Wer das Geld gibt, darf auch reden
Deutsche Museen verweigern weiter die Rückgabe afrikanischer Ausstellungsstücke – ein Rückblick auf drei Veranstaltungen
Seit dem Versprechen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, afrikanische Kulturobjekte aus kolonialem Unrechtskontext zurückzugeben und dem Restitutions-Bericht des senegalesisch-französischen Experten-Teams Felwine Sarr und Bénédicte Savoy werden von deutschen Kulturinstitutionen im In- und Ausland geradezu hektisch Museumsdebatten organisiert. In der vergangenen Woche fanden gleich drei solcher Veranstaltungen statt.
Auf einer Podiumsdiskussion im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals in Berlin zum Thema »Die Dekolonisierung der Museen und die Frage der Rückgabe« saßen auf der Bühne fünf weiße Museumsdirektor*innen und –experten aus Köln, Oxford, Tervuren und Berlin zusammen. Aus Afrika war einzig der senegalesische Professor Abdulaye Touré geladen. Er war, wie er erklärte, im Irrglauben erschienen, hier einen längeren Vortrag halten zu dürfen. Wäre dieser vom (schwarzen)Moderator Philipp Kabo-Köpsell nicht wenigstens in Auszügen verlesen worden, hätte man von der afrikanischen Sicht auf die Dinge jedoch nichts erfahren. Denn trotz Flüsterübersetzung blieb der frankophone Touré bei der in Englisch geführten Diskussion buchstäblich außen vor.
Vielleicht war der Experte aber auch nur sprachlos. Denn während sein Beitrag u.a. für die Wiedereingliederung der Objekte in den rituellen Gebrauch afrikanischer Gemeinschaften plädierte, waren seine europäischen Kollegen noch immer mit der Sicherung »ihrer« immensen afrikanischen Sammlungen beschäftigt. So drehte der Belgier Guido Gryseels den Spieß sogar um und bescheinigte Europas Befürworter*innen von Restitutionen neokoloniales Gebaren: Afrikas Museen wünschten keine Rückgaben geraubter Objekte, sie benötigten vielmehr Unterstützung bei der Bewahrung ihrer bereits vorhandenen Sammlungen. Unter den anwesenden Museumsvertreter*innen aus Deutschland war man sich uneinig. Während Lars-Christian Koch, der Sammlungsleiter des Humboldt-Forums, wie gewohnt auf die im letzten Jahr erfolgte erste Restitution seines Museums verwies und den Verleih einiger Beninbronzen nach Nigeria in Aussicht stellte, ließ die Kölner Museumsdirektorin Nanette Snoep durchblicken, dass sie deren Restitution befürworten würde.
Offizielle Rückgaben will offenbar auch Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), um jeden Preis vermeiden. So präsentierte er wenige Tage später in Berlin-Dahlem ein auf drei Jahre angelegtes Kooperationsprojekt mit dem namibischen Museumsverband, das er als »einzigartig und wegweisend« pries. Doch auch hier wird eine Restitution nicht als Projektziel definiert. Stattdessen geht es vorerst nur um den »Verleih« von 23 der über 1400 namibischen Objekte in Berlin.
Die SPK setzte sich mit diesem unverschämten »Angebot« an das einst von Deutschland kolonisierte Namibia selbst über die das Projekt finanzierende Gerda-Henkel-Stiftung hinweg. So hatte deren Vorsitzender Michael Hanssler unmißverständlich gefordert: »Objekte die geraubt oder unter zweifelhaften Umständen erworben worden sind, zeitnah und dauerhaft zu restituieren«.
Diesem Wunsch schloss sich auch Golda Ha-Eiros von der Museums Association of Namibia an. Auf Nachfrage gestand sie, dass sie die in Dahlem liebevoll von ihr präsentierten Artefakte »als Pivatperson« gern dauerhaft restituiert sehen würde. Für die nahezu ausgelöschten Ovaherero sind die Kulturobjekte ihrer Gemeinschaft ohnehin »ein untrennbarer Teil der von Deutschland geforderten Reparationen«, sagte die Vorsitzende der Ovaherero Genocide Foundation Esther Muinjangue gegenüber dieser Zeitung.
Parallel zur Pressekonferenz in Berlin fand in Windhoek, Namibia, die Abschlußkonferenz der vom Goethe-Institut organisierten »Museumsgespräche 2019« statt, an denen – anders als in Berlin – überwiegend afrikanische Fachleute beteiligt waren. Doch wer das Geld gibt, darf auch reden. Und so ließ es sich ausgerechnet Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts und Erfinder des unheilbar (post)kolonialen HumboldtForums, nicht nehmen, die afrikanischen Gäste detailliert über die Dekolonisierung afrikanischer Museen und den »Neubeginn in der Museumsplanung in Afrika« zu belehren. Wie seine unkommentiert in der »taz« veröffentlichte Rede zeigt, war ihm dabei der Genozid an den Ovaherero und Nama, der Windhoek bis heute überschattet, kein Sterbenswörtchen wert.
Zum Glück ließen sich die Museumsfachleute aus Afrika nicht davon beirren. Wie Deutschlandradio Kultur berichtete, definierten sie für sich selbst, was Lehmann schwammig als »berechtigte Rückgaben« einzugrenzen suchte – und zählten dazu nicht nur offenkundig geraubte Objekte, sondern alle Artefakte, die heute für afrikanische Gemeinschaften von Bedeutung sind. Ob diese Maximalforderung jemals durchgesetzt werden kann, steht in den Sternen. Aber wenn die europäische Seite sich nicht dafür schämt, den Nachfahren der Kolonisierten selbst erwiesenes Raubgut als Leihgaben anzubieten, dann sind diese zweifellos gut beraten, gleich alles zu wollen. Bekanntlich trifft man sich schließlich irgendwo mittendrin.
Aus Afrika war einzig Professor Abdulaye Touré erschienen – im Irrglauben, einen längeren Vortrag zu halten zu dürfen.
Der Autor arbeitet mit beim Verein »Berlin Postkolonial«