Streit um Mini-Schritte
Das Klimaschutzpaket erhält nur wenig Beifall / Merz warnt vor Deindustrialisierung
Die Stimmen nach dem Entwurf der Großen Koalition für ein Klimapaket fallen unterschiedlich aus. Wissenschaftler und Aktivisten zeigen sich frustriert. Teilen der CDU gehen die Schritte dagegen zu weit.
Die schwarz-rote Koalition versucht sich an einer Jahrhundertaufgabe. Nicht weniger als den längst schon eingesetzten Klimawandel aufzuhalten, lautet das Ziel. Dafür wollten die Spitzenpolitiker von Union und SPD, »an die Grenzen der absehbaren technischen Machbarkeit und der gesellschaftlichen Akzeptanz gehen«, wie es in einem internen Papier des Klimakabinetts stand. Was dabei herauskam, ist für viele ernüchternd: Der Entwurf trägt einmal mehr die zaghafte Handschrift von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die darauf aus war, den gesellschaftlichen Minimalkonsens zu wahren.
Die Bemühungen reichen nicht, so lautet der Tenor der Wissenschaft. »Mein Urteil fällt vernichtend aus«, sagte der Klimaforscher Mojib Latif. »Das ist eine Nullnummer.« Mit solchen »Mini-Schritten« könnten die Klimaziele nicht erreicht werden.
Auch der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf hält die Beschlüsse für völlig unzureichend. Es sei, »als ob der Arzt bei einer akuten und lebensgefährlichen Infektion eine Kur mit Antibiotika verschreibt, ab sofort fünf Tabletten pro Woche, dann steigern. Und du tust erst mal eine Woche gar nichts, dann nimmst du eine Tablette in der Woche, in der nächsten Woche zwei«.
Weniger polemisch drückte sich Georg Teutsch aus, der wissenschaftliche Geschäftsführer des HelmholtzZentrums für Umweltforschung. Wie die vorgeschlagenen Maßnahmen im Einzelnen wirkten, sei noch nicht abzusehen. Er sei sich aber ziemlich sicher, dass die vorgesehene CO2-Mindestbepreisung nicht die erwartete Emissionsreduzierung bringen werde.
Die Große Koalition will für jede Tonne Kohlendioxid, die verbrannt wird, einen Preisaufschlag nehmen. Die Autofahrer werden davon anfangs nur wenig spüren, da wird der Aufpreis je Liter Benzin 2,8 Cent betragen, bei Diesel 3 Cent. Ab 2025 liegt der Aufpreis bei fast 10 Cent für einen Liter Benzin und elf Cent je Liter Diesel. Ab 2017 sollen die Preise noch höher sein. Angesichts des moderaten Preisanstiegs werden nur wenige Autofahrer auf andere Verkehrsmittel umsteigen, befürchtet Teutsch. Zumal es für Berufspendler einen Anstieg der Pendlerpauschale geben wird, um jene nicht zu stark zu belasten, die in ländlichen Regionen leben und aufs Auto angewiesen sind.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) warnte dennoch vor einer Überforderung der Bürger durch das Klimapaket. »Die Leute werden sich über die Konsequenzen und Mehrbelastungen von bis zu 15 Cent für Benzin und Diesel sowie Heizöl erschrecken«. Er sprach von »sehr rabiaten Maßnahmen, die einen breiten gesellschaftlichen Diskurs erfordert hätten«. Den gäbe es aber nicht. Demnach hält er es für einen Fehler, »einem gefühlten Zeitgeist zu verfallen«.
Kretschmer spielte damit auf die »Fridays for Future«-Bewegung an, die auf ein Einhalten des Abkommens der Pariser Klimakonferenz pocht. 197 Länder haben im Dezember 2015 vereinbart, die Erderwärmung auf unter 2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu regulieren.
Der Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz (CDU) sieht dagegen in dem Klimapaket der Bundesregierung einen Schritt nach vorn. Deutschland werde damit »seinem Anspruch gerecht, Vorreiter zu sein, um guten Gewissens auf den großen Konferenzen andere Staaten auffordern zu können, ebenfalls mehr zu tun.« Er sieht insbesondere in der CO2-Bepreisung ein »entscheidendes Steuerungsinstrument« zur nachhaltigen Verringerung von Emissionen.
Die Kritik von Oppositionspolitikern und Umweltverbänden wies Merz zurück. Dahinter stecke »vieles, nur nicht der Wunsch nach mehr Umweltschutz«, kritisierte er. So gehe es manchen Kritikern vor allem »um die Zerstörung unserer marktwirtschaftlichen Ordnung«. Die Maßnahmen zum Schutz des Klimas müssten immer gemeinsam mit der Industrie umgesetzt werden, forderte er. Andernfalls drohe eine »beispiellose Deindustrialisierung« mit Millionen von Arbeitslosen und einer tiefen Spaltung der Gesellschaft.