Weniger Mao und Deng, mehr Xi
Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas stärkt die ideologische Lehre des Präsidenten
In Peking findet die wichtigste politische Sitzung des Landes statt. Die Tagung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei bestimmt die politische und wirtschaftliche Stoßrichtung Chinas.
Die wichtigste politische Sitzung des Landes ist am Donnerstagabend zu Ende gegangen. Nach der vierten Tagung des 19. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei in Peking veröffentlichte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua eine Abschlusserklärung in gewohnt vagem Duktus: Die Kommunistische Partei sei mit einer »zunehmend komplizierten Situation und deutlich gestiegenen Herausforderungen sowohl im In- als auch im Ausland« konfrontiert. Man werde Versuche unternehmen, die marktbasierte Wirtschaft zu verbessern, gleichzeitig den Sozialismus hochzuhalten und das Rechtssystem in Hongkong »zum Schutz der nationalen Sicherheit« zu optimieren. Im Gegensatz zu vielen Spekulationen hat die Partei keine personellen Veränderungen bekannt gegeben.
Insgesamt 370 Delegierte kamen von Montag bis Donnerstag im Jingxi Hotel im Westen Pekings zusammen. Selbstverständlich fanden die Diskussionen ausnahmslos hinter verschlossenen Türen statt. Selbst einheimischen Journalisten blieb der Zugang verwehrt. Die Teilnehmer des Plenums durften bis zuletzt den Tagungsort nicht verlassen, um Informations-Leaks zu verhindern.
Offiziell drehte sich die Sitzung des Zentralkomitees um die Verbesserung des »sozialistischen Systems chinesischer Prägung«; eine Worthülle in der verblümten Sprache der staatlichen Medien, deren Substanz erst in den kommenden Tagen und Wochen erkennbar wird. Doch vor allem debattiert das Zentralkomitee sämtliche dringliche Themen – vom Handelsstreit mit den USA bis zu der mittlerweile seit fünf Monaten anhaltenden Protestbewegung in Hongkong.
Besonders der Handelsstreit dürfte die Agenda des Plenums bestimmt haben. Zwar hält Washington weiterhin an einer möglichen Einigung des Konflikts noch im November fest, doch die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle auf chinesische Produkte bestehen weiter. Die kontroversen Diskussionen, wie China im Handelsstreit taktisch mit den USA agieren sollte, machen viele Experten auch für den ungewöhnlich späten Zeitpunkt der Tagung des Zentralkomitees verantwortlich. Das letzte Plenum liegt bereits über anderthalb Jahre zurück – es ist die längste Pause seit 1978.
Auch intern steht Xi Jinping vor schwierigen Herausforderungen: Die chinesische Wirtschaft ist im vergangenen Jahr um 6,6 Prozent gewachsen – der niedrigste Anstieg seit 28 Jahren. In den ersten drei Quartalen 2019 sank der Wert noch weiter auf 6,2 Prozent. Auch Hongkong veröffentlichte am Donnerstag seine Wirtschaftszahlen für das dritte Quartal: Das Bruttoinlandsprodukt ist demnach um satte 2,9 Prozent geschrumpft, die Sonderverwaltungszone trat damit inmitten der seit fünf Monaten anhaltenden Protestbewegung in eine Rezession.
Das »Wall Street Journal« hatte im Vorfeld berichtet, dass die Parteikader in Peking über eine neue Industriepolitik beraten werden, die ausländischen Unternehmen einen besseren Zugang zum chinesischen Markt erlauben soll. Bestätigt ist das freilich nicht. Voraussichtlich jedoch wird das Plenum die Machtfülle in den Händen des Staatspräsidenten Xi Jinping weiter zentralisieren. Er gilt als einflussreichster Regierungschef Chinas seit Mao Zedong.
In der Vergangenheit haben Tagungen des Zentralkomitees immer wieder die Stoßrichtung des Landes vorgegeben: 1978 etwa hat das damalige Staatsoberhaupt Deng Xiaoping seine Wirtschaftsreformen eingeführt, die das Land letztlich von einer bitterarmen zentralen Planwirtschaft zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt geführt haben. 2015 folgte erneut eine gesellschaftliche Öffnung, nachdem das Zentralkomitee unter anderem die rigide EinKind-Politik des Landes gelockert hat. Im letzten Jahr schließlich hat die Partei die formale Begrenzung von Xi Jinpings Amtszeit aufgehoben – und ihn de facto zum Staatschef auf Lebenszeit ernannt.
Am Sonntag hat das Zentralkomitee bereits umfangreiche »moralische Richtlinien« für seine Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen ausgegeben. Diese umfassen fast alle gesellschaftlichen Bereiche von der elterlichen Erziehung bis hin zu sozialen Etiketten. Das Dokument sieht unter anderem vor, dass Chinesen sich höflich und zivilisiert verhalten, patriotische Werte vertreten und auch im Ausland »Chinas Ehre verteidigen« sollen. Der vielleicht wichtigste Punkt: Die ideologische Lehre Xi Jinpings wird als moralischer Kompass für die chinesische Bevölkerung hervorgehoben. Viele Bezüge zu anderen historischen Staatschefs wie Mao Zedong und Deng Xiaoping wurden hingegen gestrichen.
Das erste Mal seit 20 Monaten tagt das Zentralkomitee der KP Chinas wieder. Neben dem Handelsstreit mit den USA und der abschwächenden Wirtschaft dürften vor allem die seit fünf Monaten anhaltenden Proteste in Hongkong Thema sein. Die will die Regierung mit einem Wohnungsprogramm beruhigen.
In der Vergangenheit haben Tagungen des Zentralkomitees immer wieder die Stoßrichtung des Landes vorgegeben: 1978 etwa hat das damalige Staatsoberhaupt Deng Xiaoping seine Wirtschaftsreformen eingeführt, 2015 wurde die rigide Ein-KindPolitik des Landes gelockert.