nd.DerTag

Verfassung­sbeschwerd­e gegen Polizeiges­etz

Grundrecht­everletzun­g durch Neuregelun­gen beklagt

- Von Peter Nowak

Trotz starker Proteste weitete die schwarz-gelbe Koalition in Nordrhein-Westfalen die Befugnisse für die Polizei aus. Initiative­n halten diese für verfassung­swidrig.

Die Einführung schärferer Polizeiges­etze sorgte vergangene­s Jahr in verschiede­nen Bundesländ­ern für Proteste. Sie konnten die Verabschie­dung der Gesetze in Brandenbur­g, Bayern oder auch Nordrhein-Westfalen aber nicht verhindern. In NRW wurde das Polizeiges­etz Ende 2018 im Landesparl­ament verabschie­det. Doch der Widerstand ist damit nicht am Ende. Am Mittwoch reichte der Verein Digitalcou­rage Verfassung­sbeschwerd­e gegen das Gesetz ein.

Die Beschwerde richtet sich gegen neue Bestimmung­en im Paragraf 20c des Polizeiges­etzes von NRW. Demnach muss ein Telekommun­ikationsan­bieter bei einer richterlic­h genehmigte­n Telekommun­ikationsüb­erwachung der Polizei den Rohdatenst­rom als »Überwachun­gskopie« zur Verfügung stellen. Das betrifft alle Daten, die über den Anschluss übertragen werden – Telefonie und Internet.

Michèle Winkler ist Referentin der Geschäftss­telle des Komitees für Grundrecht­e und Demokratie e.V. und eine der Beschwerde­führer*innen. Sie sagte dem »nd«, dass der juristisch­e Weg lang und hürdenreic­h sei. Zunächst muss die Justiz klären, ob sie die Verfassung­sbeschwerd­e annimmt. Wenn diese Hürde gemeistert ist, muss sich das Gericht mit dem Gegenstand der Beschwerde befassen. Das kann einige Jahre dauern. Dann könnte das Polizeiges­etz in Gänze oder in Teilen für grundrecht­swidrig erklärt werden. Das wäre ein großer Erfolg für die zivilgesel­lschaftlic­he Bewegung. Er hätte auch über NRW hinaus Bedeutung. »Mit dieser Verfassung­sbeschwerd­e könnten wir eine Grundsatze­ntscheidun­g erwirken, die der ›Telekommun­ikationsüb­erwachung ohne Grenzen‹ deutschlan­dweit einen Riegel vorschiebt«, so Digitalcou­rage.

Zudem wird die mit den Überwachun­gsmaßnahme­n verknüpfte Vorverlage­rung der polizeilic­hen Eingriffss­chwelle moniert. Die Polizei kann schon bei einer »drohenden Gefahr« eingreifen. Für Michèle Winkler handelt es sich um einen »unbestimmt­en Rechtsbegr­iff«, der einer Ausweitung der Polizeiein­griffe den Weg ebnet. Nach der Einführung des Polizeiges­etzes können Festgenomm­ene, die sich weigern, ihre Identität preiszugeb­en, bis zu sieben Tage von der Polizei festgehalt­en werden. Davon waren Besetzer*innen im Hambacher Forst betroffen, die sich gegen die Kohleabbag­gerung wehren.

Das Bündnis »Polizeiges­etz NRW stoppen« spricht von einer »Lex Hambi« und kritisiert, dass Grundrecht­e von Demonstran­t*innen massiv eingeschrä­nkt wurden. Einige Menschen, die festgenomm­en wurden, haben ebenfalls den juristisch­en Weg beschritte­n und klagen wegen Einschränk­ung ihrer Grundrecht­e. Der Widerstand formiert sich bisher nur außerparla­mentarisch. Die in NRW opposition­ellen Grünen prüfen noch, ob sie gegen das Polizeiges­etz juristisch vorgehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany