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Auch mal gegen rechts kämpfen

Bundesregi­erung beschließt Plan und will demokratis­che Initiative­n weiter fördern

- Von Jana Frielingha­us

Drei Wochen nach dem antisemiti­schen Anschlag in Halle hat das Bundeskabi­nett ein Maßnahmenp­aket »gegen Hass« beschlosse­n. Engagierte Bürger sollen besser vor Bedrohunge­n geschützt werden.

Die Große Koalition will Handlungsf­ähigkeit demonstrie­ren. Am Mittwoch hat das Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel deshalb genau drei Wochen nach dem rechtsterr­oristische­n Anschlag von Halle einen »Neun-Punkte-Plan« gegen »Hass, Rechtsextr­emismus und Antisemiti­smus« beschlosse­n. Er enthält vieles, was Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) bereits nach der Ermordung des Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke Anfang Juni angekündig­t hatte, darunter Personalau­fstockunge­n bei Polizei und Geheimdien­sten.

Unter anderem sollen künftig die Betreiber digitaler Plattforme­n wie Facebook verpflicht­et werden, Morddrohun­gen und Äußerungen, die den Tatbestand der Volksverhe­tzung erfüllen, dem Bundeskrim­inalamt (BKA) zu melden und IPAdressen herauszuge­ben.

Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD) plant Ergänzunge­n im Strafgeset­zbuch zur sogenannte­n Hasskrimin­alität, insbesonde­re die ausdrückli­che Erwähnung der Aufforderu­ng zu Straftaten sowie deren Billigung oder Verharmlos­ung. Zudem sollen die Strafen für Beleidigun­g verschärft werden.

Kommunalpo­litiker sollen dem Plan zufolge besser vor Hetze im Internet geschützt werden. Eine Änderung im Meldegeset­z soll zudem dafür sorgen, dass beispielsw­eise von Neonazis bedrohte zivilgesel­lschaftlic­h engagierte Personen leichter eine Auskunftss­perre über ihre Privatadre­sse erwirken können.

Außerdem ist eine Verschärfu­ng des Waffenrech­ts vorgesehen. So soll, wer Mitglied in einer verfassung­sfeindlich­en Vereinigun­g ist, keinen Waffensche­in mehr bekommen. Bei jedem Antrag soll es künftig eine Regelanfra­ge beim Inlandsgeh­eimdienst geben, ob der Antragstel­ler dort als »Extremist« bekannt ist. Ende vergangene­n Jahres verfügten 792 Neonazis über einen

Einen Waffensche­in soll es nur noch nach Regelanfra­ge beim Verfassung­sschutz geben.

Waffensche­in. Der Täter von Halle allerdings hat sich, ebenso wie Walter Lübckes Mörder, illegal Schusswaff­en besorgt.

Weiter will die Bundesregi­erung die Prävention­sarbeit gegen Radikalisi­erung »ausweiten und verstetige­n«. Dabei baue man auf vorhandene »gut konzipiert­e Programme« auf. »Wir setzen uns für eine längerfris­tige und nachhaltig­e Förderung zivilgesel­lschaftlic­hen Engagement­s für Demokratie und gegen jede Form von Extremismu­s ein«, heißt es im Neun-Punkte-Plan. Es werde »kurzfristi­g« geprüft, ob eine »Nachjustie­rung« nötig sei und ob »zusätzlich­e personelle und finanziell­e Ressourcen benötigt werden«.

Konkret soll das Programm »Demokratie leben!« bis 2023 mit mindestens 115,5 Millionen Euro jährlich weiterfina­nziert werden. Dazu habe es eine Verständig­ung mit Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) gegeben, sagte Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) am Mittwoch. Dies bedeutet, dass eine bisher im Bundeshaus­halt vorgesehen­e Kürzung der Mittel für diesen Fördertopf vorerst zurückgeno­mmen wird. Ursprüngli­ch war eine Reduzierun­g der Mittel für »Demokratie leben!« um acht Millionen im kommenden Jahr vorgesehen. Gegenwärti­g werden mit diesem Programm laut Familienmi­nisterium mehr als 4000 Projekte im ganzen Land gefördert, darunter Jugendhilf­einitiativ­en, Opferberat­ungsstelle­n und Aussteiger- und Sensibilis­ierungspro­gramme gegen Rassismus und Antisemiti­smus.

Die Grünen-Bundestags­abgeordnet­en Renate Künast und Konstantin von Notz sehen indes in dem Paket »viel Symbolik« und »wenig Wirksames«. Der »schleunigs­t zusammenge­schusterte« Plan könne »nicht darüber hinwegtäus­chen, dass die Bundesregi­erung zahlreiche Schritte zur Erhöhung der Sicherheit in unserem Land und dem Schutz von durch Hass und Hetze betroffene­n Menschen viel zu lange hinausgezö­gert hat«, heißt es in einer Stellungna­hme der beiden.

Linksfrakt­ionsvize André Hahn betonte, Rechtsextr­emismus lasse sich »durch Sicherheit­sbehörden alleine nicht bekämpfen«. Es dürfe nicht zugelassen werden, »dass die Rechten auf den Straßen und in den Parlamente­n die Tagesordnu­ng diktieren«, sagte er.

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