Werbespot(t)
Netzwoche
Alle Räder stehen still ... Dazu bedarf es heut’ nicht mehr eines Lokfahrerstreiks. Auch keiner kleinen, unschuldigen Schneeflocke, die sich auf ein Gleis verirrt. Witterungsbedingt sind Bahn- und Busausfälle eher selten. Die häufigsten Gründe sind technische Störungen, Baustellen sowie Unfälle mit todessüchtigen Auto- und Zweiradfahrern. Berlin ist sicher nicht die einzige deutsche Großstadt, in der sich die Bürger an Haltestellen die Beine in den Bauch stehen. Bewundernswert ist aber, wie gelassen Spree-Athener die tägliche Pein in Kauf nehmen. Kaum hört oder sieht man jemanden schimpfen und toben, die BVG verfluchen. Die Hauptstädter beweisen seelische Größe, stoisches Gemüt.
Die danken es mit lustigem Werbespot(t). Wer ist nicht besänftigt, der morgens auf dem Weg zur Arbeit die Tram plötzlich verlassen muss – weil sie, weshalb auch immer, nicht mehr weiterzuckeln kann –, mit dem kecken Spruch »Niemand hat die Absicht, zu spät zu kommen« verabschiedet wird? Nett auch, wenn auf die feucht-fröhliche Verheißung auf der Karosserie »Einer geht noch, einer geht noch rein« die Durchsage folgt: »Alle aussteigen!« Und was soll’s, wenn die »Highway to Hellersdorf« schon in der Leninallee, sorry: Landsberger, verendet. – »Weil wir dich lieben«, verkün
Berliner Verkehrsbetriebe
det die BVG off- und online, auf Facebook, Instagram, Twitter und Youtube. Da ist jeder »Ossi« sofort umgarnt, fühlt sich wohlig an die »guten, alten Zeiten« erinnert, als Erich Mielke in der Volkskammer verkündete: »Ich liebe doch alle, alle Menschen.«
Die BVG-Werbekampagne umschwirrt heftiges Gezwitscher. Ein kleiner Deibel, twittert: »Fahr’n Se BVG. Immer ein Dufterlebnis.« Das angehängte Video zeigt eine junge Frau mit Gasmaske.
kommentiert sein Handyvideo, gedreht durch sperrangeloffene U-Bahn-Tür bei schwindelerregend vorbeirauschenden Tunnelwänden: »BVG startet wohl Pilotprojekt an U 8 in Berlin für den nächsten Sommer. So wird das Klimapaket schon umgesetzt. Fahren ohne Klimaanlage.« Vollstes Verständnis dafür, dass »aufgrund hohen Fahrgastaufkommens der Zugverkehr auf der U 6 zurzeit unregelmäßig« ist, hat @ »Konnte ja auch niemand damit rechnen, dass Menschen mit der U-Bahn fahren wollen.« Und es freut sich auch @ »Verrückt. Ein Bus mit USB-Port. Und das in Berlin. Auch noch im Osten von Berlin.« Frustriert ist @
»320 Mio für 3 Stationen reingeballert, aber die Rolltreppe funktioniert dennoch nicht.« Wie es sich für eine Metropole, zumal Deutschlands Hauptstadt, gehört, ist die BVG multilingual. Für alle Berliner, die des Englischen nicht mächtig sind, transkribiert die Entschuldigung für erneute Zugverspätung: »Wie Apollodscheiss ...« Auf diesen Zug ist das Unternehmen längst aufgesprungen; auf der Homepage lässt es wissen: »Sänk ju for träwelling wis Berliner Verkehrsbetriebe.«
Merkwürdig, dass es keine Kommentare zu einem derzeit an Haltestellen klebenden Plakat gibt, das einen schwarze Mann im feinen Frack zeigt, darunter die Worte: »Wie du in den Club reinkommst, wissen wir nicht, aber wie du heimkommst.«
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