Niedrigere Preise verhindert
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) fällte ein richtungsweisendes Urteil für Autobesitzer – doch nicht zu ihrem Vorteil. Dabei ging es um die Bereitstellung von Autoteilen.
Beim Streit zwischen dem Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA) und dem koreanischen Hersteller Kia ging es um die grundsätzlich Frage, ob freie Händler beim Ersatzteilgeschäft benachteiligt werden (EuGH-Urteil vom 22.August 2019, Rechtssache C-527/18). Der GVA hatte kritisiert, dass elektronische Datenbanken Autoteile nur unzureichend zur Verfügung stellten – zum Nachteil der Kunden, die für Ersatzteile und Reparaturen zu hohe Preise zahlen.
Wie war die Ausgangslage?
Produzierte Autos erhalten eine Fahrzeug-Identifikationsnummer. In einer Datenbank sind unter der jeweiligen Nummer die im Auto verbauten Teile gespeichert. Händler können über ein kostenpflichtiges Internetportal die zu jeder Nummer gespeicherten Daten einsehen. Diesen Lesezugriff erhalten sowohl Vertragswerkstätten als auch freie Reparaturbetriebe. Sie können damit sehen, welche Originalersatzteile sie für eine Reparatur brauchen. Sie können allerdings nicht sehen, ob es billigere Alternativen gibt.
Was forderte der AutoteileVerband GVA?
Er fordert, dass freie Händler besseren Zugriff auf die Daten bekommen müssen, damit diese von freien Ersatzteilherstellern verarbeitet und Werkstätten dann jeweils alternative Teilelisten zur Verfügung gestellt werden können. In einem früheren Verfahren 2016 vor dem Landgericht Frankfurt am Main sei damals für den gesamten europäischen Kfz-Ersatzteilmarkt geklärt worden, dass Autohersteller die Pflicht haben, »unabhängigen Marktteilnehmern Daten zur Fahrzeug- und Ersatzteil-Identifikation in elektronischer Form zur unmittelbaren elektronischen Weiterverarbeitung zur Verfügung zu stellen«. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main kippte die Entscheidung. Der zuletzt mit der Sache befasste BGH verwies den Fall nunmehr an den EuGH.
Was entschied der EuGH?
Im Detail ging es darum, ob Hersteller nach geltendem EURecht freien Händlern und Werkstätten die Fahrzeug- und Teileinformationen in elektronisch weiterzuverarbeitender Form bereitstellen müssen und ob große Autohersteller beim Ersatzteilgeschäft gegen EURecht verstoßen. Das Grundsatzurteil des EuGH: Nach bestehendem EU-Recht seien die Autohersteller nicht verpflichtet, die Daten in elektronisch weiterzuverarbeitender Form bereitzustellen. Der Lesezugriff über jeweilige Einzelabfragen reiche aus. Die freien Händler würden nicht diskriminiert, da Vertragshändlern und -Werkstätten die gleichen Informationen zur Verfügung stünden.
Was reagierten Verbraucherschützer darauf?
Für die Verbraucher ein enttäuschendes Urteil und ein Rückschlag für die Fahrzeugbesitzer. Ein Erfolg des Autoteile-Verbandes hätte zu niedrigeren Preisen für Autobesitzer führen können. Die Hoffnung, dass durch ein positives Urteil der Zugang zu Ersatzteilen erleichtert und die Verbraucher durch sinkende Kosten direkt profitieren würden, sei durch den EuGH verhindert worden. So werden die Autohersteller weiter an jedem Ersatzteil mitverdienen, was zu höheren Preisen für Verbraucher führt. Denn die EuGH-Entscheidung stellt freie Werkstätten und Händler schlechter.
Können sich Verbraucher trotzdem Hoffnung machen?
Ja. Der vorliegende Fall ging über Jahre durch die Vorinstanzen. Die EU-Staaten und das Europaparlament einigten sich 2018 darauf, dass Autobauer künftig ihre Datensätze in elektronisch verarbeitbarer Form zur Verfügung stellen müssen. Das entsprechende Gesetz soll ab 1. September 2020 gelten. Also abwarten.
Im Übrigen hatte 2013 der BGH entschieden, dass Besitzer von Gebrauchtwagen von Autoherstellern nicht gezwungen werden können, Reparaturen und Inspektionen nur in Vertragswerkstätten durchführen zu lassen, wenn die Kunden nicht riskieren wollen, die Fahrzeuggarantie zu verlieren. Doch eine Garantie für ältere Autos kann nicht mit einer Verpflichtung zu Wartungen nur in den eigenen Stammniederlassungen gekoppelt werden, so der BGH damals. In der Praxis führen Termine bei Werkstattbindung oft auch zu einer höheren Rechnung als bei der Nutzung einer freien Autowerkstatt.