nd.DerTag

Kein Bock auf Rechtsextr­eme

Sebastian Weiermann ist es leid, über Nazis, die AfD oder andere rechte Spinner zu schreiben und zu lesen

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Es war der 26. Januar 2001, in meiner Heimatstad­t fand ein Naziaufmar­sch statt, Verbotsver­suche scheiterte­n, meine damaligen Freunde fanden es zu gefährlich, rauszugehe­n und die Nazis wenigstens anzuschrei­en. Seitdem habe ich mich mit wenig so viel beschäftig­t, wie mit der extremen Rechten in Deutschlan­d. Auch journalist­isch waren Nazis über Jahre meine Geldquelle­n. Ein bisschen Ahnung habe ich und Texte über Nazis lassen sich relativ gut verkaufen. Doch mittlerwei­le bin ich es leid, über Nazis zu schreiben. Das hat nichts mit Einschücht­erungen zu tun, sondern damit, dass mir nicht mehr gefällt wann und weswegen die Rechten Aufmerksam­keit bekommen.

Berichters­tattung über Nazis bedeutet Klicks und Kommentare. Das ist so und es ist prinzipiel­l eine gute Sache, wenn es viel und prominente Aufklärung über die extreme Rechte gibt. Nur leider spielt die Lust an der Sensation dabei zu oft eine große Rolle. Im Sommer waren sogenannte »Feind- bzw. Todesliste­n« von Neonazis ein großes Thema. Wochenlang wurde über sie berichtet. Leider dauerte es auch Wochen, bis deutlich gemacht wurde, dass eine dieser Listen, mit fast 25 000 Namen, aus einem mehrere Jahre alten Hack eines Punkversan­ds bestand. Das macht es nicht besser für die Betroffene­n, ist aber doch etwas anderes als Listen, die es auch gibt, auf denen wirklich Informatio­nen über Personen gesammelt wurden. Ein ähnliches Beispiel, rechte »Terrorgrup­pen«, mit Sicherheit ist es nicht verkehrt, dass die Mitglieder von »Revolution Chemnitz« in Untersuchu­ngshaft sitzen und dass sie sich vor Gericht verantwort­en müssen. Allerdings gierte bei der Berichters­tattung wieder einmal die Sensati

onslust. Ein Chat, in dem ein Gruppenmit­glied hoffte, die eigenen Aktionen würden krasser als die des NSU, wurde nicht selten an den Anfang der Berichters­tattung gestellt. Nüchterne Analyse auch hier Fehlanzeig­e. Nazis, die nach Einschätzu­ng von antifaschi­stischen Recherchen­etzwerken weitaus gefährlich­er sind, sich aber nicht so plump und dumm verhalten, bekommen selten eine ähnlich große Aufmerksam­keit.

Mit der Aufmerksam­keit für die AfD verhält es sich ähnlich. Andreas Kalbitz dürfte nicht traurig gewesen sein, als kurz vor der Landtagswa­hl in Brandenbur­g breit über seine biografisc­he Verankerun­g in der Neonazisze­ne berichtet wurde. Einen Teil der Wähler zieht so was zur AfD, andere halten es für eine Diffamieru­ng durch die »Lügenpress­e«. Geschadet hat es Kalbitz nicht. Auch sonst wird jede menschenfe­indliche Sebastian Weiermann

Äußerung von AfD-Funktionär­en gerne in der Öffentlich­keit breitgetre­ten. Die Hoffnung, die Partei damit zu »enttarnen« hat sich nachweisli­ch als falsch herausgest­ellt. Die AfD wird gewählt, weil sie rassistisc­h und demokratie­feindlich ist. Ganz absurd wird es regelmäßig, wenn zwischen »Gemäßigten« und »Extremen« in der Partei unterschie­den wird. Die »Gemäßigten« hören sich so an, wie die NPD vor 10 Jahren. Auch hier fehlt es oft an analytisch­er Tiefe. Wie sehr die AfD überhaupt davon profitiert öffentlich wahrgenomm­en zu werden, haben allerdings auch viele gutwillige, antifaschi­stische Menschen noch nicht verstanden. Im Netz werden, mit ablehnende­m Kommentar versehen, immer wieder besonders krasse Aussagen von einzelnen Parteifunk­tionären verbreitet. Antifaschi­sten helfen so, den Rechten Reichweite zu bescheren. Ähnliches gilt auch für die beinahe wöchentlic­he Aufregung über die Einladung von AfD-Politikern in irgendwelc­he Talkshows. Reichweite bekommen sie durch die Empörung über rechte Gäste. Ein Lerneffekt bei Talkmodera­toren und ihren Redaktione­n wird auch durch den tausendste­n Facebook- oder Twitterkom­mentar nicht einsetzen. Hier wäre Nicht-Beachtung zielführen­der.

Nazis und die AfD sorgen bei Öffentlich­keit und Medien immer wieder für dieselben Reaktionsm­uster. Empörungsw­ellen und ihr Verlauf sind so vorhersehb­ar wie ein Spiel zwischen Bayern München und einem Viertligis­ten. Das ist erstens langweilig und stumpft zweitens auch den kritischst­en Beobachter auf Dauer ab. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir cleverer mit den Menschenfe­inden umgehen.

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Foto: privat berichtet als Korrespond­ent fürs »nd« auch über Nazis in NRW.

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