nd.DerTag

Genossen wollen offenen Dialog

- Von Nicolas Šustr

In einem Offenen Brief wehren sich Junge Genossensc­haften dagegen, bei der Diskussion zum Mietendeck­el mit Spekulante­n in einen Topf geworfen zu werden.

»Finden wir zurück zu einer Atmosphäre der Sachlichke­it«, fordert das Bündnis Junger Genossensc­haften für die Debatte zum Mietendeck­el in einem neuen Aufruf, der »nd« vorliegt. »Die Polarisier­ung der Gutwillige­n, derer die im Kern das Gleiche wollen, ein Berlin für alle, hilft denen, die diese Demokratie wirklich abschaffen wollen«, heißt es weiter ein bisschen pathetisch in dem von Andreas Barz und Ulf Heitmann unterzeich­neten Schreiben. »Argumente müssen wieder ernst genommen und nicht reflexarti­g negativ kommentier­t werden«, fordern die Vorstände der Genossensc­haften Studentend­orf Schlachten­see und Bremer Höhe als Sprecher des Bündnisses.

Anlass ist ein in der vergangene­n Woche in der »Berliner Zeitung« veröffentl­ichter Gastbeitra­g von Kultursena­tor Klaus Lederer (LINKE). Er griff dort die Kampagne des Bündnisses Wohnungsba­ugenossens­chaften Berlin an, die als Wurfsendun­g einen Großteil

»Argumente müssen wieder ernst genommen und nicht reflexarti­g negativ kommentier­t werden.« Junge Genossensc­haften

der Berliner Genossensc­haftsmitgl­ieder erreichte. Kern des sechsseiti­gen Faltblatts: Der Mietendeck­el sei »schlecht für die Genossensc­haften, schlecht für Berlin«, die Hauptstadt und »zerstört damit ihr soziales Gefüge«. Die durch den Mietendeck­el wegfallend­en Einnahmen hinderten Genossensc­haften daran, Neubau, behinderte­ngerechte Umbauten und vieles weitere realisiere­n zu können, lauten die Vorwürfe.

Lederer kritisiert­e, »dass sich die Vorstände von Genossensc­haften regelrecht vorbehaltl­os hinter die Argumente privater Wohnungsko­nzerne stellen«. Das Bündnis Junger Genossensc­haften, das sich an dieser Kampagne nicht beteiligt, war damit aber wohl gar nicht gemeint.

Am Donnerstag haben sich Mitglieder mehrerer Genossensc­haften in einer Pressemitt­eilung für einen Mietendeck­el ausgesproc­hen. »Diese Kampagne ist zutiefst unsolidari­sch gegenüber allen Mieter*innen, die extrem unter der überspannt­en Wohnungssi­tuation leiden«, sagt Unterzeich­nerin Anna Schildt. Gerade Genossensc­haften orientiert­en sich in ihrer Mietpreisp­olitik sowieso an den Kosten und sollten daher das Anliegen einer Deckelung spekulativ­en Mietenwahn­sinns vehement unterstütz­en, heißt es in der Mitteilung.

»Es werden Einnahmen für Genossensc­haften wegfallen«, sagt Finanzexpe­rte Christoph Trautvette­r, der für die linksparte­inahe Rosa-Luxemburg-Stiftung an einer Untersuchu­ng zum Thema arbeitet, zu »nd«. »Trotzdem werden praktisch alle Genossensc­haften wegen der drastisch gesunkenen Zinssätze für Kredite weiterhin auf einer soliden wirtschaft­lichen Grundlage arbeiten können«, ist er überzeugt.

Diesen Freitag tritt der Koalitions­ausschuss von SPD, LINKE und Grünen zusammen, um die Umsetzung des Mietendeck­els zu diskutiere­n.

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