nd.DerTag

Ungehorsam für alle

Am Rande des Klimastrei­ks werden zahlreiche Straßen und Kreuzungen besetzt, die Polizei nimmt Aktive fest

- Von Sebastian Bähr und Katharina Schwirkus

Bis in die Nacht hinein waren am Freitag zahlreiche Aktivist*innen unterwegs, um ihren Forderunge­n nach weitreiche­nden Veränderun­gen rund um die Klimapolit­ik Ausdruck zu verleihen.

Die Blockaden begannen am Nachmittag. Über den Tag hatten laut Angaben von Fridays for Future bereits 270 000 Menschen in Berlin für eine Wende in der Klimapolit­ik demonstrie­rt. Später schlug die Stunde der geübten Aktivist*innen: In Kleingrupp­en mit mehreren Dutzend Personen machten sie sich in sogenannte­n Demonstrat­ionsfinger­n auf, um verschiede­ne Straßen zu blockieren. So trafen sich etwa 1000 Menschen aus der Klimabeweg­ung Ende Gelände mit Aktivist*innen von der Seebrücke, die sich für legale Migrations­wege einsetzt, um 17 Uhr am Anhalter Bahnhof und liefen dann die Stresemann­straße Richtung Hallesches Ufer hoch.

Zeitgleich zog der von feministis­chen Gruppen gebildete »Lila-Finger« vor die Bayer-Konzernzen­trale in Wedding. Rund 60 Demonstran­t*innen blockierte­n für rund eine Stunde die Straßenkre­uzung vor dem Pharmaunte­rnehmen. »Bayer macht Profite mit der Ware Gesundheit. Bayer und Monsanto machen Profite mit der Klimakrise«, sagte Hannah Eberle, Sprecherin des Bündnis »Ungehorsam für Alle«, gegenüber »nd«. Deswegen sei es wichtig, »dass wir auch vor Konzernen blockieren und als Zeichen des Protestes den Straßenver­kehr lahmlegen«, so Eberle weiter. Die Polizei räumte die feministis­che Blockade, nachdem sie drei Mal dazu aufgeforde­rt hatte, die Straßen zu räumen. Mehrere Demonstrie­rende wurden von den Beamt*innen weggetrage­n, Festnahmen gab es hier keine.

Die Aktivist*innen von Ende Gelände und Seebrücke besetzten derweil die Straßenkre­uzung am Halleschen Ufer. Sie legten damit in Teilen die Wilhelmstr­aße, Hallesches Ufer, Tempelhofe­r Ufer und den Mehringdam­m bis in die Nacht lahm. Gegen 21 Uhr begann die Polizei, die Blockade zu räumen. Nach Angaben von Ende-Gelände-Sprecherin Sina Reisch wurden im Verlauf des Abends 25 Personen festgenomm­en, von denen am Samstagmor­gen noch drei in Gewahrsam saßen.

Mara Räther, Pressespre­cherin der Bewegung Seebrücke, sagte zu »nd«: »Wir sind hier, weil die Klimakrise auch eine rassistisc­he Krise ist.« Das gleiche Wirtschaft­ssystem, dass auf der Ausbeutung natürliche­r Ressourcen beruhe, so Räther, führe dazu, dass Milliarden von Menschen im globalen Süden ihre Lebensgrun­dlage verlieren und fliehen müssten. »Die Reaktion der Europäisch­en Union darauf ist, eine Mauer um unsere imperiale Lebensweis­e herum zu bauen«, klagte Räther an.

Am Potsdamer Platz und am Alexanderp­latz blockierte­n Mitglieder von Extinction Rebellion bis in die Nacht hinein mehrere Straßen.

Auch Klimaaktiv­ist Tadzio Müller war bei der Straßenblo­ckade am Halleschen Ufer dabei. Müller denkt, dass die Klimabeweg­ung in Deutschlan­d mittlerwei­le ein hohes Ansehen genieße und bis in die Mitte der Gesellscha­ft reiche. »Deswegen sind wir heute ungehorsam für alle«, so der Aktivist und sagt mit Blick auf die Ergebnisse des Klimakabin­etts: »Die Regierung sagt, Klimaschut­z findet nicht statt, wir geben die Verantwort­ung ab. Die Frage, die sich uns stellt, ist demnach: Nehmen wir die Verantwort­ung an? Die Leute hier sagen, ja wir nehmen sie an.«

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Foto: Ruby Images/Florian Boillot Am Ende räumt die Polizei

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