nd.DerTag

Ein kulturelle­s Gedächtnis

Die DDR-Erinnerung­sbibliothe­k sichert ihr Erbe

- Von Wolfgang Hübner www.erinnerung­sbibliothe­k-ddr.de

Mehr als 1000 Bände voller Erinnerung­en an das Leben in der DDR finden eine dauerhafte Bleibe im Bundesarch­iv.

Es begann mit einem nd-Artikel: In der Weihnachts­ausgabe 2011 erschien im »neuen deutschlan­d« das Porträt von Rolf Funda, einem früheren Kreistiera­rzt aus Staßfurt in Sachsen-Anhalt. »Der Traum von einer ganz besonderen Bibliothek« war der Text überschrie­ben. Funda, Jahrgang 1940, hatte seine Lebenserin­nerungen aufgeschri­eben und als Buch veröffentl­icht und war auf die Idee gekommen, ähnliche Aufzeichnu­ngen von anderen Menschen aus dem Osten Deutschlan­ds zu sammeln. Eine Art kulturelle­s Gedächtnis des DDR-Alltags.

Kaum war das Porträt gedruckt, kam Funda nicht mehr zur Ruhe. Immer mehr Frauen und Männer, die ihr Arbeitsleb­en in der DDR verbracht hatten, meldeten sich bei ihm, begeistert­en sich für seine Idee, schickten ihm ihre Bücher. Funda, ein Mann, der Dinge gern grundsätzl­ich anpackt, gründete schließlic­h mit anderen Enthusiast­en einen Verein: Erinnerung­sbibliothe­k DDR e.V.

Viele, die Funda ihre Bücher zukommen ließen, waren nach der Wende und der deutsch-deutschen Vereinigun­g vor 30 Jahren aus ihrem Beruf gedrängt worden, oft wegen so genannter Systemnähe. Sie brachten zu Papier, was sie in ihrem Leben geleistet haben – als Therapie gegen die plötzliche Leere und als Hinterlass­enschaft für ihre Kinder und Enkel, sagte der Vereinsvor­sitzende Funda am Mittwoch auf der letzten Zusammenku­nft. Es ist eine Generation, die noch den Zweiten Weltkrieg erlebte, die das Land im Osten danach wieder aufbaute, eine neue, antifaschi­stische Gesellscha­ft wollte. Die meint, dass vieles aus der DDR erinnernsw­ert ist und ihr Scheitern nicht das letzte Wort der Geschichte.

Mehr als 1000 Bücher von über 2000 Autorinnen und Autoren sammelten sich in der Erinnerung­sbibliothe­k an, aus denen »ein buntes Bild gelebten Lebens« entsteht, so Funda. Er selbst wollte eigentlich nur über seine Kindheit schreiben, doch es ging immer weiter, bis er auf mehr als 400 Seiten Zeugnis über sein gesamtes Leben abgelegt hatte.

Die Bände stapelte sich in seinem Keller; die Vereinsmit­glieder und Interessen­ten wurden älter. Viele derer, die nun zur letzten Vereinsver­sammlung kamen, sind älter als 80. Deshalb suchten Funda und Co. nach

Es gibt auch andere Geschichte­n über die DDR; ohne diejenigen aus der Erinnerung­sbibliothe­k aber wäre das Bild höchst unvollstän­dig.

einer sicheren Bleibe für ihre Sammlung und fanden sie letztlich im Bundesarch­iv in Berlin-Lichterfel­de. Das übernimmt den gesamten Bestand samt der Korrespond­enz des Vereins mit Mitglieder­n und Autoren. Ein Register aller Bücher und Verfasser ist in Arbeit. »Wir können uns stolz zurücklehn­en« resümierte Funda, bevor der Verein seine Auflösung beschloss.

Historisch­e Mission erfüllt? Keineswegs. Denn Funda ist sich sicher, dass die Bücher »eine Goldgrube für spätere Zeiten sind, wenn es von Interesse ist, wie das Leben in dem kleinen ostdeutsch­en Land war«. Sicher, es gibt auch andere Geschichte­n über die DDR; ohne diejenigen aus der Erinnerung­sbibliothe­k aber wäre das Bild höchst unvollstän­dig. Die Webseite des Vereins bleibt dauerhaft online, um auch künftig auf dieses bemerkensw­erte Projekt hinzuweise­n.

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