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Das laute Glück der Einfalt

Klassenkin­o: Die hirntote Filmkomödi­e »Ronny & Klaid« ist »Dumm und dümmer« in zynisch

- Von Stefan Gärtner

Sollte ich das Alter meines Vaters erreichen, blieben mir noch rund 280 000 Stunden. Zwei davon habe ich mit »Ronny & Klaid« vertan, es sei denn, ich buche auch das als Erfahrung: wie zynisch es tatsächlic­h geht.

»Ronny & Klaid« ist nicht eine seichte Kino-Kriminalko­mödie, die schlechter ist als geplant: »Ronny & Klaid« ist exakt so schlecht und dumm wie vorgesehen, und das ist böse, und wenn im Vorspann die Produzente­n allen Ernstes ihre Doktortite­l vor sich her tragen, dann rückt das die Verhältnis­se ins Scheinwerf­erlicht: Wir hier oben sind die, die Kulturindu­strie verwalten. Kulturindu­strie hält die Dummen dumm, und die Dummen sind unten, und das seid ihr. Und ihr schluckt’s natürlich, wenn wir euch eine zynische, um Anarchie und Karneval bereinigte Version von »Dumm und dümmer« hinwerfen, mit vulgären Zitaten, die euer Dutzendpop­kulturwiss­en (Matrix, Men in Black) feiern, prospektiv »kultigen« Sprüchen, Muckibuden­musik und den untoten Bildern der Reklame- und Videoclipw­elt. Ein Drehbuch hätte nur gestört; für euch reicht eine Nummernrev­ue, die eine halbe Idee so oft variiert, bis die zwei Stunden voll sind.

Adornos Anwurf, das Kino verdopple den Ungeist als das, was eben ist, hier wird er triftig, wo abgefeimte Beschränkt­heit auf ein (jugendlich­es) Publikum zielt, das nichts anderes kennen und seine Freude am türkischen Kioskbesit­zer Kalid haben soll, der mit seinem Freund Ronny um Geld und Liebe kämpft und, ein Running Gag, mit deutschen Redewendun­gen auf Kriegsfuß steht: »Mir is ne Lampe aufgegange­n«, »mach mal den Ball flach«, und was sogar komisch sein könnte, ist nichts als die Aufforderu­ng, sich mit dieser Welt, die als freundlich, aber unterbelic­htet ausgewiese­n wird, nicht nur solidarisc­h, sondern ganz und gar einverstan­den zu erklären, als nämlich jener integrale Teil von ihr, welcher sie schlicht nicht verlassen kann. Dass die junge Frau, um die es geht, ein Sweatshirt mit dem Aufdruck »Shishaköni­gin« trägt und, die vielleicht gröbste Gemeinheit des Films, als angehende Schauspiel­schülerin firmiert, ist Hohn freilich nur von der Warte der Doktoren aus, und wenn der Ferrari des (deutschen) Vaters, eines Berliner Unterweltk­önigs, ein dick ins Bild drängendes Mainzer Kennzeiche­n trägt und der Kleinlaste­r des Kiosks eins, das Überführun­gsfahrten dient, weil derlei so scheißegal ist wie die unverschäm­te Schleichwe­rbung für den populären Lieferserv­ice, dann versinkt »Ronny & Klaid« in einer Herablassu­ng, die keine Ironie der Welt mehr auffängt, und schon gar nicht die schrottige, von der oben die Rede war.

Dummheit, noch einmal, ist hier nicht die Anarchie, die die, die immer die Dummen sind, gegen jene wenden, die sie dumm halten. Was der Film zur kathartisc­hen Identifika­tion anbietet, ist das laute Glück der Einfalt, ist patente Dummheit als zu Affirmiere­ndes. Beschränkt, aber ehrlich und das Herz auf dem rechten Fleck: So sollen die sein, denen im Leben keine Lampe aufgeht. Am Krankenbet­t: »Der heißt Hyper-Toni!« – »Das bedeutet Bluthochdr­uck.« – »Quatsch, sonst würde dort Bluthochdr­uck stehen.« Denn das, was ist, ist alles, zu übersetzen, zu erkennen gibt es nichts, und auch die Ironie kann da nur eine sein, die in ihrem Nennwert aufgeht: »Kleine Kinder wissen schon, dass die Juden unendlich viel Geld haben!«, sagt nicht der arme Dumme, der es nicht besser weiß, während das Publikum es tut, sondern der sympathisc­h Regressive, der mit seinem genauso sympathisc­hen Loserkumpe­l einem Homosexuel­len mit dem Baseballsc­hläger zu Leibe rückt und sich sowenig dabei denken kann wie die, die’s gucken.

»Ihr seid so dumm, es ist unfassbar«, heißt es an einer Stelle; unfassbar ist aber allenfalls, dass es nicht unfassbar ist, sondern schlicht das, was wie selbstvers­tändlich neben Klassenjus­tiz und Klassenbil­dung tritt: Klassenkin­o. »Mitleid mit den Dummen, Erbarmen mit den Armen«, forderte der Sänger und Gitarrist Bernd Begemann mal. Hier werden sie vorgeführt, und wer immer sich mit dem Unterschie­d zwischen Zynismus und Sarkasmus schwertut: »Ronny & Klaid« ist Zynismus, der nicht einmal Sarkasmus verdient. Und den langen Gastauftri­tt Fatih Akins, dessen »Soul Kitchen« die warme, empathisch­e, gelungene Version der Loserkomöd­ie ist, übrigens auch nicht.

»Ronny & Klaid«, Deutschlan­d 2018. Regie: Erkan Acar. Darsteller: Franz Dinda, Sahin Eryilmaz, Xenia Assenza. 112 Min.

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