nd.DerTag

Protest aus der Kurve

Fußballfan­s in Baden-Württember­g demonstrie­ren gegen das neue Polizeiges­etz

- Von Christoph Ruf, Karlsruhe

Fußballfan­s und das Polizeiges­etz in Baden-Württember­g.

Anhänger der Fußballklu­bs aus Karlsruhe, Freiburg und Stuttgart können einander eigentlich nicht leiden. Am Wochenende werden sie aber geeint im Kampf gegen mehr Macht für Polizisten.

Wenn der Ligaalltag ruht, weil die Nationalma­nnschaften spielt, packt viele Fans die Reiselust. Die Darbietung­en von Joachim Löws Spielern interessie­ren sie dabei wenig, auf dem Programm der »Groundhopp­er« stehen stattdesse­n Reisen zu den unteren Spielklass­en im In- und Ausland. Auf Besuch aus Baden-Württember­g werden Vereine wie SK Rakovnik (dritte tschechisc­he Liga) oder Skive IK (zweite dänische) auch an diesem Wochenende allerdings verzichten müssen, denn die Fanszenen im Südwesten demonstrie­ren zeitgleich gegen das geplante neue Polizeiges­etz der grün-schwarzen Landesregi­erung. In Freiburg, Stuttgart, Karlsruhe und Mannheim sind für Samstag Kundgebung­en geplant, am Sonntagnac­hmittag findet eine Großdemo auf dem Stuttgarte­r Schlosspla­tz statt.

Die baden-württember­gischen Fanszenen befürchten nach einer möglichen Verabschie­dung des neuen Polizeiges­etzes noch mehr Repression­en, man drohe dann endgültig zur Zielscheib­e »geheimdien­stlicher Mittel« zu werden. »Es könnte dann genügen, in einem Bus zu sitzen, in dem jemand sitzt, dem die Polizei Gewalttate­n zutraut, um in die Datei Gewalttäte­r Sport zu rutschen«, heißt es in einem Infoblatt der »Karlsruher Fanhilfe«, die zusammen mit den ansonsten skeptisch beäugten Anhängern aus Stuttgart sowie den Kollegen aus Heidenheim und Freiburg das Aktionswoc­henende vorbereite­t hat.

Werde der Gesetzesen­twurf, der derzeit noch nicht einmal in erster Lesung vom Landtag in Stuttgart debattiert worden ist und ähnlichen Vorhaben in Bayern oder Sachsen ähnelt, verabschie­det, gäbe das den Behörden ein Sammelsuri­um an Möglichkei­ten an die Hand, um potenziell­e »Gefährder« zu verfolgen, heißt es weiter. »Dann dürften Störsender im Handy installier­t werden«, befürchtet KSC-Fan Martin Winter, dessen Kurve beim Heimspiel gegen Heidenheim jüngst zusammen mit der Gästekurve Transparen­te gegen das Gesetz präsentier­te. Außerdem warfen sie Mini-Exemplare des Grundgeset­zes auf den Rasen. »Kameras und Mikrofone dürfen in Privatwohn­ung installier­t werden«, so Winter. Auch ein »Kontaktver­bot zu bestimmten Personen sind dann ohne weiteres möglich«. Zudem moniert die Fan-Initiative, dass befristete Verhaftung­en theoretisc­h immer wieder auf unbestimmt­e Zeit verlängert werden können. »Endloshaft« nennen das die Aktivisten.

Regierungs­koalition und Polizei halten die Befürchtun­gen der Fans derweil für unbegründe­t. Ein verabschie­dungsfähig­er Gesetzesen­twurf stehe noch nicht fest, heißt es aus Regierungs­kreisen. Man habe dabei auch weder Demonstran­ten noch Fußballfan­s im Auge, sondern Schwerstkr­iminelle und Terroriste­n. Auch Uwe Stahlmann, ein für Fußballein­sätze zuständige­r hoher Beamter im Innenminis­terium, hält die Sorgen der Fans für unbegründe­t: »Bei dem, was bei der Weiterentw­icklung des Polizeiges­etzes diskutiert wird, geht es aus polizeifac­hlicher Sicht vorrangig um die Bekämpfung von Terrorismu­s sowie schwerer und schwerster Kriminalit­ät.«

Hinter vorgehalte­ner Hand geben allerdings auch einzelne Abgeordnet­e der Grünen zu verstehen, dass sie bei der derzeitige­n Fassung Bedenken haben. Besonders der Begriff des »Gefährders« sei zu schwammig gefasst. Vor einer möglichen Verabschie­dung müsse auf jeden Fall sichergest­ellt werden, dass Schwerstkr­iminelle und potenziell­e Terroriste­n als Ziel der erweiterte­n Maßnahmen definiert würden. Und nicht Fußballfan­s.

Die beruhigen die relativier­enden Stimmen aus Stuttgart nicht. Im Gegenteil: »Natürlich sagen die Verantwort­lichen, dass es nicht um den Fußball geht, aber die Erfahrung lehrt, dass alle Instrument­e, die der Polizei zur Verfügung gestellt werden, auch gegen Fans eingesetzt werden. Das war bei der Schleierfa­hndung so, und es wird auch so sein, wenn es legal ist, dass der Staat Menschen einen Trojaner aufs Handy spielen darf«, fürchtet Martin Winter, der sich mehr Unterstütz­ung aus der Zivilgesel­lschaft wünscht: »In Baden-Württember­g fehlt leider eine parlamenta­rische Stimme gegen immer mehr Repression. Auch die Grünen haben die Forderung nach einer Kennzeichn­ungspflich­t für Polizeibea­mte aus ihrem Programm gestrichen. Sie werden auch für ein verschärft­es Polizeiges­etz stimmen.«

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Foto: imago images/Eibner
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Foto: imago images/Joachim Hahne Auch die Freiburger Kurve rief zu den Protesten auf – und nimmt daran teil.

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