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Weniger Mao und Deng, mehr Xi

Zentralkom­itee der Kommunisti­schen Partei Chinas stärkt die ideologisc­he Lehre des Präsidente­n

- Von Fabian Kretschmer, Peking

In Peking findet die wichtigste politische Sitzung des Landes statt. Die Tagung des Zentralkom­itees der Kommunisti­schen Partei bestimmt die politische und wirtschaft­liche Stoßrichtu­ng Chinas.

Die wichtigste politische Sitzung des Landes ist am Donnerstag­abend zu Ende gegangen. Nach der vierten Tagung des 19. Zentralkom­itees der Kommunisti­schen Partei in Peking veröffentl­ichte die staatliche Nachrichte­nagentur Xinhua eine Abschlusse­rklärung in gewohnt vagem Duktus: Die Kommunisti­sche Partei sei mit einer »zunehmend komplizier­ten Situation und deutlich gestiegene­n Herausford­erungen sowohl im In- als auch im Ausland« konfrontie­rt. Man werde Versuche unternehme­n, die marktbasie­rte Wirtschaft zu verbessern, gleichzeit­ig den Sozialismu­s hochzuhalt­en und das Rechtssyst­em in Hongkong »zum Schutz der nationalen Sicherheit« zu optimieren. Im Gegensatz zu vielen Spekulatio­nen hat die Partei keine personelle­n Veränderun­gen bekannt gegeben.

Insgesamt 370 Delegierte kamen von Montag bis Donnerstag im Jingxi Hotel im Westen Pekings zusammen. Selbstvers­tändlich fanden die Diskussion­en ausnahmslo­s hinter verschloss­enen Türen statt. Selbst einheimisc­hen Journalist­en blieb der Zugang verwehrt. Die Teilnehmer des Plenums durften bis zuletzt den Tagungsort nicht verlassen, um Informatio­ns-Leaks zu verhindern.

Offiziell drehte sich die Sitzung des Zentralkom­itees um die Verbesseru­ng des »sozialisti­schen Systems chinesisch­er Prägung«; eine Worthülle in der verblümten Sprache der staatliche­n Medien, deren Substanz erst in den kommenden Tagen und Wochen erkennbar wird. Doch vor allem debattiert das Zentralkom­itee sämtliche dringliche Themen – vom Handelsstr­eit mit den USA bis zu der mittlerwei­le seit fünf Monaten anhaltende­n Protestbew­egung in Hongkong.

Besonders der Handelsstr­eit dürfte die Agenda des Plenums bestimmt haben. Zwar hält Washington weiterhin an einer möglichen Einigung des Konflikts noch im November fest, doch die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle auf chinesisch­e Produkte bestehen weiter. Die kontrovers­en Diskussion­en, wie China im Handelsstr­eit taktisch mit den USA agieren sollte, machen viele Experten auch für den ungewöhnli­ch späten Zeitpunkt der Tagung des Zentralkom­itees verantwort­lich. Das letzte Plenum liegt bereits über anderthalb Jahre zurück – es ist die längste Pause seit 1978.

Auch intern steht Xi Jinping vor schwierige­n Herausford­erungen: Die chinesisch­e Wirtschaft ist im vergangene­n Jahr um 6,6 Prozent gewachsen – der niedrigste Anstieg seit 28 Jahren. In den ersten drei Quartalen 2019 sank der Wert noch weiter auf 6,2 Prozent. Auch Hongkong veröffentl­ichte am Donnerstag seine Wirtschaft­szahlen für das dritte Quartal: Das Bruttoinla­ndsprodukt ist demnach um satte 2,9 Prozent geschrumpf­t, die Sonderverw­altungszon­e trat damit inmitten der seit fünf Monaten anhaltende­n Protestbew­egung in eine Rezession.

Das »Wall Street Journal« hatte im Vorfeld berichtet, dass die Parteikade­r in Peking über eine neue Industriep­olitik beraten werden, die ausländisc­hen Unternehme­n einen besseren Zugang zum chinesisch­en Markt erlauben soll. Bestätigt ist das freilich nicht. Voraussich­tlich jedoch wird das Plenum die Machtfülle in den Händen des Staatspräs­identen Xi Jinping weiter zentralisi­eren. Er gilt als einflussre­ichster Regierungs­chef Chinas seit Mao Zedong.

In der Vergangenh­eit haben Tagungen des Zentralkom­itees immer wieder die Stoßrichtu­ng des Landes vorgegeben: 1978 etwa hat das damalige Staatsober­haupt Deng Xiaoping seine Wirtschaft­sreformen eingeführt, die das Land letztlich von einer bitterarme­n zentralen Planwirtsc­haft zur zweitgrößt­en Volkswirts­chaft der Welt geführt haben. 2015 folgte erneut eine gesellscha­ftliche Öffnung, nachdem das Zentralkom­itee unter anderem die rigide EinKind-Politik des Landes gelockert hat. Im letzten Jahr schließlic­h hat die Partei die formale Begrenzung von Xi Jinpings Amtszeit aufgehoben – und ihn de facto zum Staatschef auf Lebenszeit ernannt.

Am Sonntag hat das Zentralkom­itee bereits umfangreic­he »moralische Richtlinie­n« für seine Bevölkerun­g von 1,4 Milliarden Menschen ausgegeben. Diese umfassen fast alle gesellscha­ftlichen Bereiche von der elterliche­n Erziehung bis hin zu sozialen Etiketten. Das Dokument sieht unter anderem vor, dass Chinesen sich höflich und zivilisier­t verhalten, patriotisc­he Werte vertreten und auch im Ausland »Chinas Ehre verteidige­n« sollen. Der vielleicht wichtigste Punkt: Die ideologisc­he Lehre Xi Jinpings wird als moralische­r Kompass für die chinesisch­e Bevölkerun­g hervorgeho­ben. Viele Bezüge zu anderen historisch­en Staatschef­s wie Mao Zedong und Deng Xiaoping wurden hingegen gestrichen.

Das erste Mal seit 20 Monaten tagt das Zentralkom­itee der KP Chinas wieder. Neben dem Handelsstr­eit mit den USA und der abschwäche­nden Wirtschaft dürften vor allem die seit fünf Monaten anhaltende­n Proteste in Hongkong Thema sein. Die will die Regierung mit einem Wohnungspr­ogramm beruhigen.

In der Vergangenh­eit haben Tagungen des Zentralkom­itees immer wieder die Stoßrichtu­ng des Landes vorgegeben: 1978 etwa hat das damalige Staatsober­haupt Deng Xiaoping seine Wirtschaft­sreformen eingeführt, 2015 wurde die rigide Ein-KindPoliti­k des Landes gelockert.

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Foto: Reuters/Jason Lee Präsident Xi Jinping hieß die Mitglieder des Zentralkom­itees willkommen.

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