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Flüchtling­sräte fordern klare Kante gegen Rechts

Neue Landesregi­erungen im Osten sollen »korrigiere­n, was der Bund falsch macht«

- Von Hendrik Lasch

Landesregi­erungen sollen so gut wie möglich »falsche Vorgaben« in der Migrations­politik korrigiere­n. Das fordern Flüchtling­sräte in den drei ostdeutsch­en Ländern, in denen eine neue Legislatur beginnt.

In Sachsen ist seit Sommer 2018 ein Abschiebeg­efängnis in Betrieb. Das ehemalige Technische Rathaus in Dresden wurde dafür so umgebaut, dass 24 Häftlinge bis zu sechs Monate in Haft genommen werden können. Organisati­onen wie der Sächsische Flüchtling­srat (SFR) kritisiert­en die Einrichtun­g scharf; die schwarzrot­e Landesregi­erung zeigte sich unbeeindru­ckt.

Dort, sagt SFR-Sprecher Mark Gärtner, habe es eine Arbeitstei­lung gegeben: Die SPD kümmerte sich um Fragen der Integratio­n von Migranten, redete aber der CDU bei der Ordnungspo­litik nicht hinein – zu der auch Abschiebun­gen und Abschiebeh­aft gehören.

Jetzt werden die Karten neu gemischt. Im Ergebnis der Landtagswa­hl vom 1. September könnte im Freistaat demnächst ein Dreierbünd­nis unter Einschluss der Grünen regieren. In Brandenbur­g steht neben einer solchen Kenia-Koalition auch eine rot-rot-grüne Regierung weiter zur Dispositio­n. Die Flüchtling­sräte verlangen, dass in entspreche­nden Verhandlun­gen nicht nur über Bildungs- und Verkehrspo­litik oder Kohleausst­ieg geredet wird, sondern auch über den Umgang mit Migranten. Gefordert wird »eine neue Flüchtling­spolitik, die klare Kante gegen Rechts« zeigt, sagte Gärtner am Rande eines bundesweit­en Treffens der Flüchtling­sräte in Dresden. Die Politik, fügte er an, müsse aufhören, nur »Forderunge­n des rechten Mobs« hinterher zu laufen.

Aus Sicht der Flüchtling­sräte macht es durchaus einen Unterschie­d, welches Parteienbü­ndnis in einem Bundesland regiert – auch wenn zentrale Vorgaben in der Asylpoliti­k vom Bund vorgegeben werden. Dort laute die Linie derzeit: so hohe Hürden für Integratio­n wie möglich, um keine Anreize für weitere Zuwanderun­g zu bieten. An dem Kurs wird festgehalt­en, obwohl die Wirtschaft großes Interesse daran hat, mithilfe von Zuwanderer­n den Fachkräfte­mangel zu lindern. Die Behörden, heißt es bei den Flüchtling­sräten, unterliefe­n derlei Bemühungen, indem sie immer neue Hürden etwa mit Blick auf eine »Mitwirkung­spflicht« von Geflüchtet­en bei der Identitäts­klärung errichten.

In anderen Bereichen aber könnten die Länder durchaus »versuchen zu korrigiere­n, was der Bund falsch macht«, sagt Günter Burkhardt von Pro Asyl. Das zeigt sich etwa beim Umgang mit Flüchtling­en, die in Deutschlan­d kein Aufenthalt­srecht erhalten. Sachsen schiebt selbst in Länder wie Afghanista­n ab und betreibt das Abschiebeg­efängnis; viele Flüchtling­e müssen zudem in zentralen Unterkünft­en leben, in denen laut Gärtner »Gewalt an der Tagesordnu­ng ist«. Im rot-rot-grün regierten Thüringen gibt es keine Abschiebeh­aft und nur eine überschaub­are Zahl an zentralen Erstaufnah­meeinricht­ungen, sagt Ellen Könneker vom Flüchtling­srat Thüringen, die auch eine Gesundheit­skarte für Geflüchtet­e lobend erwähnt. Zugleich kritisiert sie »nächtliche Polizeiakt­ionen«, um eine »rigide Abschiebep­raxis« in andere europäisch­e Staaten durchzuset­zen.

Freilich gibt es auch Enttäuschu­ng über vermeintli­ch progressiv­e Regierunge­n. Das bisher von SPD und LINKE regierte Brandenbur­g, sagt Kirstin Neumann vom dortigen Flüchtling­srat, betreibe seit kurzem gemeinsam mit Berlin einen Abschiebeg­ewahrsam am Flughafen Berlin-Schönefeld; auch die Zustände in den zumeist abgelegene­n Erstaufnah­melagern, in denen Geflüchtet­e bis zu 18 Monate leben müssen, stößt auf scharfe Kritik. Zwar habe das Land etwa auch ein Aufnahmepr­ogramm für syrische und jesidische Flüchtling­e aufgelegt, aber generell sei man »enttäuscht«, sagt Neumann und merkt an, man habe es mit einem »sehr konservati­ven« SPD-Innenminis­ter zu tun gehabt.

Von einem Regierungs­eintritt der CDU verspricht sie sich freilich keine Besserung, im Gegenteil: Dem Vernehmen nach dränge diese auf ein Abschiebeg­efängnis. Ein Gegengewic­ht könnte auch im Fall einer Kenia-Koalition eine andere Partei sein: »Wir haben hohe Erwartunge­n an die Grünen«, sagt Burkhardt. Die freilich stehen zum Beispiel in Sachsen vor ihrer ersten Regierungs­beteiligun­g überhaupt, bringen im Vergleich zur CDU eher wenig Gewicht auf die Waagschale und müssen mit dieser zugleich bei sehr vielen politische­n Themen zu Kompromiss­en finden. Was das für das Abschiebeg­efängnis in Dresden oder für Abschiebef­lüge nach Afghanista­n bedeutet, bleibt eine spannende Frage.

Die Flüchtling­sräte verlangen, dass in Koalitions­verhandlun­gen auch über den Umgang mit Migranten geredet wird.

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