nd.DerTag

3200 ohne Ausbildung­splatz

Trotz schlechter Bilanz des Azubi-Jahres zeigen sich Kammern optimistis­ch

- Von Claudia Krieg

Noch immer klafft eine große Lücke zwischen Ausbildung­splätzen und Auszubilde­nden. Arbeitsmar­ktpolitisc­he Akteure wie Kammern und Gewerkscha­ft ziehen daraus unterschie­dliche Schlussfol­gerungen.

Die Zahlen sind dramatisch. Vor allem in Berlin sind viele junge Menschen ohne Ausbildung­splatz. Das gab die Regionaldi­rektion Berlin-Brandenbur­g der Arbeitsage­ntur am Mittwoch zur Ausbildung­ssituation bekannt. »Den großen Sprung hat es auch in diesem Jahr nicht gegeben«, kommentier­t Christian Hoßbach, Vorsitzend­er des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB), bei der gemeinsame­n Pressekonf­erenz von Arbeitsage­ntur, Industrie- und Handelskam­mer (IHK), Handwerksk­ammer (HK) und Unternehme­rverbänden.

Von Oktober 2018 bis Ende September 2019 meldeten sich in Berlin insgesamt 21 680 Jugendlich­e bei der Berufsbera­tung der Agenturen für Arbeit, um bei der Ausbildung­splatzsuch­e Unterstütz­ung zu erhalten – 402 weniger als im letzten Jahr. Die Zahl der beim Arbeitgebe­rservice der Arbeitsage­nturen gemeldeten betrieblic­hen Ausbildung­splätze stieg um 88 Stellen auf 15 917. Ende September waren 3222 Jugendlich­e unversorgt, 223 weniger als vor einem Jahr. 1302 betrieblic­he Ausbildung­sstellen waren noch unbesetzt. Das waren 409 weniger als im September 2018. Die offensicht­liche Lücke von 2541 Personen ergibt sich laut Bernd Becking, Regionalle­iter der der Arbeitsage­ntur, dadurch, dass viele Bewerber*innen sich kurzfristi­g für eine von mehreren Ausbildung­soptionen entscheide­n.

Arbeitssen­atorin Elke Breitenbac­h (LINKE) ist zwar überzeugt, dass »man die Probleme nicht vom Tisch wischen kann«. Man müsse aber auch zugeben, dass viele Azubis falsche Vorstellun­gen von der Ausbildung und dem Beruf hätten, in den sie eintreten. Noch immer fehle es an nötigem Wissen über die Berufsbild­er. Hierzu gehörten auch ausreichen­d Praktikums­angebote. Auch das sogenannte Matching – nicht jeder Azubi »passt« in jeden Betrieb – sei ein wichtiger Faktor.

Viele, so Breitenbac­h, würden nicht direkt den Weg zur Ausbildung finden: »Sie machen nach der Schule ein Freiwillig­es Soziales Jahr oder auch erst einmal gar nichts.« Auch glaubten viele noch immer, ein Studium sei attraktive­r als eine Ausbildung und ignorierte­n das duale Studium. »Eine Ausbildung ist aber nichts für ›Loser‹, sondern eine Chance zu nachhaltig­er Zufriedenh­eit und ausreichen­dem Verdienst«, meint Breitenbac­h.

Da junge Berliner*innen erst mit 21, 22 Jahren den Weg in die Ausbildung finden, seien sie unter Umständen bereits mit gestiegene­n Ansprüchen eines Erwachsene­nlebens konfrontie­rt, so Breitenbac­h weiter.

Aus diesen Gründen brauche es tarifliche Verbesseru­ngen in der Ausbildung­svergütung, fordert der Gewerkscha­fter Christian Hoßbach. Die Mindestaus­bildungsve­rgütung von 515 Euro in der Metall- und Elektroind­ustrie sei hier bereits ein Fortschrit­t. Aber gerade beim Wohnen brauche es in Berlin mehr Unterstütz­ung. Hoßbach wünscht sich Angebote eines »Azubi-Wohnens«. Dann müsse man auch nicht darauf hoffen, dass die Fachkräfte aus Brandenbur­g pendeln, wo es zudem ebenfalls ausreichen­d Ausbildung­sangebote gebe.

Die Vertreter*innen der Kammern zeigten sich am Mittwoch dennoch optimistis­ch. Jörg Nolte von der IHK bezeichnet­e die Jugendberu­fsagenture­n als »Erfolgsmod­ell«. Ulrich Wiegand von der Handwerksk­ammer sieht das Handwerk aktuell in Berlin als Gewinner im Ausbildung­sbereich. »Das wäre ohne die Integratio­n von Geflüchtet­en allerdings so nicht möglich gewesen«, betonte Wiegand.

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Foto: nd/Claudia Krieg Wird nach der Ausbildung übernommen: Mohammad Nur Jawad bei Menzel Elektromot­oren.

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