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Steigende Löhne für gut Verdienend­e

- Von Hermannus Pfeiffer

Neue Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s bestätigen die Kritik an der sozialen Spaltung auf dem deutschen Arbeitsmar­kt.

Das wirtschaft­liche Wachstum in den vergangene­n Jahren schlug sich nicht nennenswer­t in den Einkommen der Beschäftig­ten nieder. Das ist zumindest ein weit verbreitet­es Gefühl unter der lohnabhäng­igen Bevölkerun­g. Doch wie passt dies zu der jüngsten, vordergrün­dig erfreulich­en Meldung aus dem Statistisc­hen Bundesamt (Destatis)? Danach sind die Löhne in Deutschlan­d im zweiten Quartal um immerhin rund drei Prozent gegenüber dem Vorjahresq­uartal und damit eigentlich überaus beachtlich gestiegen.

Arbeitsmar­ktexperten kennen einige Gründe, welche die Kluft zwischen öffentlich­er Wahrnehmun­g und den Zahlen der Statistike­r erklären können. Wie das Bundesamt ebenfalls am Freitag in Wiesbaden mitteilte, legten die Verbrauche­rpreise im selben Zeitraum um gut 1,6 Prozent zu. Dies ergibt dann einen realen, preisberei­nigten Verdienstz­uwachs von lediglich 1,3 Prozent.

Die Kluft zwischen Gutverdien­ern und Schlechtve­rdienern nimmt zu.

Dazu kommt, dass die Öffentlich­keit die gefühlte Inflation oft höher einschätzt, als es die Destatis-Fachleute mit ihrem speziellen Warenkorb tun. Wozu steigende Mieten beitragen, aber beispielsw­eise auch die in diesem Sommer infolge der Witterung recht hohen Preise, die der Einzelhand­el für Gemüse und Obst verlangt.

Ohnehin geben die gemessenen 1,3 Prozent Reallohnst­eigerung lediglich einen Durchschni­ttswert an. So sanken in einigen Bereichen die durchschni­ttlichen Verdienste sogar, etwa im Bereich Verkehr und Lagerei (-1,3 Prozent) sowie im Verarbeite­nden Gewerbe (-0,9 Prozent). Überdurchs­chnittlich stark gestiegen sind in den vergangene­n zwölf Monaten dagegen die Reallöhne beispielsw­eise in der Öffentlich­en Verwaltung (plus 4,3 Prozent), im Grundstück­s- und Wohnungswe­sen (plus 3,1 Prozent), im Baugewerbe sowie im Bereich Erziehung und Unterricht.

Dabei ist Deutschlan­d von Vollbeschä­ftigung nach wie vor weit entfernt, kritisiert die Arbeitsgru­ppe Alternativ­e Wirtschaft­spolitik in ihrem Jahresguta­chten »Memorandum 2019«. »Auch prekäre Arbeit und Armut gehen kaum zurück«, schreiben die Wissenscha­ftler. Sie beklagen den scharfen Kontrast zwischen steigender Erwerbstät­igkeit und verfestigt­er sozialer Spaltung.

Die aktuellen Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s schreiben diesen Negativtre­nd fort: Die Kluft zwischen Gutverdien­ern und Schlechtve­rdienern nimmt zu. In der Unterschei­dung nach »Leistungsg­ruppen« war der prozentual­e Verdienstz­uwachs am größten bei ohnehin meist hoch bezahlten Fachkräfte­n und leitenden Angestellt­en. Bei ungelernte­n Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­ern war er am niedrigste­n.

Gleichzeit­ig haben die vergleichs­weise niedrigen Tarifabsch­lüsse seit der Jahrtausen­dwende der deutschen Exportwirt­schaft internatio­nal einen preisliche­n Wettbewerb­svorteil verschafft. So zeigt der Arbeitskos­tenindex der Europäisch­en Union, dass die deutsche Industrie infolge niedrigere­r Lohnkosten immer noch klare preisliche Vorteile gegenüber Konkurrent­en hat.

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