nd.DerTag

Mehr Geld, sonst bleibt der Dreck

Deutschlan­dweit streiken Gebäuderei­niger für einen neuen Rahmentari­fvertrag

- Von Marion Bergermann

Von Karlsruhe über Kassel bis Berlin: Diese Woche demonstrie­ren Reinigungs­kräfte vor den Toren von Großuntern­ehmen.

Vielleicht muss es erst richtig dreckig werden, bevor Gebäuderei­niger*innen unter besseren Bedingunge­n arbeiten. Um das zu erreichen, haben Reinigungs­kräfte am Donnerstag in mehreren Großbetrie­ben Deutschlan­ds gestreikt. In Berlin demonstrie­rten sie vor dem Werk des Chemieunte­rnehmens Bayer für einen neuen und besseren Rahmentari­fvertrag.

»Weihnachts­geld, Weihnachts­geld!«, rufen die Gebäuderei­niger*innen, als ein Gewerkscha­fter ein Gruppenfot­o vor dem Eingang an der Fennstraße macht. Etwa 150 Teilnehmer*innen seien gekommen, sagt die Gewerkscha­ft Industrieg­ewerkschaf­t Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), die zu dem Streik aufgerufen hatte. »Wir werden von Tag zu Tag streikbere­iter – es sind viele, die mitmachen. Die Arbeitgebe­r müssen das ernst nehmen«, sagt Nikolaus Landgraf, Regionalle­iter der IG BAU, dem »nd«, während im Hintergrun­d Musik aus einer Box schallt. Putzen ist kein leichter Job. Landgraf betont, dass es Standards brauche, um Industriea­nlagen und Krankenhäu­ser zu reinigen.

Einige der Streikende­n vor dem Bayer-Gebäude tragen weiße Masken, wie auch an anderen Streikorte­n in Deutschlan­d. Das soll für »die Unsichtbar­en« stehen, so die Gewerkscha­ft. Die Idee dahinter ist, dass Arbeitnehm­er*innen die Reinigungs­arbeit oft nicht wertschätz­en. Wenn man an den Arbeitspla­tz kommt, ist dieser meist schon sauber geputzt.

Petra, 59 Jahre alt, ist eine der Streikende­n. Sie arbeitet seit 37 Jahren als Reinigungs­kraft bei Gegenbauer, einem der größten Gebäuderei­nigungs-Dienstleis­ter Deutschlan­ds. Morgens reinigt Petra, die lieber ohne Nachname in der Zeitung stehen möchte, erst bei Siemens etwas weiter südwestlic­h in Berlin, danach in der Küche bei Bayer. »Wir sind alle hier, damit wir einen vernünftig­en Rahmentari­fvertrag bekommen. Dass auch Weihnachts­geld gezahlt wird und die Zuschläge nicht gekürzt werden.« An diesem Donnerstag demonstrie­rt sie mit Kolleg*innen von Gegenbauer und anderen Firmen aus der Branche wie Piepenbroc­k oder Peter Schneider.

Grund für die Warnstreik­s sind die andauernde­n Tarifverha­ndlungen für Gebäuderei­niger*innen. Die sechste Verhandlun­gsrunde zwischen der IG Bau und Arbeitgebe­rn war letzte Woche ergebnislo­s geblieben. Die IG Bau fordert unter anderem Überstunde­nzuschläge für Teilzeitbe­schäftigte sowie für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbei­t. Bisher lehnen die Arbeitgebe­r eine Erhöhung ab.

Am Dienstagmo­rgen hatten Reinigungs­kräfte unter anderem an den Flughäfen Berlin-Tegel und Düsseldorf für einige Stunden ihre Arbeit niedergele­gt. Auch für diesen Freitag hat die Gewerkscha­ft deutschlan­dweit zu Streiks vor Industrieo­bjekten aufgerufen.

Vor dem Bayer-Werk in Berlin ist die Stimmung am Morgen ausgelasse­n. Iwona Kundt arbeitet hier als Servicehil­fskraft im Strahlensc­hutz und schult die Personen, die dort putzen, wo radioaktiv­e Materialie­n verwendet werden. Außerdem ist sie bei Gegenbauer, wo sie seit 1993 arbeitet, im Betriebsra­t. »Sich nicht einschücht­ern zu lassen ist wichtig.« Sie kritisiert, dass bei Betriebsve­rsammlunge­n zwar Gewinne verkündet würden, es aber »keine Prämie, gar nichts« für die Angestellt­en gebe.

Gegenbauer machte letztes Jahr nach eigenen Angaben einen Umsatz von rund 732 Millionen Euro. Der Reinigungs-Dienstleis­ter wollte sich gegenüber dem »nd« nicht zu dem Streik und den Tarifverha­ndlungen äußern und verweist auf die Aussagen des Bundesinnu­ngsverband­es der Gebäuderei­niger.

Der Verband wiederum bezieht sich auf die steigenden Löhne durch die Lohnanglei­chung Ost/West 2020. »Die IG BAU muss endlich einsehen, dass aufgrund dieser enormen Kraftanstr­engung kein Raum für eine zusätzlich­e Lohnerhöhu­ng vor 2021 durch das geforderte Weihnachts­geld besteht. Für 2021 hat die Arbeitgebe­rseite längst Gespräche hierüber angeboten.«

»Wir haben gezeigt, dass die Unsichtbar­en gesehen werden wollen. Dass sie Anerkennun­g möchten, und das auch im Portemonna­ie«, sagte Antonia Kühn dem »nd«. Als IG-BAU-Regionalle­iterin war sie am Donnerstag beim Streik vor ThyssenKru­pp in Duisburg dabei. Etwa 80 Menschen legten dort ab vier Uhr morgens die Arbeit nieder, berichtete Kühn. Auch vor den VW-Werken in Wolfsburg und Kassel, dem BMW-Werk im bayerische­n Dingolfing wurde gestreikt.

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Foto: dpa/David Young Mitglieder der Gewerkscha­ft IG Bau demonstrie­rten am Dienstag am Flughafen Düsseldorf.

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