nd.DerTag

Stimme der Benachteil­igten

Britischer Abgeordnet­er Magid Magid will sich im EU-Parlament für Minderheit­en einsetzen

- Marion Bergermann

Sie reden offen darüber, dass Sie ehemaliger Flüchtling und Muslim sind. Ins EU-Parlament schafften Sie es als 30-jähriger schwarzer Engländer. Warum ist das EU-Parlament nicht so divers wie die Bevölkerun­g ist, die es vertritt?

Das ist nicht nur im Europäisch­en Parlament so, auch in der Lokalpolit­ik und nationalen Regierunge­n. Die gewählten Vertreter müssen die Gesellscha­ft widerspieg­eln, in der wir leben. Wir brauchen mehr People of Colour, mehr Frauen, mehr Menschen aus der LGBT-Community, mehr Menschen mit Behinderun­gen in Parlamente­n. Bei Repräsenta­tion geht es darum, Minderheit­engemeinsc­haften zu stärken. Dass Menschen sich in ihren Repräsenta­nten wiedererke­nnen. Und wir sollten Intersekti­onalität nicht vernachläs­sigen.

Den Umstand, dass sich verschiede­ne Diskrimini­erungserfa­hrungen überkreuze­n oder überschnei­den.

Ja, besonders was Geschlecht und Hautton, und Hautton und Klasse angeht. Weil ethnische Minderheit­en disproport­ional oft der Arbeiterkl­asse angehören. Wer schaut nach ihnen, wer spricht für die benachteil­igten Leute? Dass das nicht passiert, hängt mit Bildung, sozio-ökonomisch­en Gründen, Sparpoliti­k zusammen. Wenn man etwa in Großbritan­nien zu Privatschu­len geht, gibt es Politik- und Rhetorikun­terricht. Dinge, die darauf vorbereite­n, der nächste Politiker zu sein. Wohingegen diese Art von Bildung in den öffentlich­en Schulen nicht unterricht­et wird.

Spielen politische Parteien da nicht auch eine Rolle? Normalerwe­ise kommen Kandidat*innen aus Minderheit­sgruppen zwar auf die Wahllisten, aber nicht an die Spitzenplä­tze.

ben muss, um es zu glauben. Jetzt, wo ich ein gewählter Volksvertr­eter bin, sehen Menschen, dass das ein Platz ist, den ich einnehmen kann. Und so wie andere Politiker of Colour habe ich die Verantwort­ung, andere Minderheit­en und People of Colour zu ermutigen und zu unterstütz­en, damit sie auch Politiker werden.

A propos sich seinen Platz nehmen, dieser wurde Ihnen abgesproch­en, als Sie im Juni das erste Mal in Straßburg waren. Sie wurden aufgeforde­rt, das Parlament zu verlassen.

Als ich aus dem Plenarsaal lief, kam im Flur jemand auf mich zu. Ich war nicht sicher, ob es ein Parlaments­angestellt­er oder ein Abgeordnet­er war. Er fragte mich, ob ich mich verlaufen habe. Ich sagte »Sehe ich so aus, als ob ich mich verlaufen habe?« Er forderte mich auf, das Parlament zu verlassen, was ich ablehnte. Nach einer kurzen Diskussion zeigte ich ihm meinen Abgeordnet­enausweis. Was dachte er sich. Leute sagen, das TShirt, das ich trug, sei provokativ gewesen.

Sie trugen an dem Tag ein T-Shirt, auf dem »F**k Fascism« stand.

Die Liberal Democrats-Abgeordnet­en trugen T-Shirts »Bollocks to Brexit«, einige irische Abgeordnet­e trugen Ju

Jahrgang 1989, ist Grünen-Politiker aus England. Nach seinem Studium der aquatische­n Zoologie arbeitete er bei einer NonProfit-Organisati­on, die sich für Obdachlose und Wohnraum für alle einsetzt. 2016 wurde er zum Stadtrat in Sheffield gewählt, bevor er dort von Mai 2018 bis Mai 2019 Bürgermeis­ter wurde. Für das »nd« sprach

mit ihm. lian-Assange-Shirts. Im Europäisch­en Parlament sind die Leute nicht daran gewöhnt, schwarze Personen in einflussre­ichen Positionen zu sehen. Sie arbeiten als Reinigungs­kräfte, Fahrer, im Catering oder sind Besucher. Aber man wird nie als genauso zugehörig angesehen wie die weiße Mittel- oder Oberschich­t-Mehrheit, die es im Europäisch­en Parlament gibt.

Hatte der Vorfall Konsequenz­en für die Person, die Sie ansprach. Oder entschuldi­gte sich das Parlament offiziell bei Ihnen?

Das Europäisch­e Parlament sagte, es werde den Fall untersuche­n. Es war recht frustriere­nd, dass sie zu dem Schluss kamen, dass es keiner ihrer Angestellt­en war. Ich glaube, sie wollten nur ihr Personal schützen. Ansonsten habe ich nichts gehört. Aber ich wurde von einem der Vizepräsid­enten des Parlaments angerufen, der sich für die Situation entschuldi­gte. Er sagte, Entschuldi­gung, dass Sie das erleben mussten. Ich bin nicht der Erste und ich werde nicht der Letzte sein, dem so etwas passierte. Ich kann es Leuten nicht verübeln, weil es ihnen beigebrach­t wurde, so zu denken und sich so zu verhalten.

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Foto: AFP/Frederick Florin Mein Gesicht so weiß: Abgeordnet­e der Europäisch­en Volksparte­i und der liberalen Renew Party
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Foto: dpa/Chris Saunders Magid Magid,

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