Einfacher Test mit ernsten Folgen
Die Frühdiagnose von Trisomien wird Kassenleistung – die Debatte dazu geht weiter
Wenn ein Bluttest für Schwangere Kassenleistung wird, weckt das Begehrlichkeiten, weitere genetische Abweichungen vorherzusagen.
Der Bluttest auf die Trisomien 13, 18 und 21 kann ab 2021 Kassenleistung werden, beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) für das Gesundheitswesen am letzten Donnerstag. Voraussetzung für die Aufnahme in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist die Verabschiedung einer Versicherteninformation bis Ende 2020.
Nun wurden vor der Entscheidung des G-BA durchaus noch Bedenken geäußert. Mehrere Bundestagsabgeordnete, Behindertenverbände, freie Hebammen und das Gen-Ethische Netzwerk forderten sogar, die Entscheidung noch einmal zu verschieben und kritische Aspekte ausführlicher zu diskutieren. Die Abgeordnete Corinna Rüffer (Grüne) gehörte zu den Initiatorinnen der Orientierungsdebatte zum Thema im Bundestag, die im April stattfand, aber ohne konkrete Ergebnisse blieb.
Auch Rüffer drängt darauf, dass die Diskussion weiter gehen muss. Sie sieht unter anderem die hohe Fehlerrate des Tests, der sich in einem Sechstel der Fälle irrt – wenn Frauen jeden Alters ohne Berücksichtigung des Risikos einbezogen werden. Trotz der nun geplanten Einschränkung der Kassenleistung auf Frauen mit erhöhtem Risiko ist davon auszugehen, dass die Untersuchung dann auch auf eigene Kosten stärker nachgefragt wird. Als Selbstzahlerleistung gibt es sie bereits seit 2012. Das kostenlose Angebot existiert in den Niederlanden und Belgien – und zwar ohne Einschränkungen. In diesen Ländern lässt sich nach Einschätzung von Experten der überwiegende Teil der Schwangeren testen.
Der G-BA ließ sich in seiner Entscheidung auch nicht davon aufhalten, dass der Test eigentlich eine versicherungsfremde Leistung ist. Denn die GKV soll als Solidargemeinschaft nur das finanzieren, was der Gesundheit der Versicherten dient. Eine therapeutische Option für das Downsyndrom gibt es aber nicht, es lässt sich weder wegoperieren noch durch Medikamente lindern. Genau betrachtet, bleibt der Schwangeren nach dem positiven Test vor allem ein Gewissenskonflikt: Soll sie abtreiben oder sich auf das Leben mit einem behinderten Kind einlassen? Die zweite Möglichkeit hat aber nicht allein mit einer abstrakten Bereitschaft der Eltern zu tun, sondern auch mit dem Umgang unserer Gesellschaft mit Krankheit und Behinderung.
Kritiker weisen darauf hin, dass mit der Pränataldiagnostik Leben mit Downsyndrom als etwas zu Vermeidendes dargestellt werde. So entscheiden sich viele Mütter bei einem entsprechenden Testergebnis für eine Abtreibung; in Dänemark halbierte sich nach Einführung der Trisomie-Tests als Regelleistung die Zahl der so geborenen Kinder.
Insbesondere genetische Bluttests wecken Befürchtungen, es könne immer stärker zu einem Auswahlprozess kommen, bei dem es um die Frage geht: Welche werdenden Kinder gelten als lebenswert und welche nicht? Mit den risikoärmeren Bluttests könnte die Hemmschwelle für eine Untersuchung sinken. Diese Sorge treibt auch die LINKEN-Abgeordnete Kathrin Vogler um, denn es sind weitere Tests verfügbar oder in Vorbereitung. Vogler äußerte die Befürchtung, dass die aktuelle Entscheidung einen Präzedenzfall schaffen könne. Es gebe »Tausende genetische Normabweichungen, von denen Hunderte mit dieser Methode bereits diagnostizierbar wären«. Als Beispiel nennt die Politikerin den Test »Panorama«, dessen Hersteller vermutlich bald die Kostenübernahme verlangen werden.
»Mit ihm wird nach gleich acht genetischen Normabweichungen gefahndet, darunter auch Trisomien der Geschlechtschromosomen wie das Klinefelter-Syndrom.« Zu dessen Symptomen gehören eine verzögerte motorische Entwicklung und Sprachentwicklung (selten), Hochwuchs oder Konzentrationsschwäche. Als Späterscheinung kann Osteoporose auftreten. »Ist es legitim, eine solche Schwangerschaft zu beenden, oder machen wir uns da gesellschaftlich auf den Weg zum perfekten Kind?« Die Politikerin kündigte eine Gesetzesinitiative einer interfraktionellen Gruppe von Abgeordneten zum Umgang mit Bluttests jeglicher Art für Schwangere an.
Die Entscheidung, den Test zur Kassenleistung zu machen, hat also soziale und gesundheitspolitische Folgen, berührt zudem ethische Grundsätze. Deshalb wäre es sinnvoll, wenn sich der Bundestag in der verbleibenden Zeit bis Ende 2020 weiter damit auseinandersetzt und Einfluss auf die zu erarbeitende Begleitinformation für Versicherte nimmt.