreicht als viele Politiker bei UN-Klimakonferenzen?
Was Greta Thunberg erreicht hat, ist absolut bewundernswert. Aber dass sich so viele junge Menschen ihren Schulstreiks fürs Klima und der »Fridays-for-Future«-Bewegung angeschlossen haben, liegt sicher auch daran, dass dieses Generationsthema so lange sträflich ignoriert wurde. Die Zeit war reif dafür. Es ist toll, dass die jungen Leute jetzt Druck machen.
US-Präsident Trump scheint das kalt zu lassen. Er kommt nicht zum New Yorker Klimagipfel und hat vor zwei Jahren den Ausstieg aus dem Pariser Abkommen verkündet. Kann der Kampf gegen die Erderwärmung ohne die USA gewonnen werden?
Ohne die USA wird es schwer, vor allem was die Finanzierung betrifft. Aber zum Glück ist Trump ja nicht die USA. Auch dort haben viele begriffen, wie wichtig der Kampf gegen die Erderwärmung ist. Und es gibt viele wohlhabende Leute, die bereit sind, diese Anstrengungen mitzufinanzieren. Das tun sie nicht uneigennützig, sondern auch weil sie genau wissen, dass es viel teurer wird, wenn man nichts gegen den Klimawandel unternimmt. Und der Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels wird länger dauern als die Ära Trump.
Doch noch ist er Präsident der USA. Was würden Sie ihm sagen, wenn Sie ihn persönlich treffen könnten?
Das ist nicht zitierfähig!
Aber nicht nur wegen Trump passiert im Kampf gegen den Klimawandel bislang wenig.
Ich glaube, das hat viel mit dem weltweiten Aufstieg rechtspopulistischer Politiker zu tun. Ihnen ist es teilweise gelungen, das Narrativ zu schaffen, dass der Klimawandel eine Lüge sei, die sich »die da oben« ausgedacht haben, um die Leute zu drangsalieren. Unseren Politikern ist es bislang leider nicht gelungen, dem ein wirksames Narrativ entgegenzusetzen. Dabei wäre das nicht schwierig. Nach Schätzungen der Weltbank verursacht der Klimawandel schon jetzt jedes Jahr Schäden in Höhe von 300 Milliarden Dollar. Zudem sollten meines Erachtens die positiven Aspekte des Klimaschutzes stärker herausgestellt werden. So kann beispielsweise unsere Lebensqualität deutlich steigen, wenn in unseren Städten weniger Autos fahren.