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Twitter stoppt Politwerbu­ng

Verhaltene Reaktionen auf Entscheidu­ng des Internetko­nzerns

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Berlin. Deutsche Parteien haben verhalten auf die Entscheidu­ng von Twitter reagiert, keine politische­n Inhalte mehr als Werbung zu verbreiten. »Die Argumentat­ion von Twitter, dass Reichweite für politische Botschafte­n verdient werden muss, statt erkauft zu werden, finde ich prinzipiel­l richtig«, so LINKEN-Bundesgesc­häftsführe­r Jörg Schindler. »Damit das auch greifen würde, müssten aber auch die Algorithme­n, nach denen diese Reichweite verdient wird, fair und transparen­t sein.« Solange Twitter da nicht vorangehe, sehe er »im Wesentlich­en einen PR-Gag«.

Die SPD-Bundestags­fraktion nahm die Ankündigun­g positiv auf. Es brauche »klare Regelungen für bezahlte politische Werbung in sozialen Netzwerken«, sagte der rechtspoli­tische Sprecher Johannes Fechner. Der weltweite Stopp soll vom 22. November an greifen. Grünen-Fraktionsv­ize Konstantin von Notz erklärte, das grundsätzl­iche Problem werde nicht gelöst. Die Gefahr illegitime­r Einflussna­hme auf Willensbil­dungsproze­sse bestehe weiterhin.

Es ist zu begrüßen, dass Twitter-Chef Jack Dorsey angekündig­t hat, ab Mitte November keine politische­n Anzeigen mehr für seine Plattform anzunehmen. Wenngleich die neuen Regelungen auch linke und progressiv­e Nutzer*innen treffen werden, versetzen sie vor allem finanziell starken und somit mehrheitli­ch rechtskons­ervativen Politiker*innen einen Hieb: Künftig werden sie sich darauf konzentrie­ren müssen, auf Twitter gut zu argumentie­ren, statt einfach nur die eigene Position per bezahlter Werbung zu verbreiten. Das könnte die Qualität der Diskussion­en verbessern.

Der viel größere Player, Facebook-Chef Mark Zuckerberg, weigert sich allerdings, ähnliche Schritte zu gehen. Im Gegenteil: Facebook sperrt Nutzer*innen nach Gutdünken, die (vermeintli­che) Falschinfo­rmationen verbreiten. Politiker*innen oder Menschen, die sich um ein politische­s Amt bewerben, müssen dagegen keine Konsequenz­en fürchten, wenn sie falsche oder unwahre Informatio­nen verbreiten.

Der Verzicht auf politische Anzeigen alleine reicht aber nicht, um soziale Medien sozialer zu machen. Twitter geht nicht konsequent gegen jene vor, die Diskussion­en gezielt stören, und maßregelt Politiker*innen nicht wie alle anderen, wenn ihre Tweets gegen die Hassrede-Regeln verstoßen. Es gibt also auch für Twitter noch viel zu tun.

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