Plötzlicher Kindstod
Sowieso
Ich steige unvermittelt ins Thema ein und erzähle Ihnen die Geschichte, wie ich ein Kleinkind mit meinem Rollkoffer überfuhr. Erklären wird sich diese Kolumne sowieso irgendwann, ob ich will oder nicht. Es geht darin, grob gesagt, um das, was ohnehin alle wissen; was ohnehin allen klar ist und wovon es daher gar nicht schadet, wenn es einfach mal gesagt wird. So etwas muss es ja auch geben. Gerade als junger Mensch, der ich bin, braucht man Gewissheiten, kann gar nicht genug davon haben. Sonst verliert man sich und landet im Gebüsch, wo die Fledermäuse ihre Rangfolge auswürfeln und der Bäcker seinen Holzstein ölt.
Das mit dem Koffer also passierte an einem Samstagmorgen; sowieso hatte ich es eilig, wie immer, und zog die Transportschale in ruckartigen Schwüngen kompromisslos über das schmale Pflaster eines Innenstadtviertels: kinderreich, wie es nahezu sämtliche Innenstadtviertel Deutschlands auch nach meiner Tat noch sind. Der Gehsteig bot, ich möchte mich hier nicht rechtfertigen, denn rechtfertigen lässt sich meine »Tat« sowieso nicht (und das wäre auch gar nicht nötig); der Gehsteig bot etwa Platz für drei kleine Hände quer nebeneinander. Also nicht viel. Platz.
Ich pfiff das Lied aus der »Rügenwalder-Mühle«-Werbung: »Feierabend, wie das duftet / kräftig, deftig, würzig, gut«; und überlegte, wie die Welt wohl aussähe, wenn der Metzger mir damals statt Mortadella Teewurst auf die Hand geklatscht hätte, ob eine andere Art Fleischabfall meine Entwicklung gar zum Positiven gewendet hätte und wie meine Hand dann jetzt wohl riechen würde. Manchmal rieche ich nämlich in der Öffentlichkeit an meiner Hand, einfach so, und frage mich ein paar Minuten später, ob das okay war. Ich glaube, hier ist der richtige Ort, diesen Sachverhalt einmal offenzulegen.