Fitte Wut
Die
todernsten Spielarten des US-Hardcores wollten, anders als der Punk, aus dem sie sich entwickelten, der Hässlichkeit der Welt nicht Entgrenzung und Witz entgegensetzen, sondern ihr mittels Selbstreinigung entkommen. Besonders konzentriert dann im Straight-Edge-Segment der Szene: kein Fleisch, kein Alkohol, keine Drogen, und in einigen Fällen auch kein Sex, stattdessen Männerbund und Askese. Der küchenpsychologisch interessierte Hörer vermutet in dem empörten Brüllen den Ausdruck von zum Klang sublimierter Lustfeindlichkeit.
Bei der Band Sect spielen Leute, die in den Neunziger und Nuller Jahren in diesen Zusammenhängen sehr präsent waren und heute mitunter noch sind. Scott Crouse spielt Gitarre bei der nervtötenden Straight-Edge-BandEarth Crisis, ein exemplarisches Beispiel für ideologische Verhärtung im Hardcore. Dazu kommen Leute von semi-bekannten Bands wie Undying, Day of Suffering und Catharsis. Sänger Chris Colohan hat einst bei Cursed gewirkt, und er ist es dann auch, der diese Platte hörenswert macht. Auf den drei Cursed-Alben übte Colohan ein präzise empörtes Wutgeschrei, immer bewusst nah am Kippen in die Verzweiflung, aber dabei eben immer Fitness und Manneskraft suggerierend. Genau der Ton also, den es für das Versprechen auf moralische Überlegenheit braucht.
Im Video zum Titelsong werden Schwarzweiß-Dokumentaraufnahmen aus Schlachthöfen mit Bildern von Polizeigewalt zusammengeschnitten, dazu die Anklage, gebrüllt: »The stench of control hits the nose / like the steam rising from the folds / of skin on the killing floor«. Die Musik von Sect, durchweg routinierter, Metal-lastiger Hardcore, kommt mit Wucht um die Ecke. Auch wenn das Geschrei dem ersten Eindruck nach entfesselt anmutet, ist alles wieder mal total kontrolliert.
Und es wirkt nicht zuletzt wie eine Wiederaufführung von etwas, das in den Neunziger Jahren für viele adoleszente Fans unmittelbar Bedeutung hatte; adoleszente Fans, bei denen man nicht
Auch wenn das Geschrei zuerst entfesselt anmutet, ist alles wieder mal total kontrolliert.
so ganz wusste, was zuerst da war: der Körperpanzer oder die Gründe, die aufgefahren wurden, um den Hörer davon zu überzeugen, dass man sich gegen diese Welt voller Metzger und all ihre schlechten Einflüsse panzern muss.
Am Ende von »Blood of the Beasts« machen sich leise Zweifel breit: »I can say the right words but not quite believe them / see the firmament pulled down / the Better World it turns out I believed in / burn it’s last chance with a smile«. Die Musik brettert unbeirrt weiter.