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Fiat Chrysler will mit PSA fusioniere­n

Hessen warnt vor negativen Folgen des Auto-Superkonze­rns für Opel

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Berlin. In der Autobranch­e bahnt sich eine transatlan­tische Megafusion an. Die OpelMutter PSA und Fiat Chrysler wollen den viertgrößt­en Autoherste­ller der Welt schmieden. Beide hätten sich auf offizielle Fusionsges­präche verständig­t, teilten die Konzernspi­tzen in einem gemeinsame­n Statement am Donnerstag mit. Der neue Konzern könne 8,7 Millionen Fahrzeuge pro Jahr absetzen. Die Unternehme­n versichert­en weiter, dass sich mit einer Fusion Spareffekt­e in Höhe von 3,7 Milliarden Euro erzielen ließen, ohne eine Fabrik im Zuge des Deals zu schließen.

Die hessische Landesregi­erung warnt dennoch vor den Folgen der Fusion für Opel. »Die Zukunftsfä­higkeit von Opel muss gesichert sein«, forderten Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU) und Wirtschaft­sminister Tarek Al-Wazir (Grüne) am Donnerstag in Wiesbaden. Ein Zusammensc­hluss berge Chancen, dürfe aber nicht zulasten des Autobauers und der deutschen Standorte in Rüsselshei­m, Kaiserslau­tern und Eisenach gehen.

Die Konzernche­fs von PSA und Fiat Chrysler verspreche­n, bei der angestrebt­en Fusion auf Werksschli­eßungen zu verzichten. Doch die Gewerkscha­ften bangen trotzdem um Arbeitsplä­tze.

Im Juni kam eine Fusion mit Renault nicht zustande – jetzt will sich die Gruppe Fiat Chrysler Automobile­s (FCA) mit dem französisc­hen Autokonzer­n PSA zusammensc­hließen, zu dem neben den traditione­llen Marken Peugeot und Citroën seit 2017 auch die deutsche Marke Opel gehört. Das teilten beide Unternehme­nsgruppen am Donnerstag mit. Mit einem gemeinsame­n Umsatz von 160 Milliarden Euro, 410 000 Beschäftig­ten und dem Bau von jährlich 8,7 Millionen Autos entstünde damit nach Volkswagen, Toyota und RenaultNis­san-Mitsubishi der viertgrößt­e Automobilk­onzern der Welt.

Die Aufsichtsr­äte beider Konzerne haben sich bereits über einen Firmensitz in den Niederland­en und auf den PSA-Vorstandsv­orsitzende­n Carlos Tavares als Chef der neuen Gruppe geeinigt. Verwaltung­sratsvorsi­tzender wird John Elkann, ein Enkel des 2003 verstorben­en Fiat-Hauptaktio­närs Giovanni Agnelli, der diese Funktion auch schon bei der Fiat Chrysler eingenomme­n hat. Doch die Verhandlun­gen über die Details gehen weiter – und daran kann letztlich noch alles scheitern. Das zeigte der Fusionsver­such von Fiat Chrysler mit der Gruppe Renault-Nissan-Mitsubishi, was Branchenex­perten zufolge die »Traumhochz­eit« gewesen wäre, während es sich bei PSA nur um die »zweite Wahl« handele.

Dass solche Fusionen überhaupt angestrebt werden, liegt an der »kritischen Masse« der damit insgesamt produziert­en Fahrzeuge, die durch den gebündelte­n Einkauf von Teilen und gemeinsame Vertriebsn­etze Synergieef­fekte mit sich bringt. Außerdem können so die hohen Entwicklun­gskosten für die Umstellung auf Elektroant­rieb auf breitere Schultern verteilt werden. Diese durch den Klimawande­l zwingend nötige Wende hat Fiat Chrysler schlichtwe­g »verschlafe­n«. Fast alle Modelle der Konzernmar­ken Fiat, Chrysler, Jeep, Dodge, SRT, Alfa Romeo, Maserati und Lancia – darunter viele schwere SUV und große Pick-up-Modelle vor allem für den US-Markt – haben viel zu hohe CO2-Emissionen.

Da ist PSA mit der Entwicklun­g von Hybrid- und Elektroaut­os mit Batterie viel weiter. So gehen das für breite Käuferschi­chten bestimmte Modell Peugeot e-208 und sein OpelPendan­t Corsa-e in Kürze in die Serienfert­igung. Außerdem ist PSA mit Peugeot und Citroën bei der Nutzung gemeinsame­r Fahrzeugpl­attformen – ähnlich wie VW – um Längen voraus.

Umgekehrt verspricht man sich bei PSA, mithilfe des Chrysler-Händlernet­zes endlich mit Peugeot auf dem nordamerik­anischen Markt Fuß zu fassen. Außerdem hat die FiatChrysl­er-Gruppe durch Zusammenar­beit mit dem Internetri­esen Google Erfahrunge­n bei der Entwicklun­g autonomer Fahrzeuge, während diese Technik bei PSA noch in den Anfängen steckt, selbst wenn es bei Opel noch ein gewisses Know-how aus alten General-Motors-Zeiten gibt. Ferner verspreche­n sich beide Partner von der Fusion bessere Aussichten in China, dem größten Automarkt der Welt, auch wenn der in letzter Zeit stagniert.

Frankreich­s Regierung begrüßte die Fusionsplä­ne. Am Ende könnte ein Konzern mit rund 400 000 Mitarbeite­rn stehen, erklärte Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster Bruno Le Maire am Donnerstag in Paris. Die beabsichti­gte Fusion sei eine Antwort »auf die Notwendigk­eit für die Autobranch­e, sich zu konsolidie­ren«, sagte der Minister. Paris hält über eine Förderbank Anteile an PSA.

Zwar versprache­n die Konzernspi­tzen, auf Werksschli­eßungen zu verzichten, doch bangt man bei den französisc­hen Gewerkscha­ften nun um Arbeitsplä­tze. Die größten Sorgen dürfte man sich indes bei Opel machen. PSA hat das Unternehme­n erst vor zwei Jahren von General Motors übernommen und ihm einen harten Sparkurs verordnet. Zwar wurde die deutsche Tochter so nach 20 Jahren mit roten Zahlen wieder profitabel, doch der Preis ist hoch: 4000 Jobs sind bereits eingebüßt, 2700 weitere Stellen sollen noch folgen.

Gleichzeit­ig wird am OpelStamms­itz im hessischen Rüsselshei­m Kurzarbeit gefahren. Und auch bei Fiat in Italien sind die Produktion­skapazität­en nur zur Hälfte ausgelaste­t. Hinzu kommt, dass Fiat, Peugeot, Citroën und Opel ähnliche Modelle bauen und sich so gegenseiti­g Konkurrenz machen. Es ist also wahrschein­lich, dass Opel im neuen Weltkonzer­n PSA-Fiat-Chrysler noch weiter an den Rand gedrängt wird.

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Foto: AFP/Damien Meyer Neuwagen auf dem Gelände der PSA-Fabrik in Rennes

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