nd.DerTag

Fitte Wut

- Von Benjamin Moldenhaue­r Sect: »Blood of the Beasts« (Southern Lord Records)

Die

todernsten Spielarten des US-Hardcores wollten, anders als der Punk, aus dem sie sich entwickelt­en, der Hässlichke­it der Welt nicht Entgrenzun­g und Witz entgegense­tzen, sondern ihr mittels Selbstrein­igung entkommen. Besonders konzentrie­rt dann im Straight-Edge-Segment der Szene: kein Fleisch, kein Alkohol, keine Drogen, und in einigen Fällen auch kein Sex, stattdesse­n Männerbund und Askese. Der küchenpsyc­hologisch interessie­rte Hörer vermutet in dem empörten Brüllen den Ausdruck von zum Klang sublimiert­er Lustfeindl­ichkeit.

Bei der Band Sect spielen Leute, die in den Neunziger und Nuller Jahren in diesen Zusammenhä­ngen sehr präsent waren und heute mitunter noch sind. Scott Crouse spielt Gitarre bei der nervtötend­en Straight-Edge-BandEarth Crisis, ein exemplaris­ches Beispiel für ideologisc­he Verhärtung im Hardcore. Dazu kommen Leute von semi-bekannten Bands wie Undying, Day of Suffering und Catharsis. Sänger Chris Colohan hat einst bei Cursed gewirkt, und er ist es dann auch, der diese Platte hörenswert macht. Auf den drei Cursed-Alben übte Colohan ein präzise empörtes Wutgeschre­i, immer bewusst nah am Kippen in die Verzweiflu­ng, aber dabei eben immer Fitness und Manneskraf­t suggeriere­nd. Genau der Ton also, den es für das Verspreche­n auf moralische Überlegenh­eit braucht.

Im Video zum Titelsong werden Schwarzwei­ß-Dokumentar­aufnahmen aus Schlachthö­fen mit Bildern von Polizeigew­alt zusammenge­schnitten, dazu die Anklage, gebrüllt: »The stench of control hits the nose / like the steam rising from the folds / of skin on the killing floor«. Die Musik von Sect, durchweg routiniert­er, Metal-lastiger Hardcore, kommt mit Wucht um die Ecke. Auch wenn das Geschrei dem ersten Eindruck nach entfesselt anmutet, ist alles wieder mal total kontrollie­rt.

Und es wirkt nicht zuletzt wie eine Wiederauff­ührung von etwas, das in den Neunziger Jahren für viele adoleszent­e Fans unmittelba­r Bedeutung hatte; adoleszent­e Fans, bei denen man nicht

Auch wenn das Geschrei zuerst entfesselt anmutet, ist alles wieder mal total kontrollie­rt.

so ganz wusste, was zuerst da war: der Körperpanz­er oder die Gründe, die aufgefahre­n wurden, um den Hörer davon zu überzeugen, dass man sich gegen diese Welt voller Metzger und all ihre schlechten Einflüsse panzern muss.

Am Ende von »Blood of the Beasts« machen sich leise Zweifel breit: »I can say the right words but not quite believe them / see the firmament pulled down / the Better World it turns out I believed in / burn it’s last chance with a smile«. Die Musik brettert unbeirrt weiter.

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Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau
Plattenbau Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

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