Das laute Glück der Einfalt
Klassenkino: Die hirntote Filmkomödie »Ronny & Klaid« ist »Dumm und dümmer« in zynisch
Sollte ich das Alter meines Vaters erreichen, blieben mir noch rund 280 000 Stunden. Zwei davon habe ich mit »Ronny & Klaid« vertan, es sei denn, ich buche auch das als Erfahrung: wie zynisch es tatsächlich geht.
»Ronny & Klaid« ist nicht eine seichte Kino-Kriminalkomödie, die schlechter ist als geplant: »Ronny & Klaid« ist exakt so schlecht und dumm wie vorgesehen, und das ist böse, und wenn im Vorspann die Produzenten allen Ernstes ihre Doktortitel vor sich her tragen, dann rückt das die Verhältnisse ins Scheinwerferlicht: Wir hier oben sind die, die Kulturindustrie verwalten. Kulturindustrie hält die Dummen dumm, und die Dummen sind unten, und das seid ihr. Und ihr schluckt’s natürlich, wenn wir euch eine zynische, um Anarchie und Karneval bereinigte Version von »Dumm und dümmer« hinwerfen, mit vulgären Zitaten, die euer Dutzendpopkulturwissen (Matrix, Men in Black) feiern, prospektiv »kultigen« Sprüchen, Muckibudenmusik und den untoten Bildern der Reklame- und Videoclipwelt. Ein Drehbuch hätte nur gestört; für euch reicht eine Nummernrevue, die eine halbe Idee so oft variiert, bis die zwei Stunden voll sind.
Adornos Anwurf, das Kino verdopple den Ungeist als das, was eben ist, hier wird er triftig, wo abgefeimte Beschränktheit auf ein (jugendliches) Publikum zielt, das nichts anderes kennen und seine Freude am türkischen Kioskbesitzer Kalid haben soll, der mit seinem Freund Ronny um Geld und Liebe kämpft und, ein Running Gag, mit deutschen Redewendungen auf Kriegsfuß steht: »Mir is ne Lampe aufgegangen«, »mach mal den Ball flach«, und was sogar komisch sein könnte, ist nichts als die Aufforderung, sich mit dieser Welt, die als freundlich, aber unterbelichtet ausgewiesen wird, nicht nur solidarisch, sondern ganz und gar einverstanden zu erklären, als nämlich jener integrale Teil von ihr, welcher sie schlicht nicht verlassen kann. Dass die junge Frau, um die es geht, ein Sweatshirt mit dem Aufdruck »Shishakönigin« trägt und, die vielleicht gröbste Gemeinheit des Films, als angehende Schauspielschülerin firmiert, ist Hohn freilich nur von der Warte der Doktoren aus, und wenn der Ferrari des (deutschen) Vaters, eines Berliner Unterweltkönigs, ein dick ins Bild drängendes Mainzer Kennzeichen trägt und der Kleinlaster des Kiosks eins, das Überführungsfahrten dient, weil derlei so scheißegal ist wie die unverschämte Schleichwerbung für den populären Lieferservice, dann versinkt »Ronny & Klaid« in einer Herablassung, die keine Ironie der Welt mehr auffängt, und schon gar nicht die schrottige, von der oben die Rede war.
Dummheit, noch einmal, ist hier nicht die Anarchie, die die, die immer die Dummen sind, gegen jene wenden, die sie dumm halten. Was der Film zur kathartischen Identifikation anbietet, ist das laute Glück der Einfalt, ist patente Dummheit als zu Affirmierendes. Beschränkt, aber ehrlich und das Herz auf dem rechten Fleck: So sollen die sein, denen im Leben keine Lampe aufgeht. Am Krankenbett: »Der heißt Hyper-Toni!« – »Das bedeutet Bluthochdruck.« – »Quatsch, sonst würde dort Bluthochdruck stehen.« Denn das, was ist, ist alles, zu übersetzen, zu erkennen gibt es nichts, und auch die Ironie kann da nur eine sein, die in ihrem Nennwert aufgeht: »Kleine Kinder wissen schon, dass die Juden unendlich viel Geld haben!«, sagt nicht der arme Dumme, der es nicht besser weiß, während das Publikum es tut, sondern der sympathisch Regressive, der mit seinem genauso sympathischen Loserkumpel einem Homosexuellen mit dem Baseballschläger zu Leibe rückt und sich sowenig dabei denken kann wie die, die’s gucken.
»Ihr seid so dumm, es ist unfassbar«, heißt es an einer Stelle; unfassbar ist aber allenfalls, dass es nicht unfassbar ist, sondern schlicht das, was wie selbstverständlich neben Klassenjustiz und Klassenbildung tritt: Klassenkino. »Mitleid mit den Dummen, Erbarmen mit den Armen«, forderte der Sänger und Gitarrist Bernd Begemann mal. Hier werden sie vorgeführt, und wer immer sich mit dem Unterschied zwischen Zynismus und Sarkasmus schwertut: »Ronny & Klaid« ist Zynismus, der nicht einmal Sarkasmus verdient. Und den langen Gastauftritt Fatih Akins, dessen »Soul Kitchen« die warme, empathische, gelungene Version der Loserkomödie ist, übrigens auch nicht.
»Ronny & Klaid«, Deutschland 2018. Regie: Erkan Acar. Darsteller: Franz Dinda, Sahin Eryilmaz, Xenia Assenza. 112 Min.