Ungehorsam für alle
Am Rande des Klimastreiks werden zahlreiche Straßen und Kreuzungen besetzt, die Polizei nimmt Aktive fest
Bis in die Nacht hinein waren am Freitag zahlreiche Aktivist*innen unterwegs, um ihren Forderungen nach weitreichenden Veränderungen rund um die Klimapolitik Ausdruck zu verleihen.
Die Blockaden begannen am Nachmittag. Über den Tag hatten laut Angaben von Fridays for Future bereits 270 000 Menschen in Berlin für eine Wende in der Klimapolitik demonstriert. Später schlug die Stunde der geübten Aktivist*innen: In Kleingruppen mit mehreren Dutzend Personen machten sie sich in sogenannten Demonstrationsfingern auf, um verschiedene Straßen zu blockieren. So trafen sich etwa 1000 Menschen aus der Klimabewegung Ende Gelände mit Aktivist*innen von der Seebrücke, die sich für legale Migrationswege einsetzt, um 17 Uhr am Anhalter Bahnhof und liefen dann die Stresemannstraße Richtung Hallesches Ufer hoch.
Zeitgleich zog der von feministischen Gruppen gebildete »Lila-Finger« vor die Bayer-Konzernzentrale in Wedding. Rund 60 Demonstrant*innen blockierten für rund eine Stunde die Straßenkreuzung vor dem Pharmaunternehmen. »Bayer macht Profite mit der Ware Gesundheit. Bayer und Monsanto machen Profite mit der Klimakrise«, sagte Hannah Eberle, Sprecherin des Bündnis »Ungehorsam für Alle«, gegenüber »nd«. Deswegen sei es wichtig, »dass wir auch vor Konzernen blockieren und als Zeichen des Protestes den Straßenverkehr lahmlegen«, so Eberle weiter. Die Polizei räumte die feministische Blockade, nachdem sie drei Mal dazu aufgefordert hatte, die Straßen zu räumen. Mehrere Demonstrierende wurden von den Beamt*innen weggetragen, Festnahmen gab es hier keine.
Die Aktivist*innen von Ende Gelände und Seebrücke besetzten derweil die Straßenkreuzung am Halleschen Ufer. Sie legten damit in Teilen die Wilhelmstraße, Hallesches Ufer, Tempelhofer Ufer und den Mehringdamm bis in die Nacht lahm. Gegen 21 Uhr begann die Polizei, die Blockade zu räumen. Nach Angaben von Ende-Gelände-Sprecherin Sina Reisch wurden im Verlauf des Abends 25 Personen festgenommen, von denen am Samstagmorgen noch drei in Gewahrsam saßen.
Mara Räther, Pressesprecherin der Bewegung Seebrücke, sagte zu »nd«: »Wir sind hier, weil die Klimakrise auch eine rassistische Krise ist.« Das gleiche Wirtschaftssystem, dass auf der Ausbeutung natürlicher Ressourcen beruhe, so Räther, führe dazu, dass Milliarden von Menschen im globalen Süden ihre Lebensgrundlage verlieren und fliehen müssten. »Die Reaktion der Europäischen Union darauf ist, eine Mauer um unsere imperiale Lebensweise herum zu bauen«, klagte Räther an.
Am Potsdamer Platz und am Alexanderplatz blockierten Mitglieder von Extinction Rebellion bis in die Nacht hinein mehrere Straßen.
Auch Klimaaktivist Tadzio Müller war bei der Straßenblockade am Halleschen Ufer dabei. Müller denkt, dass die Klimabewegung in Deutschland mittlerweile ein hohes Ansehen genieße und bis in die Mitte der Gesellschaft reiche. »Deswegen sind wir heute ungehorsam für alle«, so der Aktivist und sagt mit Blick auf die Ergebnisse des Klimakabinetts: »Die Regierung sagt, Klimaschutz findet nicht statt, wir geben die Verantwortung ab. Die Frage, die sich uns stellt, ist demnach: Nehmen wir die Verantwortung an? Die Leute hier sagen, ja wir nehmen sie an.«