Protest aus der Kurve
Fußballfans in Baden-Württemberg demonstrieren gegen das neue Polizeigesetz
Fußballfans und das Polizeigesetz in Baden-Württemberg.
Anhänger der Fußballklubs aus Karlsruhe, Freiburg und Stuttgart können einander eigentlich nicht leiden. Am Wochenende werden sie aber geeint im Kampf gegen mehr Macht für Polizisten.
Wenn der Ligaalltag ruht, weil die Nationalmannschaften spielt, packt viele Fans die Reiselust. Die Darbietungen von Joachim Löws Spielern interessieren sie dabei wenig, auf dem Programm der »Groundhopper« stehen stattdessen Reisen zu den unteren Spielklassen im In- und Ausland. Auf Besuch aus Baden-Württemberg werden Vereine wie SK Rakovnik (dritte tschechische Liga) oder Skive IK (zweite dänische) auch an diesem Wochenende allerdings verzichten müssen, denn die Fanszenen im Südwesten demonstrieren zeitgleich gegen das geplante neue Polizeigesetz der grün-schwarzen Landesregierung. In Freiburg, Stuttgart, Karlsruhe und Mannheim sind für Samstag Kundgebungen geplant, am Sonntagnachmittag findet eine Großdemo auf dem Stuttgarter Schlossplatz statt.
Die baden-württembergischen Fanszenen befürchten nach einer möglichen Verabschiedung des neuen Polizeigesetzes noch mehr Repressionen, man drohe dann endgültig zur Zielscheibe »geheimdienstlicher Mittel« zu werden. »Es könnte dann genügen, in einem Bus zu sitzen, in dem jemand sitzt, dem die Polizei Gewalttaten zutraut, um in die Datei Gewalttäter Sport zu rutschen«, heißt es in einem Infoblatt der »Karlsruher Fanhilfe«, die zusammen mit den ansonsten skeptisch beäugten Anhängern aus Stuttgart sowie den Kollegen aus Heidenheim und Freiburg das Aktionswochenende vorbereitet hat.
Werde der Gesetzesentwurf, der derzeit noch nicht einmal in erster Lesung vom Landtag in Stuttgart debattiert worden ist und ähnlichen Vorhaben in Bayern oder Sachsen ähnelt, verabschiedet, gäbe das den Behörden ein Sammelsurium an Möglichkeiten an die Hand, um potenzielle »Gefährder« zu verfolgen, heißt es weiter. »Dann dürften Störsender im Handy installiert werden«, befürchtet KSC-Fan Martin Winter, dessen Kurve beim Heimspiel gegen Heidenheim jüngst zusammen mit der Gästekurve Transparente gegen das Gesetz präsentierte. Außerdem warfen sie Mini-Exemplare des Grundgesetzes auf den Rasen. »Kameras und Mikrofone dürfen in Privatwohnung installiert werden«, so Winter. Auch ein »Kontaktverbot zu bestimmten Personen sind dann ohne weiteres möglich«. Zudem moniert die Fan-Initiative, dass befristete Verhaftungen theoretisch immer wieder auf unbestimmte Zeit verlängert werden können. »Endloshaft« nennen das die Aktivisten.
Regierungskoalition und Polizei halten die Befürchtungen der Fans derweil für unbegründet. Ein verabschiedungsfähiger Gesetzesentwurf stehe noch nicht fest, heißt es aus Regierungskreisen. Man habe dabei auch weder Demonstranten noch Fußballfans im Auge, sondern Schwerstkriminelle und Terroristen. Auch Uwe Stahlmann, ein für Fußballeinsätze zuständiger hoher Beamter im Innenministerium, hält die Sorgen der Fans für unbegründet: »Bei dem, was bei der Weiterentwicklung des Polizeigesetzes diskutiert wird, geht es aus polizeifachlicher Sicht vorrangig um die Bekämpfung von Terrorismus sowie schwerer und schwerster Kriminalität.«
Hinter vorgehaltener Hand geben allerdings auch einzelne Abgeordnete der Grünen zu verstehen, dass sie bei der derzeitigen Fassung Bedenken haben. Besonders der Begriff des »Gefährders« sei zu schwammig gefasst. Vor einer möglichen Verabschiedung müsse auf jeden Fall sichergestellt werden, dass Schwerstkriminelle und potenzielle Terroristen als Ziel der erweiterten Maßnahmen definiert würden. Und nicht Fußballfans.
Die beruhigen die relativierenden Stimmen aus Stuttgart nicht. Im Gegenteil: »Natürlich sagen die Verantwortlichen, dass es nicht um den Fußball geht, aber die Erfahrung lehrt, dass alle Instrumente, die der Polizei zur Verfügung gestellt werden, auch gegen Fans eingesetzt werden. Das war bei der Schleierfahndung so, und es wird auch so sein, wenn es legal ist, dass der Staat Menschen einen Trojaner aufs Handy spielen darf«, fürchtet Martin Winter, der sich mehr Unterstützung aus der Zivilgesellschaft wünscht: »In Baden-Württemberg fehlt leider eine parlamentarische Stimme gegen immer mehr Repression. Auch die Grünen haben die Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte aus ihrem Programm gestrichen. Sie werden auch für ein verschärftes Polizeigesetz stimmen.«