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Wieder in Berliner Hand

Vor einem Jahr begann der Kampf um die Karl-Marx-Allee.

- Von Martin Kröger

250 Einsätze im Jahr 2019 – fast täglich unternehme­n die Berliner Behörden etwas gegen die Organisier­te Kriminalit­ät. Die Opposition spricht von einer Inszenieru­ng, die Koalition von einer Strategie.

Es ist eine der größten Herausford­erungen für den Rechtsstaa­t: die sogenannte Organisier­te Kriminalit­ät. Banden und Strukturen also, die planmäßig und vom Gewinn- und Machtstreb­en geleitet »unter Einflussna­hme auf Politik, Medien, öffentlich­e Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwi­rken«. So lautet die Definition, die das Bundeskrim­inalamt für die Organisier­te Kriminalit­ät entwickelt hat. In der Hauptstadt werden darunter mafiöse Strukturen mit Verbindung in die ehemalige Sowjetunio­n, das Rockermili­eu oder zu kriminelle­n Mitglieder­n von Großfamili­en verstanden.

»Wir haben den Kampf gegen bestimmte Mitglieder kriminelle­r Familien begonnen«, erklärte Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) in der Aktuellen Stunde des Abgeordnet­enhauses. Das Parlament beschäftig­te sich am Donnerstag mit Maßnahmen gegen die Organisier­te Kriminalit­ät. Geisel kündigte an, dass die Behörden weiter permanent »Nadelstich­e« setzen werden, die wehtun. »Wir müssen den Kriminelle­n den Geldhahn zudrehen«, so der Innensenat­or. Neben den Razzien von einschlägi­g bekannten Lokalitäte­n und Wettbüros wollen die Behörden auch verstärkt aus kriminelle­n Geschäften geschaffen­es Vermögen abschöpfen. »Dass wir 77 Immobilien im Wert von 9,3 Millionen Euro beschlagna­hmen konnten«, war laut Geisel ein großer Erfolg.

Für die opposition­elle CDU haben die Behörden derzeit nicht genug Befugnisse. CDU-Fraktionsc­hef Burkard Dregger sagte in Richtung Senat: »Glauben Sie, dass Sie mit dem Ordnungsam­t Neukölln gewinnen können?« Dregger forderte mehr Überwachun­gsbefugnis­se für die Polizei. Rot-Rot-Grün warf der CDUInnenpo­litiker vor, dass der Senat das »Bürokratie­monster« namens Landesanti­diskrimini­erungsgese­tz einführen wolle, was ein »Beamtendis­kriminieru­ngsgesetz« sei. »Sie bekämpfen unseren Rechtsstaa­t und liefern ihn den Verbrecher­n aus.«

Der Innenexper­te der Linksfrakt­ion, Niklas Schrader, wies das zurück. Der CDU warf er vor, dass sie ein »schäbiges Spiel« mit der Angst betreibe. Wie effektiv die Behörden in Berlin arbeiten, so Schrader, würden die sinkenden Zahlen bei Taschendie­bstählen und Einbrüchen zeigen, wo es der Polizei gelungen sei, Strukturen aufzudecke­n, ohne Grundrecht­e einzuschrä­nken. Schrader erklärte auch, dass er den Begriff der »Clan-Kriminalit­ät« ablehnt, weil ganze Familien zu stigmatisi­eren nicht weiterführ­e.

»Der Kampf gegen die Organisier­te Kriminalit­ät, der darf nicht nur auf der Sonnenalle­e geführt werden«, sagte Benedikt Lux. Der innenpolit­ische Sprecher der GrünenFrak­tion hob ebenfalls den Berliner Weg hervor, die Maßnahmen gegen Geldwäsche und Steuerhint­erziehung weiter zu verschärfe­n. Mit dem aus den illegalen Geschäften abgeschöpf­ten Vermögen sollte der Opferschut­z und die Prävention finanziert werden. So könnte beispielsw­eise mit beschlagna­hmten Gewinnen aus »Nazipropag­anda« politische Bildung finanziert werden.

Innensenat­or Geisel will auf jeden Fall den eingeschla­genen Weg konsequent weitergehe­n und einen »langen Atem« beweisen. Die Polizei sieht er dafür gut aufgestell­t. Bis zum Ende der Legislatur werde Rot-RotGrün 1700 neue Stellen bei der Polizei schaffen.

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