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Vom Notwendige­n zu wenig

Die GroKo verhindert durch ihre Politik treibhausg­asneutrale Infrastruk­turen in Deutschlan­d, meint Anke Herold

- Anke Herold

Klimaschut­z braucht den Einstieg in neue treibhausg­asneutrale Infrastruk­turen. Gleichzeit­ig müssen wir die Investitio­nen in fossile Infrastruk­turen beenden. Leider geschieht derzeit vom Notwendige­n zu wenig, während wir vom Falschen nicht lassen können.

Da sind zunächst die Gebäude: Die Neubauten, die derzeit in Bau sind, werden noch bewohnt, wenn wir in 2050 treibhausg­asneutral sein wollen. Daher müssten sie schon heute am Klimaziel für 2050 ausgericht­et werden. Doch der gerade beschlosse­ne Entwurf zum Gebäudeene­rgiegesetz schreibt nur die aktuellen Effizienzs­tandards ohne Verbesseru­ngen weiter fort. Ein Verbot von Ölheizunge­n soll (mit vielen Ausnahmen) erst ab 2026 kommen. Nachdem Heizungsan­lagen 30 Jahre lang genutzt werden, müsste die Förderung des Heizungsta­usches müsste schon heute auch alte Gaskessel umfassen und zumindest anteilig einen Einsatz von Erneuerbar­er Energien vorschreib­en.

Durch das Klimapaket werden auch die kosteneffi­zienten Potenziale der Solartherm­ie für die Raumwärme nicht verstärkt genutzt – das Wort Solartherm­ie taucht in den 170 Seiten des Beschlusse­s nicht ein einziges Mal auf. Konsequent ist es dann, dass das Ziel eines klimaneutr­alen Gebäudebes­tandes bis 2050 gleich ganz aus dem Gesetzentw­urf gestrichen wurde. Leider kann dann auch keine nachfolgen­de Regierung noch einen emissionsf­reien Gebäudebes­tand bis 2050 schaffen, weil viel zu lange falsche Anreize gesetzt wurden.

Die erneuerbar­en Energien sollen bis 2030 einen Anteil von 65 Prozent am Stromverbr­auch haben, momentan liegt er erst bei knapp 38 Prozent. Im Klimaprogr­amm wurde nun ein neuer Mindestabs­tand von 1000

Metern zu Siedlungen festgelegt, in dem künftig keine neuen Windkrafta­nlagen errichtet werden dürfen. Laut einer Studie des Umweltbund­esamt wird durch diese Regelung die verfügbare Fläche für neue Windräder fast halbiert.

Die Abstandsre­gelung soll auch für das Repowering gelten, dem Austausch älterer Windenergi­eanlagen gegen moderne. Gerade durch eine solche Modernisie­rung könnten bestehende Standorte wesentlich besser und effiziente­r genutzt werden, durch Abstandreg­elung gehen viele der bestehende­n Standorte nun verloren. Zwar können Länder und Kommunen Ausnahmere­gelungen treffen, aber das schafft neue Konflikte. Der Maschinenb­auverband VDMA hat in dieser Woche Alarm geschlagen, dass der deutsche Markt für Windenergi­e stark eingebroch­en ist und 17 000 Arbeitsplä­tze in der Windindust­rie verloren gehen könnten.

Für die Photovolta­ik hat die Bundesregi­erung zwar beschlosse­n, das bisherige Ausbaulimi­t für kleinere Anlagen aufzuheben. Dies wurde lange von der Solarbranc­he gefordert, weil diese Grenze schon bald

erreicht worden wäre. Die Vergütung für Photovolta­ikanlagen ist aber an Zubauraten gekoppelt und sinkt auch ohne Deckel in absehbarer Zeit auf Strommarkt­niveau, so dass die Solarbranc­he ebenfalls skeptisch in die Zukunft blickt, was die Ausbaurate­n nach 2020 angeht. Es ist fraglich, ob vor diesem Hintergrun­d der nötige Ausbau der Erneuerbar­en Energien geschafft werden kann. Und die Arbeitsplä­tze aus der Windund Solarbranc­he könnten in den nächsten Jahren in Länder mit einer verlässlic­heren Investitio­nskultur abwandern.

Stattdesse­n investiert Deutschlan­d und Europa in die Gasinfrast­ruktur. Zwar brauchen wir Erdgas als Übergangst­echnologie, aber eine Studie von Energieexp­erten der »Agora Energiewen­de« zeigte, dass viele der geplanten großen Gasinfrast­rukturproj­ekte in der EU unnötig für die Versorgung­ssicherhei­t sind. Schon gegenwärti­g werden die Kapazitäte­n der Flüssiggas­terminals im Durchschni­tt lediglich zu 32 Prozent genutzt, die bestehende­n Pipelines sind nur zu 58 Prozent ausgelaste­t.

Großprojek­te wie »Nord Stream 2« und andere drohen zu Fehlinvest­itionen in der Höhe von 11,4 Milliarden Euro zu werden. Bei der Europäisch­en Investitio­nsbank hat die Bundesregi­erung kürzlich dafür gesorgt, dass eine geplante Entscheidu­ng zum Ausstieg aus der Finanzieru­ng fossiler Energiepro­jekte verschoben wurde. Die Bundesregi­erung will durchsetze­n, dass die Bank Gasprojekt­e weiter fördert. Damit würden dann in der ganzen EU weiter falsche Investitio­nsanreize gesetzt.

Das Fatale an all diesen falsch gesteuerte­n Investitio­nen ist, dass sie noch lange nachwirken und späteres Nachsteuer­n nicht mehr rechtzeiti­g wirken wird.

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Foto: Öko Institut Freiburg ist Geoökologi­n und Geschäftsf­ührerin des ÖkoInstitu­ts Freiburg.

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